Montag, 31. Mai 2010

Ein ganz normaler Tag - nicht für jeden von uns

Es ist morgens, du bist noch nicht ganz wach. Du sitzt in einem Raum mit 100 anderen Menschen. Vorn steht jemand, der mehr oder weniger spannende Geschichten erzählt. Du hörst ein Kleinkind, vielleicht auch einen Säugling, quängeln. Du hörst Tastengeklimper, Papierrascheln, Gemurmel, also einen permanenten Klangteppich.
Du sitzt plötzlich nicht mehr in diesem Raum, du sitzt im Kino, im Kopfkino.
Deine Gedanken fahren Achterbahn, du malst dir Szenarien aller Art aus. In dir steigt eine immense Wut und Ohnmacht auf. Du hast das Gefühl, das Leid der gesamten Menschheit lastet auf deinen Schultern. Keiner außer dir leidet, alle sind mit ihren banalen kleinen Leben beschäftigt.
Du sitzt plötzlich wieder in diesem Raum, die Bilder sind weg, die Wut im Bauch ist noch da. Du siehst das Elend selbst nicht mehr, doch du siehst noch immer die Banalitäten und du wünschst dir ein bisschen mehr Tragik und ein bisschen mehr Respekt für die Situation.
Du spürst, dass deine Stimmung heute nicht mehr zu retten ist und du bist überzeugt, dass sie nur schlimmer werden kann, weil alle Menschen in deiner Umgebung ignorant sind.
Es wird sich beweisen, dass die Welt schlecht ist und gegen dich ist sie sowieso.
Du wirst in der Bahn angerempelt, die Kantinenfrau gibt dir falsch raus, der Bus fährt dir vor der Nase weg, der Nachbar grüßt dich nicht, die Freundin ist total genervt, die Nachrichten schaust du dir heute besser gar nicht an.
Mittlerweile ist es Nacht. Du liegst im Bett, kannst nicht schlafen, dein Magen verkrampft sich, du wälzt dich hin und her.
Der Tag läuft vor deinem inneren Auge erneut ab. Plötzlich bewertest du ihn aber ganz anders.
Der Rempler in der Bahn war natürlich komplett deine Schuld, du hattest viel mehr Platz zum Ausweichen, wolltest aber lieber in Mitleid baden und der andere hatte überhaupt keine Chance.
Der Busfahrer hat einfach nicht gesehen, dass du mitwillst, weil du konsequent auf den Boden gestarrt hast und keine Versuche unternommen hast, den Bus noch rechtzeitig zu erreichen.
Der Nachbar hat dich nicht gegrüßt, weil dich nicht stören wollte, weil du konsequent auf deine Post starrtest und einen nicht-ansprechbaren Eindruck erwecktest, weil du beweisen wolltest wie sehr dich deine Mitmenschen ignorieren.
Deine Freundin hast du auch die ganze Zeit provoziert. Du bist ihr mit deiner miesen Laune auf die Pelle gerückt und hast sie in die Ecke gedrängt, sodass sie nichts anderes tun konnte als dich abzuweisen, denn wann immer sie etwas Positives sagte, hast du sie oberflächlich genannt.
Jetzt wird dir plötzlich alles klar: DU bist an allem Schuld. Du bist der schlechte Mensch und du bist so hinterhältig, dass du alle dazu bringen willst auch ein schlechter Mensch zu sein, damit keiner merkt, wie schlecht du bist.
Du ekelst dich an, doch irgendwann gegen morgen weinst du dich in den Schlaf.
Der Wecker klingelt. Du wachst mit Kopfschmerzen auf, hast zu wenig geschlafen, du fühlst dich matt und deprimiert und du weißt, dieser Tag wird nicht besser werden, du willst nicht aufstehen, sondern dich in deiner Schuld baden. Du drehst erneut am Gedankenkarussell bis du wieder spürst, dass dein Elend allen egal ist und sich keiner um dich sorgt und du so allein und verlassen bist. Alle anderen Menschen sind so ignorant.

Willkommen im Kopf eines Borderliners.

von Gastautor über kichererbse, die sich ganz herzlich für die Einblicke bedankt und ihren treuen Lesern ans Herz legt, mehr auf ihre Mitmenschen zu achten.

Samstag, 15. Mai 2010

Von Bayern und anderen Berlinern

Landeshauptstadt, Bundeshauptstadt und Zentrum Europas. Zumindest soll es Menschen geben, die dies von Berlin behaupten.
Für einen Wochenendkurztripp ist es eine ganz annehmbare Stadt. Ich habe eine Metropole mit wunderschönen Wohnungen zu günstigen Preisen gesehen, die über ein unvorteilhaftes Untergrund- und Stadtbahnnetz verfügt. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich gute 500 Kilometer südlicher (oh, jetzt hätte ich beinah tiefer geschrieben, ich bitte um Verzeihung lieber Ex-Geographie-Lehrer) gelandet, es reihte sich ein bayrisches Restaurant an das andere, ein Brezelverkäufer an den Weißwurstimbiss und umgekehrt und auch Buchhandlungen trugen klangvolle bayrische Namen. Ich weiß jetzt woher unser Bild bei den Touristen herkommt. Da merkt man doch erst einmal, dass man in einer Weltstadt wohnt.
Berlin erweckt außerdem den Eindruck, dass man sich entweder in einem Juppi-Viertel oder in der Einöde bewegt. Da sage noch mal einer Hamburg sei entweder provinzell oder teuer.
Es soll ja auch schöne Orte zum gemütlich Ausgehen geben, aber die kann man nicht erreichen, weil man nur zick-zack Bahn fahren kann.
Die berühmte "Berliner Schnauze" hat einen liebevollen Akzent bekommen und hat damit auch ein bisschen südländische Wärme.

