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Freitag, 13. April 2012

Vom Sein und anderen Träumen

Junge, lebensbejahende, einsame Studentin sucht: SICH SELBST. Wenn du das liest, dann melde Dich doch bitte bei mir, ich freue mich Dich kennenlernen zu können, Du sollst der wichtigste Teil meines Lebens werden, ich hoffe, wir teilen ein paar Hobbys und genießen es, Zeit miteinander zu verbringen. 
Erkennungszeichen: rosa Stoffpantoffel und schwarze Lederjacke.

So oder so ähnlich könnte sie lauten, die Kontaktanzeige der meisten Menschen in meinem Alter, denn es wird uns immer wieder bescheinigt, dass wir nicht wissen, wer wir sind und wo wir hinwollen und wer wir letztendlich sein möchten. Es erscheinen immer mehr Bücher, die uns nicht sagen, wer wir sind, sondern nur, dass wir es herausfinden sollen. Warum? Weil wir wissen müssen, wer wir sind, um uns zu dem heutigen Ideal zu verändern: erfolgreich, zielorientiert, selbstbewusst...

Ich möchte gar nicht wissen, wer ich bin. Ich möchte jeden Tag so sein, wie es mir gerade in den Sinn kommt, ohne abends darüber nachgrübeln zu müssen, warum alles, was ich heute getan habe, überhaupt nicht zu mir passt. Ich möchte heute voller Enthusiasmus ein neues Projekt anfangen, um morgen an der Sinnlosigkeit des Seins zu scheitern und tiefdeprimiert alles anzuzweifeln, was das Leben mir bietet. 
Ich tue heute Dinge, die ich vor knapp 2 Jahren noch ausgeschlossen habe, weil sie mir andere aufdiktieren wollten, heute tue ich sie, weil sie mit meinen aktuellen Werten übereinstimmen.
Natürlich hinterfrage ich mein Tun, wie jeder andere auch, besonders wie jeder andere junge Mensch. Manchmal stelle ich auch fest, dass mir nicht 100 prozentig gefällt, was ich tue, aber ich habe erkannt, dass ich nicht zu dieser Sorte Menschen gehöre, die einem festen Plan folgen können und sich dabei immer treu bleiben. Ich bin sprunghaft, pessimistisch, naiv, zynisch, zweifelnd, optimistisch, vertraue anderen nur schwer, stürze mich Hals über Kopf in intensive Freundschaften. Auch wenn sich die Hälfte davon gegenseitig ausschließt, bin ich so und ich mag mich so! Meistens.
Ich will mein aalglattes Ich nicht finden. Es mag sein, dass ich dann erfolgreicher, souveräner und sozial verträglicher wäre, aber ich wäre auch noch etwas anderes: LANGWEILIG.

Manchmal kommen die Wesen, die immer alles gradlinig auf die Reihe bekommen, auf mich zu und fragen mich, ob ich denn keine Träume habe.
Natürlich habe ich Träume, denn desillusioniert bin ich trotz allem nicht, mir ist auch durchaus bewusst, dass man für deren Erfüllung manchmal hart arbeiten und Dinge durchziehen muss, aber ich weiß auch, dass nicht alle Träume in Erfüllung gehen, egal wie hart man dafür arbeitet und was noch viel wichtiger ist, dass sich Träume im Laufe des Lebens ändern, sonst wäre ich schon längst Prinzessin am spanischen Hof und würde ein sehr trauriges Leben führen, weil ich mir mal mit 5 Jahren erträumt hatte, dass es nichts schöneres geben könne als Prinzessin zu sein und nichts mehr selbst tun zu müssen.
Mein wesentlicher Traum bleibt immer gleich: ein zufriedenes Leben mit meinem Partner an einem für mich schönen Fleckchen Erde, aber alle Träume darum herum ändern sich ständig, fast minütlich: Lieber Hausfrau oder Bundespräsidentin, lieber Katze oder Esel oder Schildkröte, lieber Dusche oder Badewanne oder Pool oder Whirlpool, lieber Wohnung oder Hütte im Wald oder Haus oder Villa oder Schloss?
Warum soll ich mich jetzt entscheiden und auf dieses Ziel hinarbeiten, wenn mir doch morgen schon etwas ganz anderes verlockend erscheinen könnte?
Warum heute schon entscheiden, wer ich in 20 Jahren sein will nur um dann enttäuscht zu sein, dass ich nicht die geworden bin, die ich sein wollte?

Montag, 23. August 2010

Von Selbstschutzmechanismen und anderem schamhaftem Verhalten

Fremdschämen ist ein Begriff, der immer häufiger in den Medien oder unserem alltäglichen Sprachgebrauch auftaucht. Wir genieren uns für das Fehlverhalten unserer Artgenossen. Fremdscham ist ein durch und durch überflüssiges Übel. Warum sollten uns Fehler, die wir NICHT gemacht haben peinlich sein? Manch einer redet sich damit heraus, dass der Verfehlende ihm sympathisch sei und er wegen der Empathie Fremdscham zeige. Zwei Punkte sind dabei zu bedenken: Unserere Fremdscham ist am größten, je weniger sich der Jenige selbst schämt und unsere Fremdscham tritt gelegentlich bei Menschen auf, die uns völlig unbekannt oder überaus unsympathisch sind.
Fremdscham dient unserem eigenen gesellschaftlichen Schutz: Wenn wir vor unseren Mitmenschen zeigen, dass uns das Fehlverhalten der anderen peinlich ist, symbolisieren wir damit, dass wir dieses Verhalten nicht zeigen würden und verkaufen damit ein gutes Bild von uns nach außen.
Ich glaube, dass unsere Fremdscham am größten ist, wenn wir einen Fehler wiedererkennen, den wir begangen haben und dabei nicht in der Lage waren uns dafür zu schämen (z.B. weil wir betrunken oder in der Pubertät waren, oder beides).

