Donnerstag, 2. Dezember 2010

Von Brüchen und anderen (Lebens)Wegen

Was treibt uns Menschen an?
Sind es so unlautere Motive wie Machtstreben, Geltungssucht, Eitelkeit, Habgier, Ehrgeiz oder Neid?
Oder ist es einfach nur bloße Angst, die Angst nicht mehr mithalten zu können ins Hintertreffen zu geraten, einfach hinter den Anderen zurückzubleiben?
Während die ersten Motive sich darum drehen, besser zu sein als unsere Mitmenschen, drehen sich die letzteren darum wenigstens genauso gut zu sein wie unsere Peergroup.
Was haben wir von dem einen und was haben wir von dem anderen?
Und was folgt aus diesem Antrieb?
Die Menschen sehen in jeder Ungeradlinigkeit ihres Weges einen Fehler. Sie sehen nicht, welchen Nutzen es hatte diesen Weg bis dorthin zu gehen und dann umzudrehen und an der letzten oder gar vorletzten Kreuzung neu abzubiegen. Brüche in Lebensläufen werden als Schwächen gesehen, eine abgebrochene Ausbildung, ein abgebrochenes Studium, ein gewechselter Studiengang oder eine zweite nicht aufbauende, sondern völlig fachfremde, Ausbildung werden als verschwendete Zeit gesehen. Es wird nicht gesehen, dass jeder einzelne Schritt, den ein Mensch geht, ihn zu dem Menschen macht, der er ist.
Menschen, die uns beeindrucken sind selten die, die geradlinig ihren Weg erreichten immer wussten wo sie hinwollten und dieses Ziel mit möglichst geringem Aufwand und in möglichst kurzer Zeit zu erreichen versuchten.
Menschen die uns beeindrucken sind häufig Menschen, die wir als persönlich "erfolgreich" und "glücklich" erkennen, ohne dass es sich vielleicht um eine Position des maximalen Erfolges oder Gehaltes handelt, die aber mit persönlicher Erfüllung verbunden ist, die häufig über Umwege führte, bei der sich aber doch letztendlich die meisten vermeintlichen Schwächen als wichtige Puzzleteile einfügen.
Ich bewundere Menschen, die den Mut haben umzukehren, die, ich versuche es metaphorisch deutlich auszudrücken, sagen können: Ich bin erst einmal losgelaufen und gelaufen, bin dabei irgendwo falsch abgebogen, habe dabei aber einen Baum mit köstlichen Früchten gefunden, habe mir damit den Bauch vollgeschlagen und bin dann erst umgekehrt, habe einen anderen Weg eingeschlagen, der für mich wohl der richtige war und als ich das merkte, wollte ich eine Abkürzung nehmen, wäre dabei aber beinahe verdurstet, weil ich nicht gemerkt habe, dass an diesem Weg kein Brunnen liegt, so musste ich eine Schleife gehen, die letztendlich länger dauerte als der eigentliche Weg, aber unterwegs konnte ich noch einem Eselfohlen helfen, dass in einen Graben gefallen war und aus Dankbarkeit hat es meinen Weg eine Weile begleitet und mir sehr nette Gesellschaft geleistet und wir hatten viel Spaß und ich lernte interessante Sichtweisen auf die Welt kennen und heute bin ich nicht an dem Punkt angekommen, den ich zu Beginn meiner Reise erreichen wollte, aber ich bin an dem Ort angekommen, der mir einen Platz geboten hat, an dem eine Lücke war, in die ich mich gut einfügen konnte.

Ja, diese Menschen oder Menschen, die ähnlich verworrene Geschichten erzählen, bewundere ich.
Ich bin noch zu jung um zu wissen, ob mein Weg geradlinig wird, ob ich immer weiß, welche Abzweigung die richtige ist, aber ich würde mir wünschen, den einen oder anderen Umweg im Leben gehen zu dürfen, weil er das Leben bereichert, Erfahrungen bringt und Begegnungen schenkt. Vielleicht bewege ich mich auch gerade auf so einem Umweg und habe es nur noch nicht gemerkt, dann bin sehr dankbar dafür, denn ich habe jetzt schon viel gelernt und könnte daraus viele Erfahrungen ziehen und ich könnte all den Menschen, die mich fragen, warum ich denn so viel Zeit verschwendet habe, so viele Antworten geben, die die Skeptiker nicht befriedigen würden, die mir aber zeigen, dass es im Leben keine Fehler gibt, sondern das jeder (Ab)Bruch im Leben auch der Weg zum persönlichen Glück sein kann.

Sonntag, 14. November 2010

Ich - einfach unverbesserlich oder von Schreibblockaden und anderen Herzensangelegenheiten

Ich gehe durch die Welt und sehe Dinge, über die es sich lohnt zu schreiben. Es gibt Momente und Situationen, die mich faszinieren, begeistern oder zum Nachdenken anregen. Mein Kopf argumentiert all die Themen bis zum Ende durch, er findet schöne Formulierungen, aussagekräftige Sätze und wohlklingende Metaphern.
Und dann plötzlich sitze ich zu Hause vor meinem Rechner, habe eine weiße Seite auf dem Bildschirm geöffnet und all die schönen Worte sind verschwunden. Mein Kopf ist plötzlich leer. Er ist nicht wirklich leer, er findet nur nicht mehr die richtigen Worte, weil er seine Gedanken plötzlich belanglos findet, weil er überraschend an die Irrelevanz des Themas glaubt. Er hadert mit sich, weil er ein schlechtes Gewissen hat zu seinem persönlichen Vergnügen zu schreiben, obwohl so viele wichtigere Dinge getan werden müssten/sollten/könnten.
Das passiert in meinem Leben so häufig. Ich kann mich zu dem wesentlichen nicht aufraffen und weil ich das nicht kann, traue ich mich nicht, mich den Dingen zu widmen die mich motivieren könnten, weil ich Spaß daran habe. Der berühmt berüchtigte innere Schweinehund als mein ganz persönlicher Freund.
Aber meine Schreibblockade nährt sich auch aus anderen Quellen.
Es gibt etwas, das die Probleme der Welt oder gar Welt belanglos erscheinen lässt und genau dieses "etwas" ist auch eine Ursache für meine Schreibfaulheit.
Ich habe lange geglaubt, dieses "etwas" wäre nicht für mich bestimmt und ich hatte gelernt gut ohne es zu leben. Ich habe nie versucht etwas hinterher zu laufen und es hat mir das Leben erleichtert. Ich habe mich vielleicht sogar daran gewöhnt ohne es zu leben und mir hat nichts gefehlt (so soll das ja häufig mit vielerlei Dingen sein, man vermisst sie erst wenn man sie einmal besaß, oder so ähnlich, habe ich gehört) und mich angefangen zu wehren, als es mich heimsuchen wollte und nur so konnte ich dem "etwas" begegnen, weil es mich fand und ich es nicht finden musste, denn ich hätte nicht so richtig gewusst, wonach ich suchen sollte, vielleicht weil es nicht dazu bestimmt ist gefunden zu werden sondern zu finden.
Ich sehe immer wieder wie viele Menschen dem Leben hinterher rennen, statt sich einfach mal vom Leben einholen und überrollen zu lassen, vielleicht auch mal eine persönliche Krise auszuhalten ohne sich sehenden Auges in eine neue Krise zu stürzen.
Das Glück kommt wenn wir es am wenigsten erwarten und das Glück kommt nur wenn wir es nicht suchen und vor allem kann das Glück nur kommen, wenn wir diesen Platz in unserer scheinbaren Verzweiflung des Wartens nicht durch etwas anderes besetzt haben.

Mittwoch, 8. September 2010

Von Missverständnissen und anderen Gesprächen

Völlig fasziniert von einer Liebeskomödie am Dienstagabend wollte ich mich eigentlich dazu hinreißen lassen, darüber zu schreiben, dass Männer und Frauen nicht zusammenpassen, weil sie auf verschiedenen Ebenen kommunizieren. Aber bei längerem Nachdenken erkannte ich, dass Menschen generell nicht zusammenpassen, weil jeder auf einer eigenen Ebene kommuniziert. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Missverständnisse vorprogrammiert sind. Eine These der Kommunikationspsychologie geht davon aus, dass es einen Sender und einen Empfänger gibt und dass der Sender einen Code benutzt, den der Empfänger kennen muss, um den Inhalt der Nachricht verstehen zu können. Als Code wird hierbei meist "Sprache" verstanden, möglichst die gleiche Sprache. Aber wenn man Gespräche beobachtet kommt man zu dem Schluss, dass viele Menschen vielleicht eine ähnliche Sprache sprechen, doch nie wirklich die gleiche.
Man hat seinen Standpunkt und diesen muss man nicht erklären können, denn man kennt ihn und denkt, jeder andere der das gleiche Wort wie man selbst für etwas benutzt, meint auch den gleichen Inhalt damit. Beim Erlernen einer Fremdsprache lernen wir solche Missverständnisse als "False Friends" (falsche Freunde) kennen. Aber dass sie uns permanent in unserer eigenen Sprache begegnen, sagt uns niemand.
Erschwerend hinzukommt, dass wir selten mimisch, gestisch und verbal das Gleiche sagen, wir widersprechen uns schon in innerhalb unserer Aussage, weil wir entweder nicht 100-prozentig hinter dem stehen, was wir sagen, weil wir unsere wahre Ansicht nicht wirklich kennen oder weil wir uns schützen wollen, indem wir noch etwas darstellen, was gar nicht dazu gehört. Wenn wir uns aber gar nicht mit uns selbst einig sind, was wir eigentlich sagen wollen, wie soll dann unser Gegenüber wissen, was wir mit den Worten, die wir sagen oder den Gesten die wir aussenden, wirklich meinen?
Eine weitere These behauptet, dass jeder Satz von uns 4 Aussagen enthält, die vom Empfänger noch als 4 weitere Aussagen verstanden werden können, wobei die Sachebenen von Sender und Empfänger meist fast gleich sind, sodass man sagen könnte, dass jeder Satz von uns 7 Aussagen beinhalten kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass 2 Gesprächspartner nach je 10 Sätzen noch über das Gleiche reden, ist minimal.
Aber die Menschheit hat sich mehr oder minder damit arrangiert, sich nicht zu verstehen. Ich bin mir nicht sicher, ob in der Tierwelt derartig viele Missverständnisse innerhalb einer Rasse nicht zum Aussterben dieser führen würden, aber der Mensch beweist ja in dieser Hinsicht sowieso eine besondere Zähigkeit.
Wenn wir also zu den reflektierteren Zeitgenossen gehören, wissen wir, dass nur, weil 2 Menschen das Gleiche sagen, noch nicht dasselbe meinen müssen. Wir beginnen also dieses Wissen in unserer Gesprächen zu berücksichtigen und versuchen so viel wie möglich deutlich zu erklären, wenn unser Gegenüber dies auch tut, könnte es ein gelungenes Gespräch werden.
Aber möglicherweise stehen wir dann vor einem anderen Problem. Es gibt einfach verschiedene Stile wie Menschen kommunizieren und manche passen einfach nicht zusammen. Dann muss man sich einander annähern. Sollte dieser Prozess jedoch einseitig verlaufen kommt es zu riesigen Problemen.
Mir sind 2 besonders unproduktive Wege aufgefallen (wobei es sicher noch viele weitere gibt):

1: X kopiert plötzlich die Art von Y zu kommunizieren, benutzt die gleichen Floskeln, Betonungen und Gesten, obwohl auffällt, dass dieses Verhalten nicht zu ihm passt. Y spürt, dass X sich anders verhalten will und bei seinen Versuchen X wieder zu seinem gewohnten Verhalten zu bringen entsteht bei Y Wut und Verzweiflung, weil X sich immer mehr in unwirkliches Verhalten stürzt und außerdem erkennt Y, dass sein Verhalten kopiert wird und fühlt sich nicht ernst genommen, bloßgestellt oder gar lächerlich gemacht.

2: X erkennt, wie er sich Y gegenüber verhalten muss, um Y dazu zu bringen, Dinge von sich preiszugeben, behält aber für ihn betreffende Gespräche sein gewohntes Verhalten bei. Y erkennt die Veränderung bei X und nimmt an, dass diese sich auf jede Art von Gespräch beziehen und wird immer wieder frustriert, weil er an Gesprächen mit X über X wieder und wieder scheitert, fühlt sich aber nicht in der Lage, das für X angenehmere Verhalten zu zeigen, weil er es selbst schrecklich finden würde, wenn man so mit ihm kommunizieren würde.

Obwohl die Beispiele überspitzt sind, finden wir sie unseren Gesprächen immer wieder ähnlich vor. Besonders auf Partys ärgern wir uns oft über Gespräche und wissen eigentlich nicht so recht warum, denn den Inhalt fanden wir eigentlich inspirierend. Man macht sich selten klar, warum man mit einem Menschen nicht gut zurecht kommt, den alle anderen für wahnsinnig sympathisch halten, aber meist liegt es daran, dass man keine Form der Kommunikation gefunden hat mit der beide gut zurecht kommen. Egal, wieviel Mühe wir uns geben, es wird Menschen geben mit denen wir nicht wirklich reden können, bei manchen scheitert es am Inhalt bei manchen an der Form bei anderen an beidem. Aber wir können versuchen bei Gesprächen, die uns wichtig sind, bewusster zu kommunizieren um Missverständnisse zu vermeiden.
Wenn wir wirklich wissen wollen, was uns der andere zu sagen hat, werden wir es auch irgendwann erfahren und manchmal ist es dafür wichtig über unseren Schatten zu springen und einander entgegen zu kommen.