Tendenziell war der Weg nach Berlin und der Weg zurück die nettesten Momente der Reise. Denn wenn man eine wahre Großstadt (groß im Sinne von großartig und nicht von vollgestopft) Richtung Osten verlässt, wundert man sich, dass man doch noch mit Euro bezahlen kann und auch den einen oder anderen Laden wiedererkennt. Studenten unter sich: Man erzählt sich lustige Geschichten, stellt sich gegenseitig unlösbare, philosophische Rätsel: „Steht ein Mann allein im Wald, erzählt etwas und niemand hört ihn, hat er dann trotzdem noch unrecht?“

Man hat einen guten Eindruck hinterlassen, sich in für Studenten üblicher Art blamiert und hat die einen oder anderen flachen Witzchen gemacht, wenn gerade kein „Erwachsener“ in der Nähe war.
Beispiel? Aber natürlich: Wir stehen am Gendarmenmarkt am Deutschen Dom und sehen einen Currywurststand. Es kommt die Beschwerde, dass es am Deutschen Dom deutsche Snacks gibt, aber am französischen Dom keine französischen Snacks, zum Beispiel: Crepé, Croque oder Schnecken to go. Antwort: "Schnecken to go ist aber der Straßenstrich."

Der Eindruck meiner bisherigen Berlinbesuche, die doch schon eine Weile zurückliegen und doch immer mehr den Tourismus ins Zentrum rückte als diese Reise, hat sich wieder einmal bestätigt: In Berlin geht Beton vor Baum, grau vor grün, Weltflairgehabe vor Wohlfühlfaktor.

Aber alles in allem bekommt man den Eindruck, dass die Dinge die wirklich wichtig sind, wirklich überall in Deutschland möglich sind: Bei leichtem Regen 2 Uhr nachts schweigend neben einander her gehen und dem eigenen Gedanken nachhängen sich plötzlich anschauen, kurz etwas sagen und dann wieder schweigend neben einander hergehen und etwa 10 Minuten eine Antwort erhalten um dann wieder schweigend in den Reflexionen des Regen zu starren.
(deswegen auch nur überall in Deutschland, nirgendwo regnet es so oft, aber so geringe Mengen wie in deutschen Großstädten)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die ganze Welt nicht jetzt schon ausflippen sollte, nur weil im Sommer Fussball-Weltmeisterschaft ist. Lasst den Kindern ihr Spiel und benehmt euch wie erwachsene Menschen.

Donnerstag, 6. Mai 2010

Von alten Römern und anderen Rentnern

Warum sollte eine Universität keine Lehrpersonen aus dem Ruhestand zurück in den Lehrstuhl holen?
Sie werfen mit überkommenen lateinischen Floskeln umher, sind in einem körperlich bedenklichen Zustand, haben den Studenten ein Weltwissen voraus, das in der heutigen Zeit als unnütz und überholt betrachtet wird und ihnen fehlt das entscheidende Wissen der "Neuzeit", um mit den Studenten kommunizieren zu können.
Desweiteren strahlen sie eine Arroganz aus mit denen man den hintersten Teil des Universums ausleuchten könnte, aber dazu müssen Lehrpersonen nicht im Ruhestand gewesen sein, aber es trägt doch irgendwie dazu bei.
Studenten sind ausgesprochen bekannt dafür, dass es ihnen das Lehrpersonal nie recht machen kann, entweder sie sind nett, aber inkompetent oder arrogant, aber wissenschaftlich erstklassisch, dann gibt es noch die die weder nett noch kompetent sind und nur ein Hauch von netten, kompetenten Menschen verirrt sich an die Uni. Da Studenten ein besonders wählerisches Volk zu sein scheinen, gibt man nicht viel auf seitenlange Beschwerden, aber irgendwo in der Personalabteilung muss sich doch ein leiser Verdacht hegen, dass mit diesen Ex-Ruheständlern irgendwas nicht stimmt. Denn auch innerhalb der Verwaltung kommen Irritationen auf, wenn sie sich mit Menschen konfrontiert sehen, die einfach nicht begreifen wollen, was ein BA-Creditpoint ist und wofür man den genau braucht - nicht, dass es irgendjemand wüsste, aber man bemüht sich wenigstens darum, so zu tun als wüsste man es und kommt mit dieser Antihaltung der älteren Generation, der ja heutzutage so gern Sturköpfigkeit nachgesagt wird, nicht zurecht.
Wo sind sie hin, die weisen Alten, deren Gelassenheit Steine zum Schweben bringt?

Ich weiß man könnte momentan täglich Posts mit tagespolitischen Diskussionen füllen, aber da die momentan an jeder Straßenecke mündlich ausdiskutiert werden, sind sie auch schon wieder eher ein alter Hut.
Aber ich habe beschlossen dem Beispiel meines alten Freundes Cato zu folgen:
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die ganze Welt nicht jetzt schon ausflippen sollte, nur weil im Sommer Fussball-Weltmeisterschaft ist. Lasst den Kindern ihr Spiel und benehmt euch wie erwachsene Menschen.