Scham ist wahrscheinlich ein jahrtausendealtes Gefühl. Schon immer schämen sich Menschen für etwas. Scham scheint zum Mensch-Sein zu gehören (wobei meine Katze auch Schamverhalten zeigt, wenn sie mich beim Spielen ausversehen kratzt). Scham bleibt ewig, doch der Inhalt des Schämens scheint sich zu verändern wie die Mode. Früher schämte man sich für uneheliche Kinder, heute gehören sie fast zum guten Ton einer intakten Familie, oder man schämte sich in der Öffentlichkeit einen Kuss zu erhalten, heute tragen einige ihr ganzes Sexualleben in die Öffentlichkeit, zumindest verbal.
Heute schämen wir uns für unsere Arbeitslosigkeit, unseren sexuellen Fehltritt auf der letzten Party, unsere 13-jährige schwangere Tochter, unseren demenzkranken Großvater, der der jungen Pflegeschwester immer an den Hintern packt oder doch ganz banal für unsere Herkunft.
Wobei auffällt, dass einige Gründe, für die wir uns heute schämen, auch in die Rubrik Fremdscham fallen könnten, es aber nicht tun, weil sie sich nicht auf direkte Fehlhandlungen anderer beziehen, sondern wir uns eher deren Existenz schämen.

Scham ist eine Emotion, deren Sinn schwer zu ergründen scheint. Warum macht es Sinn, tomatenfarben anzulaufen, in Schweiß auszubrechen und peinlich berührt dreinblickend mit gebrochener Stimme zu erklären, dass wir jenes (welches auch immer) absonderliche Verhalten durch und durch verachtenswert finden (hier endet die Erklärung bei Fremdscham) in jener (welcher auch immer) Situation jedoch keine andere Wahl hatten (hier endet die Erklärung, wenn wir uns unserer eigenen Fehler schämen)?

Wenn Scham jedoch als Angst verstanden wird, wo liegt der Sinn in einer nachträglichen Angst? Denn Scham ist nicht die Angst vor Entdeckung einer Missetat, denn Scham tritt ja erst nach deren Entdeckung oder Beobachtung ein. Weckt Scham Sympathie? Das kann ich mir persönlich nicht vorstellen, denn finden wir nicht Menschen sympathischer, die zu ihren Fehlern stehen, statt feuermelderfarben Ausreden herzubeten?
Wissen wir nicht auch, dass es nichts bringt uns für die Menschen in unserer Umgebung zu schämen, weil die Menschen, die uns mögen uns um unserer Selbst willen mögen und nicht ihre Sympathie für uns wegen schlechter Manieren anderer aufgeben.

Ist Scham nicht nur ein Gefühl zum Selbstschutz? Wenn wir Scham empfinden, sagen wir uns selbst damit, dass wir nicht so schlecht sind, wie der Eindruck, der von uns entstehen könnte. Scham dient nicht dazu anderen zu zeigen wie gut wir sind, sondern nur uns selbst.
So passt auch die Form der Scham dazu, die ich bisher ausgespart habe, die Scham sich selbst zu offenbaren, Ideen und Wünsche preiszugeben. Die Scham davor, die manchen Partner in die Verzweiflung treibt dient dazu uns selbst glauben zu machen, dass wir trotz der schmutzigsten Phantasien ein ehrbarer Mensch sind, denn wir haben ja den Anstand sie nicht auszusprechen. So werden wir auch nie erfahren, dass unsere Gedanken gar nicht so bösartig oder dreckig oder was auch immer sind, wie wir befürchten, denn sie werden nie an die Oberfläche gelangen und ihr wahres Gesicht offenbaren.

Mittwoch, 24. März 2010

Von Hefepilzen und anderen sexuellen Vorlieben

Es gibt nur wenige Branchen, die profitieren, wenn sich eine Wirtschaft in der Krise befindet, aber die Süßwaren- und Sexbranche gehören definitiv dazu. So stieg auch letztes der Umsatz der größten Kondomhersteller in außergewöhnlichen Umfang.

Sex geht immer. Das merkt man aktuell auch in den Medien. Zu Sendezeiten zu denen es sonst nicht üblich ist, findet man momentan hauptsächlich dieses Thema. Ich bin in den letzten Wochen gar nicht dazu gekommen, den Stift aus der Hand zu legen, weil ich viel zu beschäftigt war Sprüche mit zuschreiben, um mich auch noch Tage später bei jedem Smalltalk drüber lustig zu machen. Da schaut man aus versehen mal eine Wissenschaftssendung und lernt, was man nie wissen wollte, dass Hefepilze, wenn sie unter evolutionärem Druck stehen, auf eine sexuelle Fortpflanzung setzen. Vielen Dank für die Info, ich sehe mein Bier jetzt unter einem ganz neuen Licht und hoffe, dass die Pilze, die an der Herstellung beteiligt waren, nicht das Gefühl hatten, dass ihre Arterhaltung gefährdet ist.

