Mittwoch, 8. September 2010

Von Missverständnissen und anderen Gesprächen

Völlig fasziniert von einer Liebeskomödie am Dienstagabend wollte ich mich eigentlich dazu hinreißen lassen, darüber zu schreiben, dass Männer und Frauen nicht zusammenpassen, weil sie auf verschiedenen Ebenen kommunizieren. Aber bei längerem Nachdenken erkannte ich, dass Menschen generell nicht zusammenpassen, weil jeder auf einer eigenen Ebene kommuniziert. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Missverständnisse vorprogrammiert sind. Eine These der Kommunikationspsychologie geht davon aus, dass es einen Sender und einen Empfänger gibt und dass der Sender einen Code benutzt, den der Empfänger kennen muss, um den Inhalt der Nachricht verstehen zu können. Als Code wird hierbei meist "Sprache" verstanden, möglichst die gleiche Sprache. Aber wenn man Gespräche beobachtet kommt man zu dem Schluss, dass viele Menschen vielleicht eine ähnliche Sprache sprechen, doch nie wirklich die gleiche.
Man hat seinen Standpunkt und diesen muss man nicht erklären können, denn man kennt ihn und denkt, jeder andere der das gleiche Wort wie man selbst für etwas benutzt, meint auch den gleichen Inhalt damit. Beim Erlernen einer Fremdsprache lernen wir solche Missverständnisse als "False Friends" (falsche Freunde) kennen. Aber dass sie uns permanent in unserer eigenen Sprache begegnen, sagt uns niemand.
Erschwerend hinzukommt, dass wir selten mimisch, gestisch und verbal das Gleiche sagen, wir widersprechen uns schon in innerhalb unserer Aussage, weil wir entweder nicht 100-prozentig hinter dem stehen, was wir sagen, weil wir unsere wahre Ansicht nicht wirklich kennen oder weil wir uns schützen wollen, indem wir noch etwas darstellen, was gar nicht dazu gehört. Wenn wir uns aber gar nicht mit uns selbst einig sind, was wir eigentlich sagen wollen, wie soll dann unser Gegenüber wissen, was wir mit den Worten, die wir sagen oder den Gesten die wir aussenden, wirklich meinen?
Eine weitere These behauptet, dass jeder Satz von uns 4 Aussagen enthält, die vom Empfänger noch als 4 weitere Aussagen verstanden werden können, wobei die Sachebenen von Sender und Empfänger meist fast gleich sind, sodass man sagen könnte, dass jeder Satz von uns 7 Aussagen beinhalten kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass 2 Gesprächspartner nach je 10 Sätzen noch über das Gleiche reden, ist minimal.
Aber die Menschheit hat sich mehr oder minder damit arrangiert, sich nicht zu verstehen. Ich bin mir nicht sicher, ob in der Tierwelt derartig viele Missverständnisse innerhalb einer Rasse nicht zum Aussterben dieser führen würden, aber der Mensch beweist ja in dieser Hinsicht sowieso eine besondere Zähigkeit.
Wenn wir also zu den reflektierteren Zeitgenossen gehören, wissen wir, dass nur, weil 2 Menschen das Gleiche sagen, noch nicht dasselbe meinen müssen. Wir beginnen also dieses Wissen in unserer Gesprächen zu berücksichtigen und versuchen so viel wie möglich deutlich zu erklären, wenn unser Gegenüber dies auch tut, könnte es ein gelungenes Gespräch werden.
Aber möglicherweise stehen wir dann vor einem anderen Problem. Es gibt einfach verschiedene Stile wie Menschen kommunizieren und manche passen einfach nicht zusammen. Dann muss man sich einander annähern. Sollte dieser Prozess jedoch einseitig verlaufen kommt es zu riesigen Problemen.
Mir sind 2 besonders unproduktive Wege aufgefallen (wobei es sicher noch viele weitere gibt):

1: X kopiert plötzlich die Art von Y zu kommunizieren, benutzt die gleichen Floskeln, Betonungen und Gesten, obwohl auffällt, dass dieses Verhalten nicht zu ihm passt. Y spürt, dass X sich anders verhalten will und bei seinen Versuchen X wieder zu seinem gewohnten Verhalten zu bringen entsteht bei Y Wut und Verzweiflung, weil X sich immer mehr in unwirkliches Verhalten stürzt und außerdem erkennt Y, dass sein Verhalten kopiert wird und fühlt sich nicht ernst genommen, bloßgestellt oder gar lächerlich gemacht.

2: X erkennt, wie er sich Y gegenüber verhalten muss, um Y dazu zu bringen, Dinge von sich preiszugeben, behält aber für ihn betreffende Gespräche sein gewohntes Verhalten bei. Y erkennt die Veränderung bei X und nimmt an, dass diese sich auf jede Art von Gespräch beziehen und wird immer wieder frustriert, weil er an Gesprächen mit X über X wieder und wieder scheitert, fühlt sich aber nicht in der Lage, das für X angenehmere Verhalten zu zeigen, weil er es selbst schrecklich finden würde, wenn man so mit ihm kommunizieren würde.

Obwohl die Beispiele überspitzt sind, finden wir sie unseren Gesprächen immer wieder ähnlich vor. Besonders auf Partys ärgern wir uns oft über Gespräche und wissen eigentlich nicht so recht warum, denn den Inhalt fanden wir eigentlich inspirierend. Man macht sich selten klar, warum man mit einem Menschen nicht gut zurecht kommt, den alle anderen für wahnsinnig sympathisch halten, aber meist liegt es daran, dass man keine Form der Kommunikation gefunden hat mit der beide gut zurecht kommen. Egal, wieviel Mühe wir uns geben, es wird Menschen geben mit denen wir nicht wirklich reden können, bei manchen scheitert es am Inhalt bei manchen an der Form bei anderen an beidem. Aber wir können versuchen bei Gesprächen, die uns wichtig sind, bewusster zu kommunizieren um Missverständnisse zu vermeiden.
Wenn wir wirklich wissen wollen, was uns der andere zu sagen hat, werden wir es auch irgendwann erfahren und manchmal ist es dafür wichtig über unseren Schatten zu springen und einander entgegen zu kommen.