Montag, 23. August 2010

Von Selbstschutzmechanismen und anderem schamhaftem Verhalten

Fremdschämen ist ein Begriff, der immer häufiger in den Medien oder unserem alltäglichen Sprachgebrauch auftaucht. Wir genieren uns für das Fehlverhalten unserer Artgenossen. Fremdscham ist ein durch und durch überflüssiges Übel. Warum sollten uns Fehler, die wir NICHT gemacht haben peinlich sein? Manch einer redet sich damit heraus, dass der Verfehlende ihm sympathisch sei und er wegen der Empathie Fremdscham zeige. Zwei Punkte sind dabei zu bedenken: Unserere Fremdscham ist am größten, je weniger sich der Jenige selbst schämt und unsere Fremdscham tritt gelegentlich bei Menschen auf, die uns völlig unbekannt oder überaus unsympathisch sind.
Fremdscham dient unserem eigenen gesellschaftlichen Schutz: Wenn wir vor unseren Mitmenschen zeigen, dass uns das Fehlverhalten der anderen peinlich ist, symbolisieren wir damit, dass wir dieses Verhalten nicht zeigen würden und verkaufen damit ein gutes Bild von uns nach außen.
Ich glaube, dass unsere Fremdscham am größten ist, wenn wir einen Fehler wiedererkennen, den wir begangen haben und dabei nicht in der Lage waren uns dafür zu schämen (z.B. weil wir betrunken oder in der Pubertät waren, oder beides).

Scham ist wahrscheinlich ein jahrtausendealtes Gefühl. Schon immer schämen sich Menschen für etwas. Scham scheint zum Mensch-Sein zu gehören (wobei meine Katze auch Schamverhalten zeigt, wenn sie mich beim Spielen ausversehen kratzt). Scham bleibt ewig, doch der Inhalt des Schämens scheint sich zu verändern wie die Mode. Früher schämte man sich für uneheliche Kinder, heute gehören sie fast zum guten Ton einer intakten Familie, oder man schämte sich in der Öffentlichkeit einen Kuss zu erhalten, heute tragen einige ihr ganzes Sexualleben in die Öffentlichkeit, zumindest verbal.
Heute schämen wir uns für unsere Arbeitslosigkeit, unseren sexuellen Fehltritt auf der letzten Party, unsere 13-jährige schwangere Tochter, unseren demenzkranken Großvater, der der jungen Pflegeschwester immer an den Hintern packt oder doch ganz banal für unsere Herkunft.
Wobei auffällt, dass einige Gründe, für die wir uns heute schämen, auch in die Rubrik Fremdscham fallen könnten, es aber nicht tun, weil sie sich nicht auf direkte Fehlhandlungen anderer beziehen, sondern wir uns eher deren Existenz schämen.

Scham ist eine Emotion, deren Sinn schwer zu ergründen scheint. Warum macht es Sinn, tomatenfarben anzulaufen, in Schweiß auszubrechen und peinlich berührt dreinblickend mit gebrochener Stimme zu erklären, dass wir jenes (welches auch immer) absonderliche Verhalten durch und durch verachtenswert finden (hier endet die Erklärung bei Fremdscham) in jener (welcher auch immer) Situation jedoch keine andere Wahl hatten (hier endet die Erklärung, wenn wir uns unserer eigenen Fehler schämen)?

Wenn Scham jedoch als Angst verstanden wird, wo liegt der Sinn in einer nachträglichen Angst? Denn Scham ist nicht die Angst vor Entdeckung einer Missetat, denn Scham tritt ja erst nach deren Entdeckung oder Beobachtung ein. Weckt Scham Sympathie? Das kann ich mir persönlich nicht vorstellen, denn finden wir nicht Menschen sympathischer, die zu ihren Fehlern stehen, statt feuermelderfarben Ausreden herzubeten?
Wissen wir nicht auch, dass es nichts bringt uns für die Menschen in unserer Umgebung zu schämen, weil die Menschen, die uns mögen uns um unserer Selbst willen mögen und nicht ihre Sympathie für uns wegen schlechter Manieren anderer aufgeben.

Ist Scham nicht nur ein Gefühl zum Selbstschutz? Wenn wir Scham empfinden, sagen wir uns selbst damit, dass wir nicht so schlecht sind, wie der Eindruck, der von uns entstehen könnte. Scham dient nicht dazu anderen zu zeigen wie gut wir sind, sondern nur uns selbst.
So passt auch die Form der Scham dazu, die ich bisher ausgespart habe, die Scham sich selbst zu offenbaren, Ideen und Wünsche preiszugeben. Die Scham davor, die manchen Partner in die Verzweiflung treibt dient dazu uns selbst glauben zu machen, dass wir trotz der schmutzigsten Phantasien ein ehrbarer Mensch sind, denn wir haben ja den Anstand sie nicht auszusprechen. So werden wir auch nie erfahren, dass unsere Gedanken gar nicht so bösartig oder dreckig oder was auch immer sind, wie wir befürchten, denn sie werden nie an die Oberfläche gelangen und ihr wahres Gesicht offenbaren.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Regen

Ich sitze stumm an meinem Fenster, blicke über die Straßen der Stadt, meiner Stadt. Sehe, wie sie schwarz und geschmeidig ihre Bahnen ziehen, ihre Wege gehen, sie glänzen feucht und glücklich. Ich betrachte den Himmel, er scheint nur eine einzige graue Wolke zu sein. Die Erkenntnis, dass die Sonne trotzdem scheint, nur mir verborgen ist, fällt mir schwer. Ich sehe die Tropfen an der Fensterscheibe hinabrinnen und bemerke zuerst nicht, dass über mein Gesicht die Tropfen im gleichen Rhythmus rinnen. Ich spüre, wie die warmen Tränen mein Shirt tränken und wie das Salz meine Haare verklebt und trotzdem empfindet mein Herz eine große Zufriedenheit, denn es fühlt sich verbunden mit dieser Stadt, die sich, in trauergrau gehüllt, ihren wahren Gefühlen hingibt und den Regen als befreiende Tränen, nach langen stummen Stunden, als Erlösung erkennt.
Es ist nicht der Regen, den man herbeisehnt nach einer langen Dürre. Es ist der Regen, der den Menschen Raum für ihre Gefühle gibt.
Man liebt sich im leisen Tröpfeln des ersten Frühlingsschauers. Man streitet sich im lauten Toben des heißen Sommergewitters, man schenkt sich gegenseitig Wärme im feuchtkalten herbstlichen Regensturm, man spürt seine Einsamkeit im Eisregen des Winters und an jedem Regentag dazwischen, weiß man, dass man fühlt, warum man fühlt und wie man fühlt.
Es ist nicht die Sonne, die uns zu Menschen macht, es ist der Regen. Der Regen ist wie die bestechende Ehrlichkeit eines wutverzerrten Kindergesichts. Die Sonne dagegen ist das süffisante Lächeln einer chic verpackten Highsocietylady auf einer Spendengala. Es ist der Regen der uns zu Menschen macht, denn er entlarvt unsere Stärken und Schwächen. Ein Lächeln in der wärmenden Frühlingssonne fällt jedem Menschen leicht, doch eine ehrliche, warmherzige Umarmung in stärksten Schauer ist eine besondere Geste. Aber der Regen zeigt auch unsere Schwächen, wenn es uns schwer fällt, auf unsere Mitmenschen zu achten, wenn unsere Selbstversunkenheit plötzlich Konsequenzen hat, die es bei Sonnenschein nicht gegeben hätte. Regen macht uns menschlich. Regen macht uns verletzlich. Regen macht uns aufrichtig.
Ich folge stumm meinen Gedanken, die mit den Tropfen auf die Erde fallen, in tausend Stücke zerspringen und damit Teil eines großen Ganzen werden, denn sie vereinigen sich mit allen anderen in tausend Stücke zersprungenen Gedanken zu einem feuchten Teppich auf den schwarzen glänzenden Straßen unserer Stadt.

Freitag, 23. Juli 2010

Von Entscheidungen und anderen Alternativen

Wie treffen Menschen ihre Entscheidungen?
Psychologen definieren Entscheiden als den Prozess der Wahl zwischen Alternativen und die Auswahl oder Ablehnung vorhandener Möglichkeiten.
Aber was passiert praktisch in einem Menschen der eine Entscheidung trifft?
Da man die Zukunft nur erahnen und die Vergangenheit nie vollständig erfassen kann sind Entscheidungen nur begrenzt rational.
Die Formulierung der Frage hat einen enormen Einfluss auf die folgende Entscheidung. So verschiebt sich möglicherweise die Entscheidung, wenn wir keine Präferenzentscheidung mehr treffen müssen, sondern eine Ablehnungsentscheidung.
Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass die Alternative, die wir am ehesten präferieren, auch die Alternative ist, die wir am ehesten Ablehnen würden, ist uns klar geworden, dass diese Alternative viele Vor- und gleichzeitig Nachteile beinhaltet. Zu dieser Erkenntnis kommen Menschen in der Praxis häufig, wenn sie Pro- und Contra- Listen zur Entscheidungsfindung benutzen.
Eine wichtige Rolle bei einer Entscheidungsfindung spielen Erwartungen, an denen wir die Vorteile einer Alternative abwägen. Wenn wir beispielsweise kein Geburtstagsgeschenk erwarten, wird die Freude über eine Kleinigkeit groß sein, hatten wir aber einen bestimmten Wunsch gehegt, der nicht erfüllt wurde, wird unsere Freude getrübt und möglicherweise beeinflusst, wie wir uns entscheiden uns gegenüber dem Schenkenden zu verhalten. Auch wenn wir uns bemühen, wird es uns nicht gelingen uns von unseren Erwartungen vollständig zu lösen, d.h. sie beeinflussen jede unserer Entscheidungen.

Das Ziel einer Entscheidung ist eigentlich den Gewinn zu maximieren oder den Verlust zu minimieren. Je nach dem, ob wir eine Verlust- oder eine Gewinnvorrechnung erhalten wird auch hier unsere Entscheidung stark beeinflusst, beispielsweise bei medizinischen Entscheidungen: OP versus konservative Behandlung, ist entscheidend, ob einem Patienten jeweils die Überlebenswahrscheinlichkeit oder die Sterbewahrscheinlichkeit mitgeteilt wird. Und wer die Weitsicht besitzt die gebotenen Informationen umzurechnen, wird möglicherweise zu dem Schluss kommen, dass diese Entscheidung zu schwierig zu treffen ist und versuchen zu vermeiden eine Entscheidung zu treffen: Es kommt zu einer Entscheidungsaversion.

Zu Entscheidungsaversionen kommt es, wenn Probleme scheinbar zu komplex sind, um die optimale Entscheidung finden zu können, aber auch weil Menschen nicht gern Entscheidungen treffen bei denen Güter ungleich verteilt werden müssen, weil Menschen das Bedauern einer falschen Entscheidung antizipieren können, weil Menschen ungern Verantwortung für schlechte Resultate übernehmen und weil Menschen ungern Entscheidung für andere treffen.
Und Menschen mögen keine Entscheidungen, die andere für sie getroffen haben, deswegen führt eine Entscheidungsaversion generell zu Unzufriedenheit, denn irgendwer trifft früher oder später eine Entscheidung und wenn irgendwer eine Kraft ist, die wir einmal Schicksal nennen wollen.
Meist können wir uns auf unsere kognitiven Fähigkeiten verlassen und treffen häufig Entscheidungen mit denen wir gut leben können.
Kognitive Fähigkeiten
sagt schon, dass wir uns eher auf Kopf- als auf Gefühlsentscheidungen verlassen sollten, weil wir sonst möglicherweise falschen Signalen folgen. Aber bei den meisten Entscheidungsprozessen kommt der Kopf früher oder später zu dem gleichen Ergebnis, wie das „Herz,“ sodass es in dieser Hinsicht selten zu Komplikationen kommen sollte.

Mein Tipp für Probleme, die uns zu schwierig erscheinen: Sie einfach betrachten wie Probleme, deren Lösung uns leicht fällt (z.B. Ich habe Hunger. Was soll ich essen?), weil jede Alternative eine gute Entscheidung ist. Wenn wir also zu dem Schluss kommen, dass jede Alternative eine gute Seite hat, entfällt des Gefühl der möglichen Fehlentscheidung und wir können uns der Wahl des Besten unter dem Guten hingeben.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Alles konstruiert?