Während ja bekannt ist, dass im Nachmittagsprogramm des Unterschichtenfernsehens jegliche zwischenmenschliche Beziehungen nur in einer sexuellen oder strafrechtlichen (was so viel heißt wie "strafrechtlich-sexuellen", weil es gibt ja nur Verbrechen, die in irgendeiner Form mit Sex zu tun haben) Komponente beleuchtet wird, war ich doch Mitte der Woche geschockt, als ich in einer „Lebenshilfe-Sendung“ mit einem Niveau, das üblicherweise etwas über dem der gewöhnlichen Nachmittagssendungen liegt, riesige Dildos sah, weil ein Angehöriger des wahrhaft schwachen Geschlechtes seiner schöneren Hälfte nicht zumuten wollte, mit einem Seil Billard spielen zu müssen.

Jetzt beginnt auch noch der Frühling und die ersten warmen Sonnenstrahlen erreichen unsere Haut und das Thema Sex wird, in Zusammenhang mit Frühlingsgefühlen, noch mehr ausgeschlachtet. Dabei ist der Lustgewinn im Frühling überhaupt nicht auf den Fortpflanzungstrieb ausgerichtet, sondern vielmehr auf die Befriedigung einer Selbstaufwertung, also Verbesserung des Selbstwertgefühls, nach den langen dunklen Tagen. Frauen wollen wieder schöner werden und ihr frühjährlicher Lustgewinn ist bei einer Shoppingtour am höchsten, während Mann jetzt wieder wichtiger sein will und sein Lustgewinn ist am höchsten, wenn er sein Cabrio auf Hochglanz polieren kann und damit durch den ersten Sonnenschein cruisen kann.

Wer hat nur das Gerücht verbreitet, dass Frühlingsgefühle etwas mit Sex zu tun haben? Es waren ausnahmsweise mal nicht die Männer, zumindest nicht alle. Es waren die Alten. Denn alte Menschen wissen, dass sie noch sie viel shoppen können, sie werden nicht wieder so schön wie früher und die alten Männer wissen, dass sie keinen Stich mehr sehen, also stürzen sich alte Menschen unter Vorwand der Jahreszeit in sexuelle Abenteuer, jetzt wunderbar in den Parkanlagen dieser Welt zu beobachten, um ihren Selbstwert auf fragwürdige Art zu optimieren und alle anderen müssen es ausbaden oder müssen ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihre Frühlingsgefühle richtig interpretieren und sich nicht waghalsig in komplizierte Beziehungen stürzen.

Genug zur aufgebauschtesten Nebensache der Welt and tribute to spring: Ich genieße jetzt die Sonne beim ersten Freiluft-Eis des Jahres und beobachte andere Menschen dabei, wie sie sich selbst nicht verstehen.

Montag, 1. Februar 2010

Home, sweet Home... oder Klo(ver)balisierung

Ein Streitgespräch:

"Beim Koreaner mit dem Löffel Sushi essen - das ist Globalisierung."
"Alle Menschen auf der Welt sprechen hauptsächlich englisch und adapitieren "the American way of life"- das ist Globalisierung."
"Wir demonstrieren dagegen, dass durch Globalisierung unsere Umwelt stärker belastet wird und lassen dann auf dem Demo-Gelände unsere Junkfoodverpackungen liegen- das ist Globalisierung."
"Alle können, aber keiner macht mehr- das ist Globalisierung."

Unter Globalisierung versteht man die zunehmenden weltweiten Verflechtungen in mehreren Bereichen, wie Kommunikation und Wirtschaft. Selbstverständlich haben diese Verflechtungen sowohl positive als auch negative Konsequenzen, die oft genug an anderer Stelle diskutiert werden. Aber zu diesem Thema gehören so viele andere Lebensbereiche:
Die Fragen, die in Zusammenhang mit Globalisierung und Kapitalismus stehen (Wie soll sich der Bauer verhalten, wenn seine Frau sagt: 'Sieh zu, dass du Land gewinnst!'?) und Fragen zu Trennungen trotz wachsender Reisemöglichkeiten (Leiden Bäcker unter Abschiedsschmerz, wenn sie jeden morgen einen Hefeteig gehen lassen müssen?) oder ob die durch die Globalisierung wachsende Mobilität nicht größere Folgen für unsere Umwelt hat, als wir bisher befürchteten (Macht man den Meeresspiegel kaputt, wenn man in See sticht?)

Aber zurück zum Ernst der Sache: Wenn wir Samstagabend beim Thai sitzen und unsere "Italian Pizza" Belag Hawaii essen und dazu ein gutes Glas Burgunder trinken und dann der netten türkischen Bedienung ein extra großes Trinkgeld geben, scheint es so zu sein, dass wir etwas verlieren, was angeblich für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit von unschätzbarem Wert ist: Heimat?
Wenn wir rastlos reisen können, unser berufliches Glück aller 2 Jahre auf einem anderen Kontinent suchen und wir keinen Ort mehr zu Hause nennen, keine spezifischen Eigenheiten der Länder und Kulturen mehr kennen, dann brauchen wir eine neue Definition von Heimat und die gibt es auch schon: Heimat ist kein Ort sondern ein Gefühl, ein Gefühl der Geborgenheit, ein Platz an dem die Menschen sich gern haben. Na, dann ist mir ja alles klar! Nein, nichts ist mir klar. Kann ein Deutscher so ein Gefühl überhaupt vermitteln. Der Bewohner eines von Individualismus geprägten Landes soll ein wärmendes Gefühl vermitteln? Ein Land in dem es schwer fällt Respekt zu zeigen, ein Land in dem Eltern Probleme haben ihren Kindern oder den Kindern ihrer Partner liebevoll zu begegnen, soll ein Gefühl von "zu Hause" sein vermitteln. Immer weniger Deutsche schaffen es, ihre Nachbarn zu grüßen, sich für nette Gesten zu bedanken oder einfach nur freundlich zu lächeln. Ein Land, das jedem fremden Heimatlosgewordenenen sooooo kritisch gegenübersteht, kann auch bald denen kein Heimatgefühl mehr vermitteln, die es von Geburt an haben sollten.

In einem Land in dem materielle Werte mehr zählen als ein echtes Gemeinschaftsgefühl, können auch Kampangen wie "WIR sind Deutschland" nicht mehr helfen. Wenn Hautfarbe, sexuelle Vorlieben und politische Einstellung ausreichen um diskriminiert oder verletzt zu werden, ist nirgendwo Platz für Geborgenheit. Wie sollen eine solche Gesellschaft dazu einladen eine Heimat zu sein, wenn auch nur eine vorübergehenende?

Dienstag, 15. Dezember 2009

nichts passiert oder von Erinnerung und anderen Retrospektiven

Es scheint mir noch zu früh in diesem Jahr um einen Jahresrückblick zu schreiben, obwohl sowohl die Printmedien als auch die Flimmermedien voll davon sind. Aber ein zweiter Rückblick ist in den letzten Tagen sehr beliebt: Der Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt: 10 Jahre Nullen.
Ich finde diese objektive Beschreibung der Erscheinung der Jahreszahlen von 2000 bis 2009 -10 Jahre Nullen- sagt auch eine Menge über den Inhalt des sich neigenden Jahrzehnts.
Es gibt nur 2 Ereignisse, die ich unweigerlich mit den letzten 10 Jahren in Verbindung bringe: Das Ankommen des "islamistischen" Terrorismus in der westlichen Welt und die offizielle Euro-Einführung, wobei die Euro- Einführung als Buchwährung bereits 1999 war und ab da auch schon geprägt wurde und damit noch nicht einmal ihre Geburtsstunde in den 2000ern hat.
Wenn ich über weitere Großereignisse berichten sollte, müsste ich nachdenken. Ich erinnere mich noch dunkel an den Tsunamie und dass wir (gemeint: die BRD) die ein oder andere kriegerische Auseinandersetzung im Nahen Osten unterstützt haben. Desweiteren begann bereits 2008 eine Weltwirtschaftskrise, die heute von einigen Finanzexperten als finanzielle Nahtoderfahrung beschrieben wird. Bei dieser Nahtoderfahrung fragen sich aber einige Wenige, ob nicht doch alles ein großer Schwindel war und man sich so ein paar unliebsamer Probleme entledigen konnte oder Unternehmensschulden zu Staatsschulden machen konnte. Reale Auswirkungen dieser Krise haben nicht-an-der-Börse-spekulierende Ottonormalverbraucher erst in den letzten Monaten realisiert, als doch das ein oder andere Großunternehmen das Handtuch hin- und die Mitarbeiter herauswarf. Aber bei Krisenskeptikern und Verschwörungstheoretikern hält sich vehement das Gerücht, diese Firmen waren auch so am Ende.