Liebe ist eine Emotion, die unser Leben sehr stark beeinflusst. Aber diese Emotion gibt es noch nicht ewig. Liebe ist ein Konstrukt der Neuzeit, ein Luxusgut, das sich Menschen vor einigen 100 Jahren noch nicht leisten konnten oder wollten. Liebe ist nicht angeboren, sondern anerzogen. Was nicht heißt, dass man an der Aufrichtigkeit dieser Emotion zweifeln sollte, es ist ein tief empfundenen Gefühl, ein tief empfundenes Bedürfnis. Woher es kommt ist dabei irrelevant.
Beziehungen sind auch ein Konstrukt, ein von außen aufgezwungenes noch dazu.
Beziehung bedeutet, dass Menschen in einem Bezug zueinander stehen, in welchem auch immer. Was die Menschen aus Beziehungen gemacht haben sind aber Verpflichtungen. Wenn wir heute eine (offizielle) Beziehungen eingehen, heißt das, dass wir Sex haben, nur noch gemeinsam auf Partys auftauchen, uns gegenseitig Eltern und Freunden vorstellen, uns mehr oder weniger aufrichtig Treue schwören, vorher Bescheid sagen, wenn wir uns mit einem potentiellen Rivalen unseres Partners treffen, auf der Straße keine (je nach Bedarf) gegen- oder gleichgeschlechtlichen Menschen anlächeln und zumindest kurzfristig eine gemeinsame Zukunft planen.
Das Wort Beziehung zwängt uns in ein gesellschaftliches Korsett. Einerseits brauchen wir diesen Zwang, weil wir uns nach Sicherheit sehnen, deswegen begeben sich einige von uns gern freiwillig in gesellschaftliche Zwänge. Zum anderen brauchen wir gesellschaftliche Zwänge auch um rebellieren zu können, um etwas zu haben, wogegen wir uns auflehnen können oder einfach nur um zu zeigen, dass wir anders sind.
Aber Beziehungen üben einen anderen Zwang auf uns aus. Vielleicht kommt dieser Zwang aus unseren kindlichen Idealen (zu oft Bambi gesehen oder so), vielleicht aus unserem persönlichen Perfektionismus heraus. Dieser innere Drang alles richtig machen zu wollen, behindert uns vielleicht in unserer freien Entfaltung uns gegen etwas zu wehren, was nicht zu uns passt oder ein Konstrukt umzudefinieren. Denn alles was konstruiert ist, kann auch anders konstruiert werden.
Wie macht man aber seinem Umfeld klar, dass man Beziehungen für sich neu definiert hat? Und wie definiert man eine Beziehung neu, in der noch die gleichen Werte gelten sollen, die in klassischen Beziehungen gelten? Diese Werte sollten aber jetzt von innen heraus kommen, nicht durch das Wort Beziehung aufdiktiert werden? In den meisten Beziehungen kommen Werte, wie Treue, Aufrichtigkeit, Nähe und Respekt auch von innen heraus, aber viele machen sich darum keine Gedanken, weil sie wissen, wenn sie das, was sie mit ihrem Partner machen, Beziehung nennen, dann haben sie keine andere Wahl. Aber genau dieser Mangel an Wahl ist es doch, was viele Menschen abschreckt. Sie sagen sie wollen ein ungezwungenes Leben führen, sich alle Wege offen halten, aber wenn es so weit wäre, würden sie schon ihren Freiheitsdrang einschränken, wenn es nur nicht jeder von ihnen erwarten würde.
Dabei geht es wie gesagt noch nicht einmal um die Erwartungen des Partners, sondern viel mehr um die Erwartungen des Umfeldes.
Wenn ich sage: "Ich habe einen Freund," dann quetsche ich mein Leben in eine vorgefertigte Schablone, aus der es nur an 2 Stellen über den Rand ragen darf, ansonsten mache ich etwas falsch und schieße mich ins gesellschaftliche Abseits.
Man wird also seiner Entscheidung und Selbstbestimmung beraubt, wenn man für Dinge die man tut, Bezeichnungen wählt, die nur nach einem Schema konstruiert werden können.

Was ich will?
Keine freie Liebe!
Findet für eure Lebensentwürfe coole, individuelle, neue Namen, damit ihr euch nicht selbst der Entscheidung beraubt, so leben zu wollen, wie ihr lebt, um euch selbst die Chance zu geben Dinge zu hinterfragen und sie aus vollem Herzen zu tun und nicht sie nur stumpfsinnig nachmacht.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Von Wurzeln und Flügeln und anderen Liebesbeweisen

"Wurzeln um zu wachsen, Flügel um zu fliegen, das ist was deine Mama dir gab"
So heißt es gerade in einem aktuellen Reggae-Song von Stefanie Heinzmann und Gentleman.
Aber die wenigsten Kinder werden wirklich mit Wurzeln und Flügeln ausgestattet, einige haben nur eins von beiden und manche auch nichts.
Wurzeln zum Wachsen zu haben, heißt, die Möglichkeit bekommen in einem stabilen Umfeld groß zu werden, Sicherheit zu haben und mit den wichtigsten Grundlagen, wie Nahrung, Liebe, Aufmerksamkeit und Bildungsressourcen ausgestattet zu sein.
Flügel zum Fliegen zu haben, heißt, die Möglichkeit bekommen, sich frei entfalten zu können, eigene Wege gehen zu können und trotzdem zu wissen wieder sicher landen zu können, weil man erklärt bekam, wie Flügel funktionieren und weil man gelernt hat auf die Tragfähigkeit dieser Flügel zu vertrauen.
Es ist die Frage, warum der Mensch beides braucht, wenn dem Rest der Natur doch eins genügt oder haben Sie schon einmal eine Ente mit Wurzeln oder eine Eiche mit Flügeln gesehen?
Im Text heißt es weiter:
"Die Welt ist kalt, die Welt kann lügen, kein anderer kann dich retten"
In diesem Satz steckt die Antwort auf meine vorhergehende Frage: Weil der Mensch als solches erst einmal kalt und egoistisch ist, es sei denn ein anderes Verhalten dient seinem Vorteil, also dem Erhalt seiner Gene, so die evolutionsbiologische Ansicht, deshalb braucht der Mensch mehr Ressourcen, er muss fest wachsen können aber auch unabhängig und schnell verschwinden können.
Dass Welt kein Ort der positiven Emotionen ist, glaube ich auch, aber ich glaube nicht, dass daran allein ein paar Gene oder Hormone etwas ändern. Ich glaube, dass Freundlichkeit, Liebe, Respekt usw. rein kognitive Fähigkeiten des Menschen sind, während Tiere ihre Emotionen intuitiv regeln und somit eigentlich ehrlicher sind. Aber der Mensch entscheidet sich freundlich zu sein und er muss jeden Tag wieder darum kämpfen und entweder er schafft es diesen Emotionen größeren Raum zu geben als den anderen oder er schafft es auch nicht seinem Kind die nötige Liebe zu geben.
Menschen werden nicht mit der Befruchtung der Eizelle zu Eltern, sie werden zu Eltern, wenn sie das erste Mal etwas Gutes für ihr Kind tun und bei manchen Eltern ist das erste Gute, was sie tun, das Kind wegzugeben in bessere Hände.
Elternschaft ist nicht biologisch sondern emotional determiniert.
Manche Menschen hätten emotional nie Mutter werden dürfen und doch hat die Biologie nicht eingegriffen.
Das sind die Mütter, die ihren Kindern weder Wurzeln noch Flügel gaben. Das sind die Mütter die ihren Kindern noch eine ganz andere entscheidende Sache nicht gaben: LIEBE oder wenigsten die Möglichkeit dazu Liebe zu empfangen.
Es sind diese Art von Eltern, die niemals ein eigenes Fehlverhalten einräumen würden, wenn das Unglück der eigenen Kinder erklärt werden soll, sondern immer äußere Umstände verantwortlich machen oder gar das Kind selbst, das wehrloseste Wesen.
Die Liebe der Eltern definiert sich für mich nicht dadurch 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche für das Kind dazu sein, sondern, wie schon gesagt, durch das Gute, das man dem Kind tut, durch die Wurzeln und Flügel, die man dem Kind gibt oder ihm die Möglichkeit bereitet, dass es diese Sachen von jemanden erhält.

Der Wert einer Gesellschaft misst sich an der Qualität der Kinder und die Qualität der Kinder misst sich an der Qualität derer, die sie erziehen und ausbilden. Wir sollten kritischer hinschauen, denn das Wohl jeden einzelnen Kindes liegt in unserer Hand und eine Gesellschaft muss dort tragen helfen, wo ein Individuum Schwäche zeigt. Wenn die Mütter unserer Gesellschaft nicht fähig sind den Kindern Wurzeln und Flügel zu geben, dann sollten wir es tun und wir sollten uns um alle die besonders kümmern, die in ihrer Kindheit keine Wurzeln und Flügel bekommen haben, denn auch sie brauchen sie, um sie an ihre Kinder weiterzugeben.

Dienstag, 15. Juni 2010

Von Teufelskreisen und anderen Idealismen

"Vertrauen ist das Gefühl, einem Menschen sogar dann glauben zu können, wenn man weiß, dass man an seiner Stelle lügen würde." (Henry Louis Mencken)
Manchmal ist Vertrauen auch mehr als das. Manchmal ist Vertrauen, die Wahrheit nicht wissen zu müssen. Manchmal ist Vertrauen auch zu wissen, die Wahrheit sagen zu dürfen ohne den anderen zu verlieren. Manchmal ist Vertrauen auch die Wahrheit zu kennen, aber dem anderen zu überlassen, wann er sie sagen möchte.
Ich kenne Menschen, die sagen aus Liebe wächst Vertrauen und wenn man wirklich liebt kann man auch vertrauen. Ich glaube, es verhält sich anders herum, nur wenn wir dem anderen vertrauen, sind wir fähig ihn zu lieben und Liebe, die nicht auf Vertrauen basiert ist nur der Anspruch auf Besitz.

Ich denke häufiger darüber nach, warum man manche Dinge nicht verschweigt, seltener, warum man nicht lügt. In der Wissenschaft zählt auch Verschweigen zum Lügen, denn sonst würden es wahrscheinlich die wenigsten von uns auf täglich 200 Lügen schaffen. Doch wenn wir unserem Nachbar einen "Guten Tag" wünschen und ihn eigentlich nicht leiden können und ihm nichts Gutes gönnen, ist das eine Lüge. So schaffen wir es schnell auf 200 Lügen und wenn wir verschweigen, dass unserer Freundin ihr Kleid nicht steht? Schwer zu sagen! Wahrscheinlich erwartet sie von uns Aufrichtigkeit, auch wenn sie nicht danach fragt, dann ist es eine Lüge. Gehört sie allerdings zu den Menschen, denen es total egal ist wie sie herumlaufen und keinen Wert auf Äußerlichkeiten legen, dann ist Schweigen wahrscheinlich keine Lüge.
Wenn unser Gesprächspartner also nicht implizit oder explizit nach unserer Vergangenheit, unseren Ansichten oder anderen, uns möglicherweise unangenehmen Dingen fragt, dann ist es keine Lüge, sie zu verschweigen. Wir erzählen sie also, weil wir vertrauen und unser Gesprächspartner vertraut uns, weil wir sie ihm erzählen (s. Zitat). Weil er uns vertraut, erzählt er uns vielleicht auch unangenehme Dinge, woraus wir noch mehr Vertrauen ziehen. Das ist eine Art positiver Teufelskreis (man findet so etwas wie Engels- oder Himmelspirale als Gegenteil von Teufelskreis, was mir allerdings zu triefend kitschig ist).
Aber woher kommt das Grundvertrauen, das für den ersten Schritt in die Spirale nötig ist? Naivität? Hemmungshemmer (Alkohol)?
Vertrauen ist eine angeborene Fähigkeit, die mit dem Alter und der Summe der (schlechten) Erfahrungen abnimmt. Als kleine Kinder haben wir keine andere Wahl als darauf zu vertrauen, dass man sich um uns kümmert, als Erwachsene haben wir den Glauben daran verloren und wenn wir uns nicht ein wenig von unserem Grundvertrauen bewahren, werden wir nicht in der Lage sein es zurückzugewinnen.
Deswegen sollten wir uns manchmal überlegen, ob wir jemanden wirklich verletzen müssen und ob er noch genug Vertrauen hat um unseren Vertrauensmissbrauch auszugleichen oder ob wir jemanden ein Leben zerstören.
Ich glaube daran, dass wir achtsamer sein können und weniger zerstören, wenn wir besser zuhören und mehr überlegen, bevor wir handeln und wenn wir das alle tun, dann können wir zumindest bei der nächsten Generation dafür sorgen, dass sie ihr kindliches Urvertrauen behalten.
Das mag der ein oder andere naiv oder idealistisch halten, aber dem gebe ich noch ein Zitat von H. L. Mencken mit auf den Weg und gebe dabei zu bedenken, dass man in dem ein oder anderen Post durchaus erkennen kann, dass ich so nicht bin:
"Ein Idealist ist ein Mensch, der aus der Tatsache, daß eine Rose besser riecht als ein Kohlkopf, schließt, daß eine Suppe aus Rosen auch besser schmeckt."