Desweiteren gilt die letzten 10 Jahre als Retro- Jahrzehnt, die merkwürdigen Kleidermacken aller Jahrzehnte kamen geballt und zeitweise neu kombiniert zurück.
Ach, und dann war da auch noch die Fußball-WM in Deutschland und man hat sich bemüht "Freunde" zu werden mit der Welt, eine gute Gelegenheit das angekratzte Gastgeberimage aufzupolieren, mit mäßigem Erfolg. Wir sind einfach keine Feiernation und wenn man sich dann als junger Deutscher mit "Du bist Deutschland"- Kampagnen identifizieren soll, bei denen man die ganze Zeit mit toten Dichtern und Denkern verglichen wird, kommt auch keine richtige Feierstimmung auf: "Goethe ist tot, Goethe ist Deutschland, DU bist Deutschland, du bist tot, Deutschland ist tot."
Da enden sie auch schon: die weltbewegenden Ereignisse, die in meinem Bewusstsein hängen geblieben sind. Aber vielleicht bin ich auch nur ignorant und/oder mir sind viele Ereignisse einfach nicht in ihrer bedeutungstragenden Rolle deutlich geworden.
Aber vielleicht wesentlicher als das große Ganze sind die persönliche Erfahrungen mit dem letzte Jahrzehnt. Diese sind im aber eigentlich auch nicht so rosig. Es war die vielleicht schwierigste Zeit in meinem Leben, der Weg von einem naiven, sensiblen Kind, das die Welt in bunten und schillernden Farben sieht, zu einer jungen Erwachsenen, die Negativität und Schwärze der Welt erkennt und mit realitätsnahen Zynismus das beste daraus zu machen versucht.
Jeder, der es erlebt hat, kennt die Probleme der Pubertät und die verzweifelten Versuche die Eltern zu erziehen, aber im Großen und Ganzen waren keine dieser Erfahrungen an das Jahrzehnt gebunden -schade, dass ich leider kein Flowerpowerkind werden konnte, weil die Jugend von heute zu auf- oder abgeklärt für eine Retrovariante von Love and Peace ist.
Auch der Schritt aus den verkrusteten Strukturen in die Moderne ist mir gelungen, aber nicht durch bereichernde Erfindungen des Jahrzehnts, sondern durch Landflucht und ein neues Leben in der Großstadt in der man für DSL nicht auf den Kirchturm klettern muss, wenn überhaupt.
Aber Erfindungen ist ein gutes Stichwort. Hatten wir welche in den letzten Jahren? Neue Möglichkeiten Musik innerhalb der Ohren abzuspielen, aber dafür gab es in den 80ern den Walkman und in den 90ern den Diskman, also nur eine Weiterentwicklung. Ein Auto in das eigentlich nur 2 Leute reinpassen jetzt für 4 Leute, auch nichts wirklich Neues. In der Kommunikations- und IT- Branche findet sich die ein oder andere Neuheit, aber da ist der jungen Generation gar nicht mehr klar, dass Ende der 90er die Handys der meisten Leute noch gelb waren und am Straßenrand standen und nur privilegierte Menschen eine tragbare Telefonzelle besaßen und man in der Zeit des Ladens einer Website den Wochenabwasch machen konnte, beschreibt Entwicklung diese Phenomene besser als Erfindung. Auch social networking scheint eine Erfindung der letzten Jahre. Obwohl es früher wahrscheinlich besser funktionierte, als man die Leute noch von Angesicht zu Angesicht kannte und nur den Begriff dafür noch nicht.
So ist das eben mit dem "time ghost" oder wie die Engländer zu sagen pflegen: "zeitgeist"

Dienstag, 8. Dezember 2009

Von Angelido und anderen Chaoten

"Vergiss Brangelina, wir haben Angelido!"
Das ist die ultimative Wortneuschöpfung zum Regierungswechsel. Das Wort ist so bescheuert, dass es schon wieder genial ist und ich habe mich furchtbar geärgert, dass es nicht von mir ist.
Aber ich glaube ja auch noch nicht, dass sich unser neuer Außenminister über die gesammte Legislaturperiode halten kann. Wer weiß wie sich dann das Ministerkarusell weiterdreht und welche Wortschöpfung wir dann brauchen. Vielleicht: Ursangela von der Leykel. Diese Frau scheint ja noch zu Höherem zu streben auf der Politischen Bühne. Wir bleiben gespannt, oder auch nicht.
Ein anderes Thema, das wahrscheinlich wesentlich mehr mit Politik zu tun hat als unsere aktuelle Bundesregierung, ist doch viel spannender: Was passiert in der linken Szene? Wo führt das, was dort passiert, Deutschland hin? Sprechen wir bald von einer neuen außerparlamentarischen Opposition oder gar einer neuen RAF.
Politisch motivierter Vandalismus schlägt langsam in organisierten Terrorismus um. Linksautonome Gewalt nimmt zu, besonders gegenüber der Polizei. Ich fühle mich zurückversetzt in eine Zeit, die ich neulich inszeniert in einem nichtdokumentarischen Spielfilm mit historisch begründeten Tatsachen gesehen habe: die frühen 1970er.
In den öffentlich rechtlichen Sendern hört man vermehrt von "Idioten und Chaoten, die nur zerstören wollen."
Fragt man in der Szene, so hört man, die steigende Gewaltbereitschaft innerhalb der Linksautonomen sei eine Reaktion auf eine immer stärker im Faschismus gefesselten Gesellschaft.
Anmerkung der Autorin: Ich hatte den Eindruck, dass zum Ende des Jahrzehnts die rechten Ansichten in der Gesellschaft wieder abnehmen. Aber dies ist nur ein persönlicher Eindruck.
Vielleicht ist die neue Jugend nur aus der Interessenlosigkeit am Zeitgeschehen erwacht, die der meinen Generation vorangegangenen Generation noch nachgesagt wurde und aus diesem Interesse musste ein Feindbild entwachsen, denn ohne Feind, keinen Grund zu Partizipation.
Der alte Feind "Faschismus" ist ein guter Feind, denn es ist gemein hin bekannt, dass dieser in all den Jahren in der deutschen Gesellschaft ein warmes Zuhause gefunden hat, wenn auch meist nur hinter verschlossenen Türen und vorgehaltenen Händen.
Es ist sicher zu einfach der Argumentation der Alten zu folgen und von blinder Zerstörungswut, Idioten und Chaoten zu sprechen, auch wenn es in breiten Teilen der Gesellschaft Anklang findet und Sie werden auch zuerst an Idioten glauben, wenn Ihr Auto brennt, doch es wird dem was da passiert nicht gerecht, vorallem aber wird es unserer Gesellschaft und Politik nicht gerecht, die die Jugend erst dazu gebracht hat sich zu vermummen und mit Steinen zu werfen und Lagerfeuer aus Personenkraftwagen herzustellen.
Aber diesem ganzen Geschehen, dessen Ausmaß in den letzten Monaten wuchs, allein eine wichtige politische Botschaft zu unterstellen, ist meiner Meinung nach auch absolut falsch. Dafür sind die Handlungen zu unorganisiert und vor allem meist nicht mit der Botschaft zu vereinen, die sie vertreten sollen. Wenn man beispielsweise gegen die immer weiter auseinanderklaffende soziale Schere protestieren will und dafür die immer reicher werdenden Reichen verantwortlich macht, sollte man keine preisgünstigen Kleinwagen anzünden, was des öfteren geschehen ist.
Was nicht heißt, dass es gutzuheißen ist Oberklassewagen anzuzünden, aber das wäre wenigstens konsistent zur Botschaft.
Warum auch immer die Gewaltbereitschaft zunimmt, ist interessant zu beobachten, dass auch diesmal wieder Studentenproteste, die eigentlich ganz andere Ziele, als die Abschaffung des Staates und des Wirtschaftssystems haben -zumindest in der breiten Masse- für die linke Propaganda instrumentalisiert werden. Deshalb distanzieren sich immer mehr Studenten von den Protesten und den Besetzungen der Unigebäude, was aber dem eigentlich Ziel der Studentenproteste, nämlich bessere Studienbedingungen und Reformierung des Bachelorsystems eher von Nachteil ist, denn um diese Forderungen durchzusetzen, braucht es die breite Rückendeckung der Studenten, denn sonst wird die Notwenigkeit dieser Maßnahmen nicht gesehen.
Aber man kann sich doch auf keine Demo trauen, bei der man fürchten muss, am Ende brennen Autos und die Polizei treibt einen mit dem Gummiknüppel durch die Stadt, weil 3 bis 5 Kollegen von den Jungs schwer verletzt worden.
Ist Studentenprotest auch ohne Linksradikal möglich oder heißt gemäßigt auch auch gleich gemächlich gleich zu faul um sich einzusetzen?
Wenn linksgemäßigter Protest möglich ist, wie grenzt man sich dann aber vor den Anarchisten und Terroristen ab?

Montag, 7. September 2009

Von Respektlosigkeit und anderen Alterserscheinungen

Verwirrte, respektlose, alte Menschen kreuzten in den letzten Wochen recht häufig meinen Weg:
Begonnen hatte alles mit jenen alten Menschen, die immer noch glaubten dem Alter entfliehen zu können. (Ich dachte bis dahin, diese Phase legt sich bei Frauen mit Mitte 30 und bei Männern mit Mitte 60, aber ich scheine mich getäuscht zu haben.) Sie veranstalteten ein rauschendes Fest um ihren Geburtstag noch mal würdig zu feiern, vielleicht feierten sie aber auch den nahenden Tod. Aber sie hatten vergessen, dass sie weder üppige Sahnetorten und ungewohnte Bewegung noch warme Temperaturen und fehlenden Mittagsschlaf vertrugen. Aber gut, so ein kleiner Ausflug ins Krankenhaus erspart die Bettelei beim Chef um Urlaub... ach nein, die sind ja schon Rentner.
Ich bin ja nicht gegendas Feiern und schon gar nicht gegen Feiern im Alter, man sollte vielmehr feiern, dann wäre man auch besser im Training, aber in dem Alter sollte man so langsam seine Grenzen kennen.
Es folgte einige Zeit später: die alte, kleine Frau mit den dicken Brillengläsern, beziehungsweise den Goldfischgläsern in Plastikgestell. Diese Frau hat doch tatsächlich gewagt auf dem Friedhof zu betteln und so das Leid und die dadurch entstehende Verweichlichung ihrer Mitmenschen auszunutzen - und dies auch auf sehr dreiste Weise:

AH = alte Hexe
TW = trauernde Witwe

AH: Wie spät haben Sie es?
TW (verwirrt aufschreckend): Was?
AH: Sie können mir doch sicher sagen, wie spät es ist!?
TW: ...12 Uhr
AH: Und sie haben nicht zufällig einen Euro im Portmonee?
TW (genervt in der Tasche kramend): hier nehmen Sie.
AH: Haben Sie vielleicht 2 Euro in ihrem Portmonee?
TW: Also ich muss doch sehr bitten...