Donnerstag, 10. Juni 2010

Von Moral und anderen Skrupellosigkeiten

"BundesHorst macht die Biege"
"Wulff nimmt sich Köhler zum Vorbild" Wie? Will der etwa auch gleich wieder hinschmeißen? Mir ist aufgefallen, dass das öffentliche Interesse am Rücktritt des Bundespräsidenten recht überschaubar war und auch der Nachfolger eher Nebensache ist.
"Wir können es nicht beeinflussen, deswegen interessiert es uns nicht," ist die gängiste Begründung. Mich treibt in diesem Zusammenhang eine andere Frage um: Hat ein BP (nein, nicht British Petroleum, sondern Bundespräsident) nicht die Aufgabe dem Volk gewisse Werte zu vermitteln und Sicherheit zu geben, gerade in schwierigen Zeiten? Seine Hauptaufgabe ist den Staat zu repräsentieren und ab und an mal ein Gesetz zu unterschreiben, ohne dessen Inhalt beeinflussen zu können. Er ist also staatstechnisch fast überflüssig, sollte er dann nicht wenigstens einen Nutzen für die Gesellschaft haben. Darf ein BP wie ein trotziges Kind in sein Zimmer stürmen und hinter sich die Tür zu knallen? Da kann keine Erziehungshelferin mehr kommen, weil er schon am höchsten Punkt steht, da ist niemand, der ihn auf die stille Treppe schickt, außer vielleicht die Medien, aber Papier ist bekanntlich geduldig und die Medien schreiben viel.
Unser ExBP (oder ist er noch BP bis ein neuer gewählt ist?) hat mir vermittelt, ich darf ruhig alles hinschmeißen, wenn es schwierig wird und wenn jemand an mir Kritik übt sowieso und irgendwie geht es für die Großen schon immer weiter und wenn die Kleinen untergehen, wen kümmert es?
Ich finde es sollte ein paar moralische Ämter geben von denen man nicht zurücktreten darf.

Es sollte auch irgendjemanden in der Politik geben, der in der Lage ist nachzudenken. Ich habe in der Schule irgendwann einmal gelernt, dass wir in Deutschland in einer sozialen Marktwirtschaft leben. Ich frage mich, wo das "sozial" hingekommen ist.
Es ist eine clevere Zeit um von den Armen zu nehmen und es den Reichen zu geben. Die meisten freuen sich auf ein großes Ereignis und sind davon so begeistert, dass sie sich von ein paar Kürzungen nicht die Laune verderben lassen. Die moralischeren Menschen, die sich nicht durch positive Ereignisse ablenken lassen, haben momentan einen größeren Feind als die Bundesregierung: BP (nein, nicht der Bundespräsident, sondern Britisch Petroleum).
Es geht also unter, dass unsere Familienministerin etwas unglücklich formuliert hat, dass sie es gerecht findet, wenn Familien am Existenzminimum leben. Es geht also unter, dass unsere Regierung an den falschen Stellen spart. Es geht also unter, dass sich in irgendeinem Bundesland schon wieder die Politiker die Diäten erhöht haben, um etwa 2x 200€!

Früher hätte es mal Proteste auf der Straße gegeben. In anderen Ländern gäbe es Generalstreik. Unsere Politiker haben uns gut erzogen, sie nutzen die Politikverdrossenheit der Bevölkerung, die sie so oft kritisieren.
Aber ich gehe jetzt auf die Straße und kaufe mir ein Eis.

Montag, 31. Mai 2010

Ein ganz normaler Tag - nicht für jeden von uns

Es ist morgens, du bist noch nicht ganz wach. Du sitzt in einem Raum mit 100 anderen Menschen. Vorn steht jemand, der mehr oder weniger spannende Geschichten erzählt. Du hörst ein Kleinkind, vielleicht auch einen Säugling, quängeln. Du hörst Tastengeklimper, Papierrascheln, Gemurmel, also einen permanenten Klangteppich.
Du sitzt plötzlich nicht mehr in diesem Raum, du sitzt im Kino, im Kopfkino.
Deine Gedanken fahren Achterbahn, du malst dir Szenarien aller Art aus. In dir steigt eine immense Wut und Ohnmacht auf. Du hast das Gefühl, das Leid der gesamten Menschheit lastet auf deinen Schultern. Keiner außer dir leidet, alle sind mit ihren banalen kleinen Leben beschäftigt.
Du sitzt plötzlich wieder in diesem Raum, die Bilder sind weg, die Wut im Bauch ist noch da. Du siehst das Elend selbst nicht mehr, doch du siehst noch immer die Banalitäten und du wünschst dir ein bisschen mehr Tragik und ein bisschen mehr Respekt für die Situation.
Du spürst, dass deine Stimmung heute nicht mehr zu retten ist und du bist überzeugt, dass sie nur schlimmer werden kann, weil alle Menschen in deiner Umgebung ignorant sind.
Es wird sich beweisen, dass die Welt schlecht ist und gegen dich ist sie sowieso.
Du wirst in der Bahn angerempelt, die Kantinenfrau gibt dir falsch raus, der Bus fährt dir vor der Nase weg, der Nachbar grüßt dich nicht, die Freundin ist total genervt, die Nachrichten schaust du dir heute besser gar nicht an.
Mittlerweile ist es Nacht. Du liegst im Bett, kannst nicht schlafen, dein Magen verkrampft sich, du wälzt dich hin und her.
Der Tag läuft vor deinem inneren Auge erneut ab. Plötzlich bewertest du ihn aber ganz anders.
Der Rempler in der Bahn war natürlich komplett deine Schuld, du hattest viel mehr Platz zum Ausweichen, wolltest aber lieber in Mitleid baden und der andere hatte überhaupt keine Chance.
Der Busfahrer hat einfach nicht gesehen, dass du mitwillst, weil du konsequent auf den Boden gestarrt hast und keine Versuche unternommen hast, den Bus noch rechtzeitig zu erreichen.
Der Nachbar hat dich nicht gegrüßt, weil dich nicht stören wollte, weil du konsequent auf deine Post starrtest und einen nicht-ansprechbaren Eindruck erwecktest, weil du beweisen wolltest wie sehr dich deine Mitmenschen ignorieren.
Deine Freundin hast du auch die ganze Zeit provoziert. Du bist ihr mit deiner miesen Laune auf die Pelle gerückt und hast sie in die Ecke gedrängt, sodass sie nichts anderes tun konnte als dich abzuweisen, denn wann immer sie etwas Positives sagte, hast du sie oberflächlich genannt.
Jetzt wird dir plötzlich alles klar: DU bist an allem Schuld. Du bist der schlechte Mensch und du bist so hinterhältig, dass du alle dazu bringen willst auch ein schlechter Mensch zu sein, damit keiner merkt, wie schlecht du bist.
Du ekelst dich an, doch irgendwann gegen morgen weinst du dich in den Schlaf.
Der Wecker klingelt. Du wachst mit Kopfschmerzen auf, hast zu wenig geschlafen, du fühlst dich matt und deprimiert und du weißt, dieser Tag wird nicht besser werden, du willst nicht aufstehen, sondern dich in deiner Schuld baden. Du drehst erneut am Gedankenkarussell bis du wieder spürst, dass dein Elend allen egal ist und sich keiner um dich sorgt und du so allein und verlassen bist. Alle anderen Menschen sind so ignorant.

Willkommen im Kopf eines Borderliners.

von Gastautor über kichererbse, die sich ganz herzlich für die Einblicke bedankt und ihren treuen Lesern ans Herz legt, mehr auf ihre Mitmenschen zu achten.

Samstag, 15. Mai 2010

Von Bayern und anderen Berlinern

Landeshauptstadt, Bundeshauptstadt und Zentrum Europas. Zumindest soll es Menschen geben, die dies von Berlin behaupten.
Für einen Wochenendkurztripp ist es eine ganz annehmbare Stadt. Ich habe eine Metropole mit wunderschönen Wohnungen zu günstigen Preisen gesehen, die über ein unvorteilhaftes Untergrund- und Stadtbahnnetz verfügt. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich gute 500 Kilometer südlicher (oh, jetzt hätte ich beinah tiefer geschrieben, ich bitte um Verzeihung lieber Ex-Geographie-Lehrer) gelandet, es reihte sich ein bayrisches Restaurant an das andere, ein Brezelverkäufer an den Weißwurstimbiss und umgekehrt und auch Buchhandlungen trugen klangvolle bayrische Namen. Ich weiß jetzt woher unser Bild bei den Touristen herkommt. Da merkt man doch erst einmal, dass man in einer Weltstadt wohnt.
Berlin erweckt außerdem den Eindruck, dass man sich entweder in einem Juppi-Viertel oder in der Einöde bewegt. Da sage noch mal einer Hamburg sei entweder provinzell oder teuer.
Es soll ja auch schöne Orte zum gemütlich Ausgehen geben, aber die kann man nicht erreichen, weil man nur zick-zack Bahn fahren kann.
Die berühmte "Berliner Schnauze" hat einen liebevollen Akzent bekommen und hat damit auch ein bisschen südländische Wärme.

Tendenziell war der Weg nach Berlin und der Weg zurück die nettesten Momente der Reise. Denn wenn man eine wahre Großstadt (groß im Sinne von großartig und nicht von vollgestopft) Richtung Osten verlässt, wundert man sich, dass man doch noch mit Euro bezahlen kann und auch den einen oder anderen Laden wiedererkennt. Studenten unter sich: Man erzählt sich lustige Geschichten, stellt sich gegenseitig unlösbare, philosophische Rätsel: „Steht ein Mann allein im Wald, erzählt etwas und niemand hört ihn, hat er dann trotzdem noch unrecht?“

Man hat einen guten Eindruck hinterlassen, sich in für Studenten üblicher Art blamiert und hat die einen oder anderen flachen Witzchen gemacht, wenn gerade kein „Erwachsener“ in der Nähe war.
Beispiel? Aber natürlich: Wir stehen am Gendarmenmarkt am Deutschen Dom und sehen einen Currywurststand. Es kommt die Beschwerde, dass es am Deutschen Dom deutsche Snacks gibt, aber am französischen Dom keine französischen Snacks, zum Beispiel: Crepé, Croque oder Schnecken to go. Antwort: "Schnecken to go ist aber der Straßenstrich."

Der Eindruck meiner bisherigen Berlinbesuche, die doch schon eine Weile zurückliegen und doch immer mehr den Tourismus ins Zentrum rückte als diese Reise, hat sich wieder einmal bestätigt: In Berlin geht Beton vor Baum, grau vor grün, Weltflairgehabe vor Wohlfühlfaktor.

Aber alles in allem bekommt man den Eindruck, dass die Dinge die wirklich wichtig sind, wirklich überall in Deutschland möglich sind: Bei leichtem Regen 2 Uhr nachts schweigend neben einander her gehen und dem eigenen Gedanken nachhängen sich plötzlich anschauen, kurz etwas sagen und dann wieder schweigend neben einander hergehen und etwa 10 Minuten eine Antwort erhalten um dann wieder schweigend in den Reflexionen des Regen zu starren.
(deswegen auch nur überall in Deutschland, nirgendwo regnet es so oft, aber so geringe Mengen wie in deutschen Großstädten)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die ganze Welt nicht jetzt schon ausflippen sollte, nur weil im Sommer Fussball-Weltmeisterschaft ist. Lasst den Kindern ihr Spiel und benehmt euch wie erwachsene Menschen.

Donnerstag, 6. Mai 2010

Von alten Römern und anderen Rentnern

Warum sollte eine Universität keine Lehrpersonen aus dem Ruhestand zurück in den Lehrstuhl holen?
Sie werfen mit überkommenen lateinischen Floskeln umher, sind in einem körperlich bedenklichen Zustand, haben den Studenten ein Weltwissen voraus, das in der heutigen Zeit als unnütz und überholt betrachtet wird und ihnen fehlt das entscheidende Wissen der "Neuzeit", um mit den Studenten kommunizieren zu können.
Desweiteren strahlen sie eine Arroganz aus mit denen man den hintersten Teil des Universums ausleuchten könnte, aber dazu müssen Lehrpersonen nicht im Ruhestand gewesen sein, aber es trägt doch irgendwie dazu bei.
Studenten sind ausgesprochen bekannt dafür, dass es ihnen das Lehrpersonal nie recht machen kann, entweder sie sind nett, aber inkompetent oder arrogant, aber wissenschaftlich erstklassisch, dann gibt es noch die die weder nett noch kompetent sind und nur ein Hauch von netten, kompetenten Menschen verirrt sich an die Uni. Da Studenten ein besonders wählerisches Volk zu sein scheinen, gibt man nicht viel auf seitenlange Beschwerden, aber irgendwo in der Personalabteilung muss sich doch ein leiser Verdacht hegen, dass mit diesen Ex-Ruheständlern irgendwas nicht stimmt. Denn auch innerhalb der Verwaltung kommen Irritationen auf, wenn sie sich mit Menschen konfrontiert sehen, die einfach nicht begreifen wollen, was ein BA-Creditpoint ist und wofür man den genau braucht - nicht, dass es irgendjemand wüsste, aber man bemüht sich wenigstens darum, so zu tun als wüsste man es und kommt mit dieser Antihaltung der älteren Generation, der ja heutzutage so gern Sturköpfigkeit nachgesagt wird, nicht zurecht.
Wo sind sie hin, die weisen Alten, deren Gelassenheit Steine zum Schweben bringt?