Ich glaube es folgten noch ein paar Undankbarkeiten seitens AH.
Ich finde bedürftige Menschen (sofern sie denn bedürftig sind, was in diesem Fall nicht eindeutig war, aber dies sei dahingestellt) dürfen gern betteln, aber sie sollten Respekt vor Menschen haben, die noch bedürftiger sind, wenn auch auf anderer Ebene. Vor allem würde ein jugendlicher Bettler sofort in seine Schranken gewiesen werden, aber die alten Menschen dürfen sich so etwas einfach herausnehmen.
Dann hörte ich von einer garstigen alten Vermieterin, die ihrer über 30 jährigen Mieterin im lockeren "du" alle möglichen Unverschämtheiten an den Kopf warf und ihr Dinge vorwarf, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Ein Beispiel: Die junge Dame traute sich, sich zu beschweren, weil in ihrem Mitvertrag eine Warmmiete steht, die Heizung in ihrem Zimmer aber nicht funktioniert. Die Vermieterin war der Meinung, der junge Geist solle sich nicht so haben, die Miete sei ja so günstig, dass sie sich einen Heizlüfter kaufen kann.
Ich finde, da ist schon die Aussage allein blanke Ironie, das muss ich nicht noch kommentieren.
Die vorerst letzte Begegnung mit dem Alter hatte ich heute am Bahnhof: Ein alter Mann mit Rollkoffer versucht rechts an mir vorbeizulaufen, als er feststellt, dass seine Geschwindigkeit zu gering oder meine zu hoch ist um den Überholvorgang abzuschließen, beschließt er zum Abdrängen überzugehen, was mir erst richtig auffällt, als ich schon fast an der Wand klebe, sonst hätte ich ja bremsen können und mir in die Hacken laufen lassen. Mir entfährt ein klitzekleines, aber durchaus genervtes "Hee!!!", worauf hin dieser alte Mann tatsächlich kopfschüttelnd murmelte "keinen Respekt vorm Alter mehr."
Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich auch nicht einsehe jemanden die Füße zu lecken, nur weil er seit 10 Jahren keiner Arbeit mehr nachgehen muss. Warum sollte uns das Erreichen und Überschreiten eines bestimmten Geburtstages dazu befähigen mehr Wert zu sein als andere? Ich versuche jedem Menschen Respekt entgegen zu bringen, sofern er mich auch mit einer gewissen Achtung behandelt und ich finde, dass diese Achtung den heutigen Alten manchmal fehlt: Sie pöbeln permanent gegen die Jugend, nehmen keinerlei Rücksicht und sind derartig engstirnig, dass sie den Respekt, den man ihnen entgegen bringt, gar nicht wahrnehmen oder gar als Beleidigung empfinden.
Jemand ist mehr Wert, weil er schon so viel geleistet hat? Ist nicht jemand, der noch jung ist, dass er noch 3 Mal so viel leisten kann, nicht von denen, die ihre Leistung schon gebracht haben, mindestens genauso zu respektieren und in seinen Bedürfnissen zu unterstützen, damit er überhaupt dazu befähigt ist, seine Leistung zu erbringen?
Und ist es nicht so das wir nur lernen können, was wir beobachten können? Wenn keiner von den Alten zeigt, wie Respekt funktioniert, wie sollen es die Jungen dann können???

Mittwoch, 29. Juli 2009

Von Badehosen und anderen Dummheiten

Ich wurde heute darum gebeten zu entscheiden, welche Badehose mein Radiomoderator mit in den Urlaub nehmen sollte. Naja, nicht wirklich ich persönlich sollte entscheiden, sondern vielmehr die Masse aller Hörer sollte entscheiden. Trotzdem hat mich das im höchsten Maße beschäftigt: Einerseits fragte ich mich wie blöd eine Gesellschaft oder besser eine bestimmte Generation dieser Gesellschaft, denn Radiosender sind ja stark generationslastig, sein muss, um von so etwas angesprochen zu werden. Andererseits konnte ich es nicht lassen mir die Auswahl online anzuschauen und war dann wiederum überfordert, denn ich fand alle hässlich und konnte mich nicht entscheiden. Die Tatsache, dass ich mich entscheiden wollte, machte mir dann aber wieder sehr deutlich, dass ich eindeutig zu den Dummen gehöre, über die es tausend gute Gründe gäbe sich aufzuregen und tausend schlechte (das sind die, auf die unsere Eltern kommen, wenn sie sich aufregen). Aber dank dieser kollektiven Dummheit, ist es mir auch nicht peinlich, machen wir doch alle nichts anderes.
Warum kann ein Radiosender Hörer damit beeindrucken eine Badehosenauswahl zu treffen? Weil wir uns gern vor wirklich wichtigen Entscheidungen drücken mit der vermeintlichen Ausrede, wir müssten ja so viel entscheiden und wir hätten ja auch schon so viel entschieden, dass das Wichtige ja noch ein wenig warten kann. Außerdem sind Entscheidungen für andere Leute sowieso viel leichter zu treffen als eigene. Deswegen gehen Frauen auch gern zu zweit einkaufen: Die eine entscheidet, was der anderen steht, ob es zu teuer ist oder zu freizügig oder der Gelegenheit (un)angemessen und natürlich anders herum. Wenn wir dann zu Hause bereuen, was wir eingekauft haben, haben wir immer noch jemanden, dem wir die Schuld in die Schuhe schieben können, was wir natürlich nicht tun, weil wir nicht bereuen, aber wir könnten...