Ich weiß man könnte momentan täglich Posts mit tagespolitischen Diskussionen füllen, aber da die momentan an jeder Straßenecke mündlich ausdiskutiert werden, sind sie auch schon wieder eher ein alter Hut.
Aber ich habe beschlossen dem Beispiel meines alten Freundes Cato zu folgen:
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die ganze Welt nicht jetzt schon ausflippen sollte, nur weil im Sommer Fussball-Weltmeisterschaft ist. Lasst den Kindern ihr Spiel und benehmt euch wie erwachsene Menschen.

Dienstag, 27. April 2010

Von fleißigen Studenten und anderem regelwidrigen Verhalten

Die Zeitung mit dem Pfotenabdruck titelte gestern: "Akademikerkinder sind faul"
Ich weiß nicht, was in dem Artikel stand, denn ich habe ihn nicht gelesen, weil er mich nicht betraf, zumindest der erste Teil. Faul bin ich auch durch und durch, aber außer Menschen die regelmäßig unangemeldet meine Wohnung betreten und meiner ehemaligen Mathematiklehrerin ist es niemandem aufgefallen. Im Gegenteil, hier an der Uni, unter den fast ausschließlichen Akademikerkindern (wie Studien zum Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Status (SÖS) und Bildungschancen belegten), gelte ich gelegentlich sogar als Streber.
Ja ja, das hätte mal niemand gedacht.
Faul oder nicht, das ist ja mehr oder weniger auch eine sehr subjektive Einschätzung. Warum ein hoher SÖS nun automatisch faul macht, ist damit aber nicht zu erklären. Meine These ist, dass Akademikereltern ihren Kindern viel mehr abnehmen können, zum einen weil sie sich besser auskennen mit z.B. Uni-Angelegenheiten, zum anderen weil sie durch ihre Studienzeit über enorme Netzwerke verfügen, die sie jederzeit für ihre Kinder wieder aktivieren können und es ihnen so leichter gemacht wird, z.B. an einen interessanten Praktikumsplatz zu kommen.
Das macht Akademikerkinder aber nicht unbedingt faul, sondern kann eher zu einer Unselbstständigkeit führen.
Vielleicht sind sie auch faul, weil sie meinen, das Geld, das ihre Eltern verdienen reicht auch für sie. Aber ich wäre sehr verwundert, wenn die Akademikerkinder die letzten wären, denen man erzählt, dass ein akademischer Titel allein noch nicht ausreicht und das gerade in wirtschaftlich schwachen Zeiten, auch in diesem Bereich nur bedingt sichere Jobs zu haben sind.
Also ist das doch auch eine eher abwegige These.
Warum bin ich nur ein armer Student aus einer Nichtakademikerfamilie, sodass ich mir nicht einmal außer der Reihe die Zeitung mit dem Pfotenabdruck leisten kann, wenn ich am Monatsletzten noch ein warmes Mittagessen habe möchte, denn mich würde sowohl die Quelle für ihre Thesa als auch ihre Begründung interessieren. Ich kenne nämlich fast nur Akademikerkinder, zumindest seitdem ich studiere, die mindestens genauso fleißig sind wie ich.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Frage ist nur, ob meine Regel oder die der Pressemenschen.

Mittwoch, 14. April 2010

Von Froschteichen und anderen Lebensmittelpunkten

Das Semester hat erneut begonnen, alles ist wie immer, nichts ist wie immer. Jeder geht seine Wege. Keiner dieser Wege muss sich kreuzen. Man kann in der Masse untertauchen oder im Mittelpunkt baden. Man kann sich einsam fühlen unter hunderten Menschen und gleichzeitig geborgen und behütet allein in der Ecke sitzen.
Die Uni ist ein soziales Gefüge ohnegleichen und ein Ort des gnadenlosen Respekts.
Die Menschen, die es bis an die Uni geschafft haben, sind in ihrer Persönlichkeit relativ gefestigt und man erlebt eher selten pubertäre Ausbrüche, im Gegenzug entfallen auch Mobbingangriffe im großen und ganzen.
Die Grenze des Einzelnen wird respektiert, keiner kommt einem ungefragt zu nahe und man kann auch selbst eigentlich keinem zu nahe kommen. Man erlernt ganz neue Umgangsformen. Dozenten sind auch nicht hinter ihrem Rücken "die alte XY" sondern trotzdem "Frau Professor Z." Unter Umständen beginnt man auch seine Kommilitonen mit dem Nachnamen oder mit "Sie" anzusprechen, weil man dank der lieben Dozenten nicht mehr kennt als ihren Nachnamen.

Es gibt noch immer keine Wahrheiten. Mancher erkennt auch erst jetzt, dass es in einigen Fragen nie Wahrheiten geben wird und was in der Schule noch von den Lehrern als Wahrheit verkauft wurde, wird jetzt von den Dozenten in Frage gestellt, verworfen oder zumindest kritisch hinterfragt.
Nach Motiven muss man auch nicht mehr suchen. Sie werden präsentiert, denn das sind oft die einzigen gemeinsamen Gesprächsthemen, die Studenten (am besten noch unterschiedlicher Fachrichtungen) untereinander finden. Aber Motive werden auch vielfaltiger, während man in der Schule noch glaubte, es gäbe nur Ehrgeiz, Geld und den Willen besser zu sein als andere, finden in der Uni auch Selbstverwirklichung, Ideale und Träume einen Platz. Auch wenn man diese Motive im Einzelnen nicht immer verstehen oder nachvollziehen kann, bewundert man meist den anderen stillschweigend dafür. Man sucht sich noch immer selbst und noch immer ist man nicht immer glücklich mit dem, was man findet.
Manchmal betrachtet man sich von außen, wie man im Strom mit Hunderttausenden schwimmt, plötzlich stehen bleibt und in eine andere Richtung geht und es ist möglich. Das, was in Schulzeiten den sozialen Tod bedeutet hätte ist auf einmal möglich. Aber es ist auch leichter möglich auf der Strecke zu bleiben. Selten werden von selbst Hände gereicht, wenn man langsamer wird, in einen Sog gerät oder von einer Welle erfasst wird, es sei denn man bittet um eine Hand.
Man muss aber auch lernen seine eigene Hand nicht immer helfend auszustrecken, wenn gar keine Hilfe verlangt ist.
Man lernt an einer deutschen Uni einen sehr wichtigen Grundpfeiler unserer Gesellschaft kennen und man lernt ihn zu akzeptieren: Individualismus.

Wir sind von Kaulquappen zu kleinen Fröschen geworden und wenn wir wollen und die Ansprüche, die die Universität an uns stellt meistern, steht uns auch der Weg offen eine Königskröte* zu werden.





*erfolgreicher, finanziell zufriedener, ausgeglichener Mensch, der seinen Beitrag zur Volkswirtschaft leistet

Freitag, 2. April 2010

Eidrücke zu Ostern

EI, EI, EI
Ostern in Familie - da gackern nicht nur die Hühner. Dem großen Eisuchen geht aber das große Eikaufen voraus und das war bereits Mitte der letzten Woche nicht mehr das Gelbe vom Ei. Mehr Hennen und Hähne in der Nachlegebatterie als Eikaufswagen zur Verfügung standen. Aber auch den dotterigen Ostereikauf konnte man überstehen. Im Fernkrähen lernte man dann, dass ei durchschnittliches Nest in diesem Jahr zwischen 50 und 150 Eiro kostet und trotzdem nur eine Kl-Ei-nigkeit ist. Ich wär gern dab-Ei, wenn der Osterhase, der in ei-nigen Familien zum Osterbraten wird (würde jemand zu Weihnachten den Weihnachtsmann oder Rentierbraten essen?), die 250-Eiro-Nester (es muss ja dann auch überdurchschnittliche Nester geben) durch die Gegend hoppelt und Mutti Huhn schreit: "Hüpf ein bisschen vorsichtiger, der Mini-LCD-Fernseher für mein Kücken verträgt kein Schütteln."
Zurück zum Bratort Küche: Die Eikäufe müssen ja vor dem großen Familienbrüten noch zu köstlichen Lecker-Ei-en verarbeitet werden. Damit beginnt das fleißige Haushuhn am besten schon am Gründonnerstag. Die Eiladungen an die gackernde Sippschaft sind natürlich schon längst verschickt und die dekorativen Osterbastel-Ei-en auch schon abgeschlossen, wenn auch für langweilige Momente noch 3 Dutzend ausgeblasene Eier darauf warten bepinselt oder anderweitig neu eigekleidet zu werden.
Wenn dann auch Eierkuchen, Eierlikörtorte und Osterkranz gebacken sind, kann dann auch der ganze Hasenstall kommen und die vorher versteckten Nester finden und eistecken. Das große Picken bekommt einen schalen Eigeschmack, wenn anstatt des saftigen Eidotters aus dem bunten Ei plötzlich ei buntes Kücken steigt, weil auf Zuchtfarmen jetzt auch Kücken vor dem Schlüpfen gefärbt werden, damit die Osterbesucher besondere Eidrücke mit nach Hause nehmen können.
Wenn zum Dessert Eierfrucht serviert wird, hat wieder jemand nicht aufgepasst, das ist doch Gemüse (Aubergine: aus dem englischen "egg plant").
Für die Hähne der Familie gibt es an diesem Ostern noch ein ganz besonderes Nest, wenn ein Ferrarei um dem Neffen von Eierton Senna herumeiern muss und auch ein Kupicka Anspruch auf einem Platz auf der Hühnerleiter erhebt.
Alles in allem ist es ein geglucktes Fest, wenn am Ende alle gackernd sich selbst und ihre Nester in ihren Stall rollen und sich dort mit ihren vollgepickten Mägen eirollen.

Mittwoch, 24. März 2010

Von Hefepilzen und anderen sexuellen Vorlieben

Es gibt nur wenige Branchen, die profitieren, wenn sich eine Wirtschaft in der Krise befindet, aber die Süßwaren- und Sexbranche gehören definitiv dazu. So stieg auch letztes der Umsatz der größten Kondomhersteller in außergewöhnlichen Umfang.

Sex geht immer. Das merkt man aktuell auch in den Medien. Zu Sendezeiten zu denen es sonst nicht üblich ist, findet man momentan hauptsächlich dieses Thema. Ich bin in den letzten Wochen gar nicht dazu gekommen, den Stift aus der Hand zu legen, weil ich viel zu beschäftigt war Sprüche mit zuschreiben, um mich auch noch Tage später bei jedem Smalltalk drüber lustig zu machen. Da schaut man aus versehen mal eine Wissenschaftssendung und lernt, was man nie wissen wollte, dass Hefepilze, wenn sie unter evolutionärem Druck stehen, auf eine sexuelle Fortpflanzung setzen. Vielen Dank für die Info, ich sehe mein Bier jetzt unter einem ganz neuen Licht und hoffe, dass die Pilze, die an der Herstellung beteiligt waren, nicht das Gefühl hatten, dass ihre Arterhaltung gefährdet ist.

Während ja bekannt ist, dass im Nachmittagsprogramm des Unterschichtenfernsehens jegliche zwischenmenschliche Beziehungen nur in einer sexuellen oder strafrechtlichen (was so viel heißt wie "strafrechtlich-sexuellen", weil es gibt ja nur Verbrechen, die in irgendeiner Form mit Sex zu tun haben) Komponente beleuchtet wird, war ich doch Mitte der Woche geschockt, als ich in einer „Lebenshilfe-Sendung“ mit einem Niveau, das üblicherweise etwas über dem der gewöhnlichen Nachmittagssendungen liegt, riesige Dildos sah, weil ein Angehöriger des wahrhaft schwachen Geschlechtes seiner schöneren Hälfte nicht zumuten wollte, mit einem Seil Billard spielen zu müssen.

Jetzt beginnt auch noch der Frühling und die ersten warmen Sonnenstrahlen erreichen unsere Haut und das Thema Sex wird, in Zusammenhang mit Frühlingsgefühlen, noch mehr ausgeschlachtet. Dabei ist der Lustgewinn im Frühling überhaupt nicht auf den Fortpflanzungstrieb ausgerichtet, sondern vielmehr auf die Befriedigung einer Selbstaufwertung, also Verbesserung des Selbstwertgefühls, nach den langen dunklen Tagen. Frauen wollen wieder schöner werden und ihr frühjährlicher Lustgewinn ist bei einer Shoppingtour am höchsten, während Mann jetzt wieder wichtiger sein will und sein Lustgewinn ist am höchsten, wenn er sein Cabrio auf Hochglanz polieren kann und damit durch den ersten Sonnenschein cruisen kann.