Aber um noch einmal abschließend deutlich zu machen, warum ich unsere Generation für dumm halte, möchte ich mit einer Schlagzeile aus den Nachrichten des gleichen Radiosenders schließen: "Die zunehmende Kinderlosigkeit trägt die Schuld an den geringen Geburtenzahlen der letzten Jahre."
Mir ist zwar mittlerweile klar geworden, was der Satz eigentlich meint, aber ich finde trotzdem, dass man bei dieser Formulierung folgenden Satz in die Nachrichten aufnehmen sollte: "Wenn ich nichts mehr esse, werde ich verhungern."

Freitag, 22. Mai 2009

Vom Alkohol und anderem Pöbel

Gestern betrieb ich eine kleine Feldforschung und daraus entstand mein Tag der Erkenntnis: Ich habe jetzt endlich verstanden, warum wir Jugendlichen bei der älteren Bevölkerung so einen schlechten Ruf haben und dass dieser Ruf auch noch gerechtfertigt ist, wenn auch nicht allgemeingültig.
Ich habe mir gestern einen schönen freien Tag gemacht und spazierte an der Elbe entlang und diverse Gruppen feierten ihre ausgesprochen durstige Männlichkeit. Das ist ja auch ok, wenn es auch jeder Logik entbehrt, sich nur deswegen hemmungslos zu betrinken, weil es im Kalender steht.
Aber worauf ich eigentlich hinauswollte ist, dass man einen klaren Unterschied innerhalb dieser männlichen Feiermeute feststellen konnte. So waren die 40er und 50er Männer sehr betrunken, aber höflich, sie machten für Frauen Platz oder versuchten es zumindest, sie boten großzügig ihre Grillwürstchen und Schirme an, stellten sich freiwillig in den Seitenwind, der den Regen schräg durch die Gegen wehte, damit die dahinterstehenden Mädels trocken blieben an.
Die End- 20er und die 30er waren betrunkener als die alten Herrschaften, brannten den Grill komplett an, aber sie verbrachten ihre Zeit mit harmlosen Ballspielen und luden auch Umstehende und Vorbeikommenende höfflich dazu ein, andere dieser Altersgruppe boten sogar alten Frauen an, sie sicher die Treppe hochzugeleiten, was aufgrund des Alkoholspiegels keine gute Idee schien und die Oma auch dankend ablehnte. Aber immerhin haben sie ihre Manieren nicht verloren, egal wie unsinnig sie in der Situation waren.
Aber die 16 bis 19 jährigen und Anfang- 20er haben in ihren Alkoholrausch nicht nur jegliche Körperbeherrschung, sondern auch alle Umgangsformen verloren. Sie schreien Obzsönitäten, pöbeln Ausländer und Frauen an, versetzten einen ganzen Bus in Angst und Schrecken, sind bis unter die Zähne bewaffnet und können dank des Alkohols nicht mehr kontrollieren, was sie damit machen. Die dazugehörigen betrunkenen Mädels feuerten ihre Jungs fleißig an oder stachelten sie zu noch mehr Aggressionen an, mit Sätzen wie: "Eh der Opa da drüben guckt dich/mich ganz blöd an, zeig dem mal, wo der Hammer hängt."
Man kann dieses Verhalten auf den überhöhten Alkoholkonsum schieben, da stellt sich dann aber die Frage, ob man so viel trinken muss, dass man komplett außer Kontrolle gerät oder ob man nicht schon aufhören kann, wenn man einfach nur ein wohliges Gefühl im Kopf hat und lustig drauf ist.
Aber ich glaube, dass der Alkohol nur als Ausrede benutzt wird, denn als sie ihre Sachen gepackt haben, waren sie sicher noch fast nüchtern, warum nimmt man dann Messer mit? Außerdem denkt man sich solche Pöbeleien und ekeligen Kommentare in diesem Zustand nicht mehr aus, d. h. sie liegen den Leuten auch nüchtern auf den Lippen, sie trauen sich nur nicht sie auszusprechen.
Wie kommt jetzt der schlechte Ruf der ganzen Jugend zustande, wo doch nur in einer solchen Ausnahmesituation wie dem Feiertag des Saufens ein solches Verhalten zu Tage tritt? Weil die älteren Leute uns an anderen Tagen gar nicht sehen, wir gehen morgens vor dem Erwachen der
Rentner aus dem Haus und kehren abends zurück, wenn sie schon vor ihren vorabendlichen Lieblingsserien sitzen. Aber an diesen Feiertagen müssen ja auch die Rentner einen Sonntagsausflug machen, die haben ja sonst auch immer so viel zu tun und außerdem laufen ja die Lieblingsserien nicht und an anderen Tagen trifft man ja auch keine Leute. Also passiert es das sehr viele Alte sehr viele ausgelassen feiernde Junge sehen, die sonst nicht wahrgenommen werden, wenn sie brav hinter ihren Heften in der Bahn sitzen.
Aber trotz dieser Wahrnehmungsverzerrung ist es erstaunlich, wie viel Wahrheit in unserem Ruf steckt und wie peinlich, unmöglich und ekelhaft sich manche Jugendlichen in der Öffentlichkeit benehmen können.