Wer hat nur das Gerücht verbreitet, dass Frühlingsgefühle etwas mit Sex zu tun haben? Es waren ausnahmsweise mal nicht die Männer, zumindest nicht alle. Es waren die Alten. Denn alte Menschen wissen, dass sie noch sie viel shoppen können, sie werden nicht wieder so schön wie früher und die alten Männer wissen, dass sie keinen Stich mehr sehen, also stürzen sich alte Menschen unter Vorwand der Jahreszeit in sexuelle Abenteuer, jetzt wunderbar in den Parkanlagen dieser Welt zu beobachten, um ihren Selbstwert auf fragwürdige Art zu optimieren und alle anderen müssen es ausbaden oder müssen ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihre Frühlingsgefühle richtig interpretieren und sich nicht waghalsig in komplizierte Beziehungen stürzen.

Genug zur aufgebauschtesten Nebensache der Welt and tribute to spring: Ich genieße jetzt die Sonne beim ersten Freiluft-Eis des Jahres und beobachte andere Menschen dabei, wie sie sich selbst nicht verstehen.

Freitag, 12. März 2010

kichererbses Kopf-Tsatsiki und anderes politisches Gyros

Die EU bröckelt an ihren Außengrenzen. Griechenland ist pleite und damit nicht mehr kreditwürdig, EU will kein Geld locker machen, doch der Euro ist in Gefahr - Zusage, dass man die eigene Währung nicht abschmieren lässt. Die griechische Regierung kündigt Sparmaßnahmen an, niedrigere Löhne und höhere Preise - große Zustimmung der Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und den USA, man sei auf dem richtigen Weg. Protest bei den Griechen - Generalstreik. Polizei kämpft bei Auseinandersetzung mit den randalierenden Demonstranten gegen eigenen Kollegen, die gegen ein Leben am Existenzminimum kämpfen. Forderung: die Reichen sollen zahlen und nicht die Armen bluten. (Hat Griechenland reiche Menschen außerhalb der (korrupten) Regierungskreise?)
Wir können den Griechen unsere "Arbeit muss sich wieder lohnen"-Plakate schicken. Daran glaubt hier eh niemand.
Generalstreik beendet, zurück bleibt Chaos, heute gibt es keine Zeitung, weil gestern auch die Journalisten streikten, vielleicht ist das besser für die Griechen, dann lesen sie wenigstens keine neuen Hiobsbotschaften.
Folgen für den Rest-EU-Raum:
Der Euro ist weniger Wert.
Der Urlaub in Griechenland wird günstiger und gefährlicher (arme Menschen sind von Natur aus kriminell).
Falls Griechenland doch ganz abschmiert, zahlt die EU schon, also der europäische Steuerzahler.
Es wird gemunkelt, die griechische Regierung hofft auf Naturkatastrophe, damit sie von den Aufbauhilfen etwas zur Staatssanierung abzweigen kann.
Seit Beginn der wirtschaftlichen Probleme in Griechenland können Flüchtlinge, die über Griechenland in die EU eingereist sind, erfolgreich dagegen klagen zurück nach Griechenland geschoben zu werden, setzt voraus das der Asylbewerber über die finanziellen Mittel für einen Prozess verfügt, denn Nichtdeutsche erhalten für diese Art von Verfahren keine Prozesskostenbeihilfe, aber das ist ja kein Problem für die meisten Menschen, die lebendig ein Kriegs- oder Krisengebiet verlassen haben, die sind ja alle besonders wohlhabend.

Das ist alles was ich in den letzten Wochen den Medien über das "Griechenlandproblem" entnommen habe. Ich habe mich weder besonders mit dem Thema beschäftigt noch versucht einen Bogen darum zu machen. Die Fetzen sind halbwegs chronologisch nach ihrem Erscheinen in meiner Wahrnehmung geordnet, aber möglicherweise in höchstem Maße selektiv.
Es geht mir nicht um Berichterstattung, sondern ich will zeigen, wie mein Kopf Informationen verarbeitet und speichert, wenn er nicht zur Außeinandersetzung mit diesen Infos angeregt wird.
Ich hätte auch jedes andere ähnlich medienpräsente Beispiel wählen können, aber da die Medien momentan nur um gefühlte 3 Themen kreisen und ich mich mit einem davon etwas intensiver auseinandergesetzt habe, war die Auswahl etwas beschränkt.
Ich habe keine Ahnung, wie sich das "Griechenlandproblem" lösen wird, mit Staatspleite oder einem mühsamen Regenerationsprozess oder ob es nach dem Medienhype der letzten Wochen nicht einfach nur in einem journalistischen Wattebausch endet, aber ich wünsche den Griechen das Beste für ihr Land und schaue bald bei meinem Lieblingsrestaurant für Griechische Küche vorbei und, wie ich den Besitzer kenne, werde ich den ein oder anderen Ouzo auf jeden guten Griechen trinken.

Dienstag, 9. März 2010

Von Abschiebung und anderen Todesstrafen

Bereits heute Nacht habe ich mir Gedanken gemacht, worüber ich bloggen möchte. Doch als ich heute morgen aus der Traumwelt in die Realität abglitt, wurde mir plötzlich überdeutlich klar, wie aktuell mein präferiertes Thema ist.
Ich wollte heute einen kleinen Exkurs zum Thema "Deutsches Recht für alle" geben. Wobei dieser Satz mindestens 4-deutig gemeint ist:
- zum einen der Verständnisaspekt: Kann jeder Juradeutsch verstehen?
- zum anderen der Wissensaspekt: Wieviel Ahnung haben die Leute von den Gesetzen, die für sie gelten
- darüber hinaus der Zugehörigkeitsaspekt: Für wen gilt "deutsches Recht"
- zu guter letzt der Nachdenkaspekt: Sollte es für alle gelten? Wie sollte was für wen gelten?

Aber der Exkurs ins Rechtssystem darf nur noch den Rahmen bilden. Denn ich habe heute morgen erfahren, dass am Sonntag ein 17-jähriger Flüchtling in einem Hamburger AbschiebeGEFÄNGNIS gestorben ist. Er war allein ohne Eltern hier in Deutschland und saß seit Anfang Februar in Haft und musste tagtäglich damit rechnen ausgewiesen zu werden. Er hat wohl nach wochenlangem psychischem Stress seinem selbst Leben ein Ende gesetzt. Ein Kind kann in einem deutschen Gefängnis vom Wachpersonal unbemerkt ums Leben kommen!?
Er starb allein und verzweifelt und wählte den vorzeitigen Tod, weil für ihn Abschiebung das gleiche bedeutete.
Er hatte deutschen Boden betreten und trotzdem galt für ihn kein deutsches Recht. Für ihn galt noch nicht einmal, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.

Wir leben in einem Staat in dem es Regeln/Pflichten gibt, die für jeden gelten, der sich in ihm aufhält, aber es gibt Rechte nur für die, die durch einen Pass zu dieser Nation gehören und für alle, die sich hier aufhalten und diesen Pass nicht besitzen gelten noch zusätzliche Regeln. Darüber, dass die Bedingungen diesen Pass zu erhalten irreal und willkürlich sind, brauchen wir hier nicht zu reden.
Reden möchte ich über das Recht auf Freizügigkeit (das Recht da hin zu ziehen, wo man leben möchte), gilt für jeden Deutschen innerhalb Deutschlands und in eingeschränkter Form auch für die EU. Warum gilt es nicht für die ganze Welt? Warum gilt es nicht einmal für einen Asylbewerber in der EU oder noch eingeschränkter in Deutschland? Jemand, der es lebend bis hierher geschafft hat und zumindest vorübergehend bleiben darf, darf nicht entscheiden an welchem Eckchen in Deutschland er bleiben/überleben darf.

Wir behaupten "alle Menschen sind gleich" oder haben zumindest die gleichen Rechte verdient. Wenn wir also so eine Weltgemeinschaft gleichberechtigter Menschen sind, warum darf dann nicht jeder dieser Weltgemeinschaft leben wo er möchte, warum darf sich nicht jeder seine Nation und Sprache, sein politisches und religiöses System, seine Nachbarn und geographischen Vorlieben selbst aussuchen?
Ich möchte keine staatenlose Welt (egal ob anarchistisch oder kommunistisch), aber ich möchte, dass jeder sich das System aussuchen kann, dass am besten zu ihm passt.



noch ein Update zu dem 17-jährigen Toten:
In Hamburg gibt es zahlreiche kleine Organisationen, die sich um Menschenrechte bemühen, auch und besonders um die Rechte von Asylbewerbern, Migranten, Menschen mit befristeten Aufenthalten. In diesen Kreisen herrschte heute morgen Bestürzung und Krisenräte tagten, eine Spontandemonstration wird angesetzt, besonders unterstützt aus kirchlichen Kreisen. Auch die Lokalredaktion eines großen Fernsehsenders hatte von dem toten Minderjährigen im Gefängnis gehört und witterte einen Skandal und will heute Abend berichten und fragte in mindestens einer Organisation an, ob sie denn die Aktionsplanung filmen dürften, vielleicht die Herstellung von Transparenten. Als ihnen ein Interview zu den Ereignissen zugesagt wurde, lehnten sie jedoch mit der Begründung ab, man brauche Action für die Zuschauer, ein Gespräch sei zu langweilig.
Ich lasse das jetzt so stehen und versuche meine Kritik an der Medienperversion, die aus der Sensationsgeilheit der Zuschauer resultiert zurückzuhalten.

Samstag, 6. März 2010

Abenteuer bloggen - it seems like yesterday

74 Posts in einem Jahr, mit diesem 75, davon etwa 3/4 von mir, der Rest natürlich von meiner grandiosen Co-Autorin neechan, die für ein wenig Abwechslung in meine Schimpftiraden bringt. Besonderen Dank an dieser Stelle für deine Unterstützung. Einige Posts sind auch Gemeinschaftsarbeit oder Fortsetzungen von Ideen der jeweils anderen. Nun, 75 Posts, nicht die Welt, aber doch eine Leistung für eine "Vollzeitstudentin", die Tage hat, an denen sie sich nicht einmal zum Essen aufraffen kann.
Was war der Anspruch vor einem Jahr, etwas Neues ausprobieren, einen neuen Blickwinkel üben und sich ein bisschen aus dem Geschehen herausnehmen und die Welt auch mal von außen betrachten (ich wusste nicht mehr, was ich vor einem Jahr überlegt habe, aber da ich ja angefangen hatte zu bloggen, kann ich es jederzeit bequem nachlesen).
Was Neues habe ich angefangen und ich habe auch reichlich Spaß dabei, auch wenn ich ein paar Krisenmonate dabei hatte. Ich habe auch ein bisschen positives Feedback bekommen, was mich zu der Entscheidung brachte, dass es vielleicht doch den ein oder anderen Menschen gibt, den das ganze hier interessiert und da es so ein wunderschönes Medium zum Aggressionsabbau ist und wenigstens niemand sofort wiedersprechen kann, werde ich die Online-Welt noch ein Weilchen mit meinen geistigen Ergüssen "bereichern"/langweilen/zuspamen/unterhalten/informierten...
Damit auch einen großen Dank an alle (regelmäßigen) Leser für euer Interesse und eure Toleranz.
Einen neuen Blickwinkel habe ich auch gewagt, auch wenn es im Blog vielleicht nicht so erscheint, aber neue Blickwinkel ergab sich auch eher außerhalb des Internets (oh ja, doch es gibt ein Leben außerhalb des Internets, auch wenn es Exemplare geben soll, die daran nicht glauben, siehe: Post vom 02.03.2010). Ich bin viel aufmerksamer gewesen, habe mich intensiver mit Themen auseinander gesetzt und habe manche Dinge auch erst wahrgenommen, weil ich nach etwas suchte, worüber man schreiben könnte.
Mich selbst zurücknehmen und Dinge von außen betrachten ist mir nur in einem sehr beschränkten Rahmen gelungen. Es ist viel Meinung dabei. Aber ich habe auch viel geschrieben, dass über meine Meinung weit hinaus geht, manchmal um zu provozieren, manchmal um zu verdeutlichen, manchmal aber auch um klar zu stellen, dass ich keine Meinung zu einem Thema äußern werde.
Ich habe mir seit Wochen überlegt, ob ich mich heute nicht ein wenig feiern sollte, stellvertretend für meinen Blog. Ich habe auch überlegt, ob ich ein besonderes Thema aufgreife oder ob ich Bilanz ziehen soll, scheint so, als hätte ich mich für das Bilanzziehen entschieden.
Aber am witzigsten finde ich, dass mir nicht nur selbst mein einjähriges Kritzeljulbeläum am Herzen lag, sondern dass es tatsächlich auch andere Leute gab, die mich daran erinnerten, oder meinten mich erinnern zu müssen, als ob ich einen so wichtigen Tag in meinem Leben vergessen könnte ;).
Ich werde heute anstoßen auf ein Jahr voller Männerkritik, Beschwerden über Servicekräfte, alltägliche Aufreger und andere Nebensächlichkeiten und ich wünsche mir, dass ich und neechan noch oft die Lust und Zeit aufbringen werden uns öffentlich zu ärgern, zu freuen, zu schadenfreuen, zu entwirren und euch zu verwirren und die Welt (unsere Welt) ein klein wenig zu verändern.
Der Blog heißt: "ein bisschen mehr vom Leben" und genau das ist er für mich geworden und ich möchte auch allen anderen Mut machen, ein bisschen mehr von ihrem Leben zu sehen und zu zeigen, mal hinter ihre eigenen Kulissen zu blicken und Dinge zu hinterfragen und vielleicht andere an ihren Erkenntnissen teilhaben zu lassen.


(Mittlerweile klingt der Post, als hätte ich einen Preis für mein Lebenswerk bekommen und würde eine Dankesrede dafür halten müssen, das wollt ich nicht, ich wollte eigentlich nur sagen, ich habe Spaß an dem, was ich tue und sage und darüber kann jeder denken, was er mag!)

Dienstag, 2. März 2010

Von Monologmitschnitten und anderem alternativen Lebensdesign

Unser Blog heißt ja hier: "Ein bisschen mehr vom Leben". Ein bisschen mehr vom Leben könnte manchen Individuen wirklich nicht schaden - ein bisschen mehr vom realen Leben, wohlgemerkt. Denn so manches Mitglied unserer Gesellschaft scheint ja das virtuelle Idlen (ich weigere mich, es Leben zu nennen, und greife deshalb auf einen szeneinternen Anglizismus [to idle - faulenzen, lerrlaufen; Quelle leo.org] zurück) zu bevorzugen.
Die bescheidene Verfasserin neechan hat ja das zweifelhafte Vergnügen, ein solches internetsüchtiges Exemplar aus nächster Nähe beobachten zu dürfen. Ich möchte im Folgenden einen Auszug vorlegen aus dem Protokoll eines normalen, sich jeden Tag abspielenden Feierabends, den das Exemplar in seinem gewohnten Lebenraum - dem WeltWeitenWitz - verbringt.
Für die Glücklichen unter uns, die mit dem Phänomen der internet addiction disorder (http://en.wikipedia.org/wiki/Internet_addiction_disorder) nicht allzu vertraut sind, hier zuerst eine kurze Einführung.
Das erkrankte Exemplar kommt in sein Habitat (im Volksmund "zuhause", meistens ein Zimmer in der Elternwohnung oder ein Wohnheimzimmer), lässt Rucksack und Schuhe mitten im Flur stehen, stattet sich eventuell noch unterwegs mit Chips und Schokolade aus und lässt sich dann vor das symbiotisch schwer vermisste Unnütze-Freizeitaktivitäten-Ausübe-Gerät fallen (den PC). Dieses wird die nächsten vier bis acht Stunden nur zum Nahrungsnachschubauffinden oder Urinieren verlassen, welches beides in höchste Eile geschieht. Die eigentliche Aktivität besteht in unaufhörlichem Betätigen der Maus- und Tastaturknöpfe, im spezifischen Fall des beobachteten Exemplars in der Benutzung eines Headsets (Kopfhörer mit Mikrophon.) Sogleich wird ins ununterbrochene Daddeln übergegangen. Im vorliegenden Fall ein Spiel, das wir mal "Bunch of Heroes" nennen wollen, das man online mit mehreren echten Mitspielern spielt, über die man per "Teamspeak" kommunizieren kann. Aus ebendieser Kommunikation stammt nun der folgende Ausschnitt, der genau eine Viertelstunde dessen darstellt, was die bescheidene Verfasserin vom beobachteten Exemplar vernommen hat - ungekürzt:

(20:45)

*klickklickklickklickklick*...

„'Sis glaub ich nicht das Original oder. weiß auch nicht

Hui macht schon ganz gut Schaden

*lauterwerdend* Hier is Schacko hier ist schacko!! Komm zurück komm zurück!!

Oh, hier... mh...

klickklickklick....

Schieß sie zurück!! Och ich, eh... hier ich, brauch Hilfe!

Es war ne sehr geniale Band mal wieder... das war auch nicht... das war auch kaum Sarkasmus und so.. und Ironie... ja lass Tarek allein da rumlaufen, mnja....

Nee der Schacko ist auch grottig.

Doch. Neeenene. Nein, die pusht unten ne. Jetzt ist irgendwie nicht so gut, Sie pusht nicht als Tiger, sondern irgendwie als Puma, ne.

Ah. Blitz gefunden.

Ist das da für -? Mh.

Oh mein Gott. Jack saäuft ab. Ah hiers noch was.

Ja Malte is echt uncool. Malte is tooot.

Ah hier noch einen gefunden.

Yay der XY hat -36 Armor!

Drei unten. Wollen wir die drei holen?

Dann gehen wir einfach mal -

Ja die fehlen ja auch noch. Ah hier kommen sie. Nunu läuft hoch.

Ja ich geh mal mitte gleich mal. Kann doch ein Mal... hm...

Oh hier is Schacko.

Schimmelpilze?

Jaa komm zurück komm zurück.

Wieso?

Ach das zieht, der macht keinen Schaden eh.

Wem mach ich eigtl grad Lizard? Ach ich hab mich selber geholt, einfach.

Tarek! Hier rum! Hier rum! Tarek! Hilf uns!

Ach Tarek is nicht wieder da glaub ich.

Hat er gesagT?

Weißauch nicht. Ja.

Hinter mir.

Mitte ne.

Falle nach unteeen. (?)

MOAHH.

Ja geh ich hin. Ich geh zum -

Ey ey ihr müsst zusammenbleiben (x2) Malte, was machst du, Malte!

Hörst du uns jetzt wieder?

Soll ich Blitz End holen oderLast Whisper? Enddragon?

Ich dachte, ihr -

Kann man voll schlecht mit Alli.

*lacht*

Ich hab Ulti für... gut... Nunu is ulti.

Ja und Fiddle haben die alle nicht mehr, wollt ich nur mal sagen.

Ja, bleibt zusammen. Jacks kommen dazu und... nein die haben alle nicht mehr so viel.

Ehm mach den Inhibitor und dann – achso ok, ich geh nach rechts. Ich wollt -

Wann hast du wieder Ulti Rolf? Weil wir könnten barron machen. Ok.

Komm weg.

Was? Wieso das denn?

Jetzt hab ich Shining. (21:00)

Diese Gesprächsfetzen werden von einem ständigen Klicken der Maustasten begleitet - und mit ständig meine ich tatsächlich ohne Ende in in einem Takt von Millisekunden.
Nun stelle man sich mal vor, man hätte exakt diese Geräuschkulisse in seinem Wohnzimmer. Und zwar jeden Tag, jeden Abend, stundenlang. Sobald man nach Hause kommt, bis man ins Bett geht.
Das hat was von den Foltermethoden amerikanischer Geheimdienste, nicht wahr?
Um den schönen Kreis von Einleitung und Schlusswort zu schließen, bleibt nur noch zu sagen: "ein bisschen mehr vom (echten) Leben" würde Individuen wie dem vorgestellten Exemplar durchaus guttun. Und zwar nicht nur ihretwillen (ein kellergebräunter Nerd mehr oder weniger...), sondern auch ihrer armen, erholungsbreaubten Umwelt zuliebe.

Montag, 1. März 2010

Vom Altern und anderen Alkoholproblemen

Leute, ich bin alt geworden!
Woran ich das gemerkt habe? Es gibt mehrere Indikatoren: Ich fange an, 16-jährige, selbstverliebte Jungs niedlich zu finden, mein Verständnis von Gerechtigkeit geht über meinen eigenen Horizont und meine eigenen Probleme hinaus, ich bin besser über das aktuelle tagespolitische Geschehen informiert als die meisten meiner Bekannten (obwohl ich sagen muss, ich bin immer noch unterirdisch informiert, aber auch diese Erkenntnis scheint mir ein Phänomen des "alt Seins" zu sein) und ich finde Comedy, die sich über negative Entwicklungen unserer Gesellschaft lustig macht nur noch bedingt lustig: So blieb bei dem Satz: eine "Was ist momentan das Schlimmste, was dir passieren kann? Du machst bei jesuitischen GebirgsjägernSchiedsrichterausbildung!" von Stefan Raab in seiner Comedyshow bei mir nur ein bitterer Nachgeschmack von: Muss man wirklich das Leid anderer Menschen ausnutzen um Leute zum Lachen zu bringen?
Die Welt ist bitter geworden und was machen Konservative dafür verantwortlich: den Verfall der Werte. Dabei beobachten Soziologen in den letzten Jahren einen Trend der Jugend, sich wieder stärker an konservativen Werten zu orientieren und darin die scheinbar verlorene Sicherheit wieder zu finden.
Aber die Medien erzählen uns das auch an den Orten, an denen wir Werte und Sicherheit vermuten, nichts mehr in diese Richtung geboten wird:
Nach der lange andauernden negativen Medienpräsenz der katholischen Kirche hat jetzt auch die evangelische Kirche mit skandalträchtigen Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht, möglicherweise eine Reaktion des Protests der Protestanten (ja, ich weiß, der war flach).
Es war vielleicht die einzige Möglichkeit eine für einige führende Politiker sich einer unliebsamen einflussreichen Person zu entledigen, die durchaus auch über religiöse Kreise hinaus in der Gesellschaft Gehör fand.
Menschen machen Fehler, es ist mittlerweile üblich, dass Menschen des öffentlichen Lebens, die Fehler machen ihre Position verlassen, ich empfinde das gelegentlich als feigen Rückzug, besonders bei Managern, die erst ihre Firma ruinieren und dann mit einem "tut mir Leid" und mehreren Millionen Euro gehen dürfen und andere müssen den Schaden ausbügeln.
Aber zurück zu kleineren Fehlern, es gibt sicher einige Menschen, denen dieser Rückzug gelegen kam, aber er erntete auch viel Anerkennung, besonders von Männern, die Frauen plötzlich größere innere Stärke als ihrem eigenen Geschlecht zuschreiben.
Aber dieser zum Skandal hochstilisierten Fall von riskantem Alkoholkonsum sollte in unserer Gesellschaft zu einer neuen Debatte anregen. Mir sind in letzter Zeit immer mehr bewundernswerter Menschen begegnet, die völlig auf Alkohol verzichten und dafür in der Gesellschaft viel Unverständnis ernten. Öffentliches NICHTtrinken fällt mehr auf und irritiert mehr als übermäßiger Konsum in der Öffentlichkeit. Das ist meines Erachtens eine völlige Fehlentwicklung der Gesellschaft, man sollte Alkohol nicht verteufeln, das bringt andere Probleme mit sich, aber man sollte mehr Verantwortungsbewusstsein wecken und willensstarken Menschen mehr Respekt entgegenbringen.
Schließen will ich heute nachdenklich mit einem Songtitel einer berühmten deutschen Punkrockband: "Kein Alkohol ist auch keine Lösung"

Montag, 15. Februar 2010

Vom Winter und anderen Dopingvorwürfen

Neulich in der Bahn bekam ich ein Gespräch von 3 mittelalten Männern dabei zu, wie sie sich über die Leichtsinnigkeit der Bahn unterhielten. Es wurde erörtert, ob die Menschen denn die Katastrophen der letzten Jahrzehnte schon vergessen hätten. Heute wurden sie wieder daran erinnert. Erstaunlich daran war für mich in erster Linie, dass im amerikanischen Fernsehen viel früher und viel ausführlicher darüber berichtet wurde als in den deutschen Medien, obwohl es sich doch um ein Nachbarland handelt in dem das Zugunglück passierte.

Widerlich ist daran vor allem die Vorstellung, dass Kollegen sich über ein sogenanntes soziales Netzwerks mit Mikroblog darüber austauschten, wer im Zug gewesen sein könnte und wer nicht im Büro ist.

Europa ist geschockt und wieder wird über einen Verantwortlichen gemunkelt, der in seiner Übermacht jeden menschlichen oder technischen Fehler nichtig erscheinen lässt: Der Winter.


Die Welt ist ungerecht. Im beschaulichen Wintermärchen Deutschland gehen an den Universitätskliniken der Großstädte die Nägel aus, die man benötigt um Handgelenke nach einem Sturz wieder zu flicken, während in dem, dem Nordpol viel näher seienden, Canada der Schnee fehlt, der die Hauptstadt der USA letzte Woche in ein völliges Chaos stürzte.

Das nette an Stürzen in dieser Jahreszeit ist, dass man die Schmerzen nicht spürt, denn die betroffenen Körperregionen werden direkt ausgiebig gekühlt. Erst wenn man das Blut spritzen sieht oder die in eigenartigen Winkeln abstehenden Glieder sieht realisiert man, dass dieser Sturz schlimmer war als die letzten 23. Bei den 23 vorherigen Stürzen spürte man die Schmerzen erst als man den Körper mühsam unter der heißen Dusche auftaute und entdeckte die hübschenHämatome, die einen natürlichen Körperschmuck bilden.
Man kann also bald keine Handgelenke mehr flicken. Beunruhigt das die Menschen, die davon wissen? Hoffentlich nicht, denn überhöhte Vorsicht, führt zu einer erhöhten Zahl von Unfällen.
Ich kann mich auch nicht erinnern, dass jemals zuvor eine Autobahn wegen Salzmangels gesperrt war. In meiner Kindheit im Mittelgebirgsvorland gab es jeden Winter mehr oder weniger Schnee, doch Schulfrei gab es deswegen nie.
Wenn das Wetter eine Sportart wäre und der Winter ein Sportler, dann würde man ihm dieses Jahr vorwerfen gedopt zu sein.
Alle Menschen schreien schon Mitte Februar nach Frühling. Dabei fühlt sich der Frühling doch umso schöner an je länger und härter der Winter war.

Wie oben angedeutet, wartet man in einem anderen Teil der Welt auf Schnee – im Olympialand Canada. Ich gehöre zu den Menschen, die sich momentan nicht die Nächte um die Ohren schlagen, warum auch? Soll ich mir Dopingweltmeisterschaften anschauen? Warum schaut man Sport, bei dem der gewinnt, der am besten weiß, wie man Drogenkonsum effektiv betreibt und bestmöglich verschleiert.

Sportler schaffen es nie zu dem Superstarstatus wie mancher Musiker und Schauspieler, doch während denen ein Drogenimage nicht wirklich schadet, manchen sogar eher nutzt, ist ein Sportler schon abgeschrieben, wenn er nur unter Verdacht steht. Trotz all dem übt Olympia eine wahnsinnige Faszination auf die Menschen aus, die ich nicht nachvollziehen kann. Ist es der Ausgleich zu Krieg undAusbeuterei? Müssen sich Völker, Nationen, Menschen unbedingt permanent messen?


Samstag, 13. Februar 2010

Vom Lächeln und anderen outgesourcten Leistungen

Wir alle kennen die "Gelben Engel", aber ich möchte heute über die "gelben Teufel" schreiben. Das sind auch Menschen, deren Arbeitskleidung in dieser wunderschönen Farbe des Himmelskörpers, den wir seit Wochen (gefühlten Monaten) nicht mehr gesehen haben, strahlt und die mir das Leben schwer machen.
Dass sie nicht grüßen, ist ein geringes Übel, dass sie Schwierigkeiten haben zu lesen, schon ein größeres und dass sie gern Dinge verschwinden lassen, die mir gehören, ist ein riesiges Problem. Aber ich wollte eigentlich von der Service- Wüste Deutschland erzählen.
Man möchte sein Paket am Schalter einer so rar gewordenen Filiale der gelben Teufel -denn sie sind die wahren Meister des outsourcens, jeder kapitalistische Unternehmensberater, Entschuldigung Consulter, benutzt sie als Musterbeispiel- sein Paket abholen. Angesichts der Kälte und der typisch nordischen s-teifen Brise freut man sich, dass die Schlange genau hinter der Tür beginnt und man sich doch im warmen Neonlicht die Beine in den Bauch stehen darf. Aber wie jeder andere möchte man ja etwas von ihnen, deswegen bleibt man ja freundlich. (Dass man nur deswegen etwas von ihnen möchte, weil einer ihrer Legastheniker wieder irgendeinen Bockmist gebaut hat, kann man kurzfristig verdrängen.) Man wartet also geduldig und beim warten hat man Zeit:
Zeit zum Beobachten. Man beobachtet die Arbeitsmoral, der Schalterangestellten, man beobachtet die wartende Meute, die ungeduldig werdende Mutter, deren Unruhe auf ihr Kind übergeht, was für die Geduld der Mutter nicht zwingend förderlich ist, man beobachtet die junge angestellte aus der angegliederten Bank, die man durch eine riesige Glasfläche bei einer Kundenberatung sehen kann (so will ich mal nicht arbeiten).
Zeit zum Analysieren. Man sieht das breite Lächeln der Banktante und stellt fest, dass da der Unterschied zur Schalterangestellten liegt, zu der die Leute kommen, die was wollen, im Gegensatz zur Finanzberaterin, die selbst etwas will, etwas aufschwatzen.
Zeit zum Pläne schmieden. Egal wie lange ich noch warten muss und egal wie sehr mich das Geschrei des Kindes nervt, ich werde die gestresste Frau, dort vorn ganz freundlich anlächeln.
Gesagt, getan!
Ich kann euch nur raten, lasst es sein!

Gelber Teufel murrend murmelnd: "Ich brauch dann noch Ihren Ausweiß!"
Ich beschwingt lächelnd: "Natürlich, bitte schön!"
GT irritiert aufschauend: "Is irgendwas?"

Ist gelb das neue schwarz? Ich meine, es ist Farbpsychologisch belegt, dass Farben einen Einfluss auf unsere Stimmung haben. Manchmal erfüllen Farben auch nur einen praktischen Zweck (OP grün zum Beispiel), aber ich assozierte gelb immer mit Lebensfreude und Fröhlichkeit, obwohl ich wohl weiß, dass es auch die Farbe des Neids und Egoismus ist, aber die Menschen, die diese Arbeitskleidung tragen sind nicht aggressiv oder neidisch sondern eher, phlegmatisch und teilnahmslos bis traurig.
Aber Schornsteinfeger kontrastieren dann ja wieder ihr schwarz durch Freude, die -wie ich dachte- daher kommt, dass sich immer alle so freuen einen zu sehen und dann einfach einen freundlichen Mann sehen.
Beeinflusst wirklich die Farbe unserer Arbeitskleidung unser Verhalten und unsere Stimmung in anderer Weise als es Farben üblicherweise tun? Zeit für eine vergleichende Studie zwischen gelben Engeln, gelben Teufeln, Schornsteinfegern und Bestattungsunternehmern.
In der Folgestudie sollten auch unbedingt Tarnmuster untersucht werden, aber dazu brauch ich erst noch eine These.

Wo sind wir denn bitte hingekommen, wenn die Leute irritiert nachfragen, warum man freundlich ist, während sie andere Menschen weinend am Straßenrand als ganz normales Phänomen ignorieren???

Montag, 1. Februar 2010

Home, sweet Home... oder Klo(ver)balisierung

Ein Streitgespräch:

"Beim Koreaner mit dem Löffel Sushi essen - das ist Globalisierung."
"Alle Menschen auf der Welt sprechen hauptsächlich englisch und adapitieren "the American way of life"- das ist Globalisierung."
"Wir demonstrieren dagegen, dass durch Globalisierung unsere Umwelt stärker belastet wird und lassen dann auf dem Demo-Gelände unsere Junkfoodverpackungen liegen- das ist Globalisierung."
"Alle können, aber keiner macht mehr- das ist Globalisierung."

Unter Globalisierung versteht man die zunehmenden weltweiten Verflechtungen in mehreren Bereichen, wie Kommunikation und Wirtschaft. Selbstverständlich haben diese Verflechtungen sowohl positive als auch negative Konsequenzen, die oft genug an anderer Stelle diskutiert werden. Aber zu diesem Thema gehören so viele andere Lebensbereiche:
Die Fragen, die in Zusammenhang mit Globalisierung und Kapitalismus stehen (Wie soll sich der Bauer verhalten, wenn seine Frau sagt: 'Sieh zu, dass du Land gewinnst!'?) und Fragen zu Trennungen trotz wachsender Reisemöglichkeiten (Leiden Bäcker unter Abschiedsschmerz, wenn sie jeden morgen einen Hefeteig gehen lassen müssen?) oder ob die durch die Globalisierung wachsende Mobilität nicht größere Folgen für unsere Umwelt hat, als wir bisher befürchteten (Macht man den Meeresspiegel kaputt, wenn man in See sticht?)

Aber zurück zum Ernst der Sache: Wenn wir Samstagabend beim Thai sitzen und unsere "Italian Pizza" Belag Hawaii essen und dazu ein gutes Glas Burgunder trinken und dann der netten türkischen Bedienung ein extra großes Trinkgeld geben, scheint es so zu sein, dass wir etwas verlieren, was angeblich für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit von unschätzbarem Wert ist: Heimat?
Wenn wir rastlos reisen können, unser berufliches Glück aller 2 Jahre auf einem anderen Kontinent suchen und wir keinen Ort mehr zu Hause nennen, keine spezifischen Eigenheiten der Länder und Kulturen mehr kennen, dann brauchen wir eine neue Definition von Heimat und die gibt es auch schon: Heimat ist kein Ort sondern ein Gefühl, ein Gefühl der Geborgenheit, ein Platz an dem die Menschen sich gern haben. Na, dann ist mir ja alles klar! Nein, nichts ist mir klar. Kann ein Deutscher so ein Gefühl überhaupt vermitteln. Der Bewohner eines von Individualismus geprägten Landes soll ein wärmendes Gefühl vermitteln? Ein Land in dem es schwer fällt Respekt zu zeigen, ein Land in dem Eltern Probleme haben ihren Kindern oder den Kindern ihrer Partner liebevoll zu begegnen, soll ein Gefühl von "zu Hause" sein vermitteln. Immer weniger Deutsche schaffen es, ihre Nachbarn zu grüßen, sich für nette Gesten zu bedanken oder einfach nur freundlich zu lächeln. Ein Land, das jedem fremden Heimatlosgewordenenen sooooo kritisch gegenübersteht, kann auch bald denen kein Heimatgefühl mehr vermitteln, die es von Geburt an haben sollten.

In einem Land in dem materielle Werte mehr zählen als ein echtes Gemeinschaftsgefühl, können auch Kampangen wie "WIR sind Deutschland" nicht mehr helfen. Wenn Hautfarbe, sexuelle Vorlieben und politische Einstellung ausreichen um diskriminiert oder verletzt zu werden, ist nirgendwo Platz für Geborgenheit. Wie sollen eine solche Gesellschaft dazu einladen eine Heimat zu sein, wenn auch nur eine vorübergehenende?

Freitag, 22. Januar 2010

Von morgens und anderen Abenden

Wir befinden uns im Jahre 21 nach neechan. Schnee und Eis liegen auf den Straßen, die Einwohner eines mittelgroßen demokratischen Landes sind außer Rand und Band. Der Weg zur Arbeit wird zur Yogaübung, ein Bein auf dem Boden, das anderen in den Händen, meterweites Schlittern.
Ganz Hamburg? Nein, eine von unbeugsamen Menschen bevölkerte Minderheit hört nicht auf, der wetterangepassten Vernunft Widerstand zu leisten.
Es sind dir Radfahrer. Natürlich wissen wir alle, Radfahrer sind die besseren Menschen. Sie sind sportlich-fit, sparen Diesel, Gas, Blech, CO2, C3PO, R2D2, Menschenleben und Staumeldungen. Aber im Winter...?, müssen wir an dieser Stelle einwerfen. Man stelle sich den morgendlichen (für Studenten übersetzt: etwa 12 Uhr) Weg zur Arbeit (für Studenten: Coffee-to-go-Schuppen) vor, man ist mit dem Auto (Studenten: Bus oder Bahn) nach ewiger Parkplatzsuche (Studenten: Buspassagiere bis zur Toleranzgrenze begaffen) angekommen. Den kurzen Weg zur Arbeit (Studenten: langen Weg zur Uni) begeht man mit der üblichen Mischung aus Müdigkeit, Unlust und die Tagesplanung vorbereitenden Konzentration (Studenten: Müdigkeit, Unlust, und pappbechernen Schlucken vom DoubleDecafVanillaCreamToffeeJungleChocTripleSoyLattePeripherMacchiato) und der Financial Times (Studis: Gratiszeitschrift der Woche) unterm Arm.
Der Bürgersteig ist schmal und rutschig, die entgegenkommenden Passanten laufen ebenso vorsichtig wie man selber. Es geht wetterbedingt ein bisschen langsam voran, man wechselt sich mit dem Vorder- und dem Hintermann im gelegentlichen Gleichgewichtsverlust ab.
Doch plötzlich!, rringrring, ein Fahrradfahrer! Und eilig hat er es auch noch. Seinen Drahtesel 'vollends' (für Ironieresistente: zero) unter Kontrolle, schlingert er in mit einem Radius von knapp anderthalb Metern pro Rad durch die Gegend. Selbst für einen Geisteswissenschaftler berechenbar, stellt dieses Verkehrsverhalten auf Bürgersteigen, deren drei Meter Breite nur zu maximal zwei Drittel begehbar sind, eine beträchtliche Gefahr dar.
Als psychologisch geschulter Mensch möchten wir nun vermuten, dass es sich hierbei um eine Intervention handelt - all diese wagemutigen Bicicletteure sind Teilnehmer eines Verkehrsprogramms, dass die Konzentrationsfähigkeit und Balance schulen soll. Oder ist es gar ein Ausdruck von erhöhtem Umweltbewusstsein in Zeiten der Krise und der Globalisierung?
Oder ist es gar eine Maßnahme, im Arzneischrank aufgestaute Reserven an Erkältungstinkturen endlich zu verbrauchen, nachdem man nach 37 Minuten kalter Luft, kalten Fingern, laufender Nase, geschätzten 2,63 Stürzen und einem kontinuierlich um 30% erhöhten Distress-Level, sein Immunsystem herunterreguliert hat?
Nun, wir müssen uns wohl damit abfinden, dass es Dinge gibt, die wir nie so ganz verstehen werden. Buddha sagt: Alles, was keinen Sinn hat, wird einen Sinn finden, wenn man den Sinn nicht sucht, sondern ihn vergisst. (Ok, das sagt er wahrscheinlich nicht wirklich... aber ich bin mir sicher, wenn man es lange genug durch ein Übersetzungs-Tool jagt, kommt das dabei raus.)