Mittwoch, 30. Dezember 2009

Es war einmal... 2009

Zwischen dem großen Fressen und dem großen Knallen ist es Zeit zurückzublicken auf ein Jahr, in dem jeder seine Schwerpunkte anders setzte. Bei einigen Menschen in meinem Umfeld, lag der Schwerpunkt auf Neuanfängen, Experimenten und Erfahrungsgewinnung. Bei anderen Menschen ging es dieses Jahr um Stabilisierug, Konsolidierung und Wiederaufnahme. Aber mir scheint für viele war es ein Jahr des Verlustes und des Abschieds. Wir mussten uns beispielsweise von der guten alten Glühbirne verabschieden, obwohl die Wirksamkeit unseres neuen Gefährten von einem Großteil der Wissenschaft bezweifelt wird. Ich kenne viele Menschen, die dieses Jahr einen nahestehenden Menschen verloren haben, sei es durch Trennung oder Tod. Es war auch ein Jahr in dem sehr öffentlich gestorben wurde, beziehungsweise zog der Tod vieler Prominenter die Öffentlichkeit in einen fast unerhörten Bann.
Aber das ganze Jahr war vom Zurückschauen geprägt, es wurde nicht nur auf die Leben von Swayze, Jackson und Enke, um nur einige zu nennen, zurückgeblickt, sondern auch auf ein vergangenes Jahrzehnt, auch ich habe mich dem schon hingegeben. Es wurde auch auf große und kleinere Momente in der Geschichte zurückgeblickt, denn es war auch ein Jahr der Jubiläen:

• Bundesrepublik, 60 Jahre
• Sandmännchen, 50 Jahre
• Billyregal, 30 Jahre
• Privatfernsehen, 25 Jahre
• Mauerfall, 20 Jahre

Das waren die Jubiläen, die es in mein Bewusstsein geschafft haben. Aber wenn man ein ganzes Jahr nur mit Zurückschauen beschäftigt ist, hat das Jahr gar keine Zeit eigene Geschichte zu schreiben oder die Menschen haben gar keine Zeit diese Geschichte zu würdigen.
Aber dafür wird ja am Ende des Jahres in allen Medien das Jahr noch einmal wiederholt, damit man auch nichts vergisst. Die Frage ist: Wäre es nicht besser das ein oder andere einfach zu vergessen? Wären ohne die Medien einige Probleme eigentlich überhaupt Probleme geworden?
Lasst uns 25 Jahre "unabhängige" Medien feiern.

So klafften auch in meiner Erinnerung große Lücke über das vergangene Jahr bis ich zur Vorbereitung des Posts 2-3 Jahresrückblicke schaute und hätte ich nicht mitgeschrieben würden diese Lücke schon wieder klaffen und ich habe beschlossen diese Lücken auch Lücken sein zu lassen. Mir fiel beim Schauen nur eine Sache auf: Jeden Monat war irgendwas mit einem Autokonzern, den jeder wollte, aber sich keiner leisten konnte.
An die Geburt unseres ersten Helden des Jahres im Januar kann ich mich auch nur erinnern, weil es meinen Wortschatz um ein unglaubliches Wort erweiterte: Notwasserung.
Im Januar war doch auch die Vereidigung dessen, der seinen Heldenstatus zumindest in seiner Heimat schon fast verloren hat, oder?
Im Februar war ich eine Woche im Urlaub ohne Medienzugang: Pressefreiheit mal anders.
Wir feiern 25 Jahre "freie" Medien.

Im März begann ich mein persönliches Abenteuer Bloggen und alles, was mir persönlich im folgenden Erwähnenswert erschien, kann jeder nachlesen.
Im Juni gingen die Studentenproteste in die erste Runde und gut geplante Aktionen stießen damals noch auf breite Unterstützung und kleine Erfolge. Über die Leichen des Monats möchte ich nicht schreiben, weil es zum einen schon überall getan wurde und weil mir zum anderen der persönliche Bezug fehlt.
Dann kam das Sommerloch und danach die Wahl ohne Wahlkampf, weil dieser dem politischen Sommerurlaub weichen musste. Warum müssen diese Wahlen auch immer an einem strategisch so ungünstigen Termin im Spätsommer/Frühherbst stattfinden, wo unsere Politiker doch gerade so entspannt aus dem Urlaub kommen? Auch zur Wahl ist damit eigentlich schon alles gesagt.
Mitten in diesem Sommerloch bestätigte aber auch noch ein sowieso schon unbeliebtes Bundesland bei Landtagswahlen seine Gesinnung und wenn man jetzt fragt, will es keiner gewesen sein und keiner kann sich erklären, wie das schon wieder passieren konnte.
In der dunklen Jahreszeit (diese fängt, meiner Erfahrung nach, schon im Herbst an) sollte die Hochphase dieser neuen uns alle dahinraffenden Grippe kommen und es kam... das öffentliche Interesse an einer ganz anderen Krankheit, die sich eigentlich lieber ins Privatleben zurückzieht: Depression.
Wir feiern 25 Jahre "investigative" Medien.

Kurz vor Ende des Jahres weckt ein alter Bekannter wieder Urängste, der Terrorismus ist zurück im Westen. Sein Ziel? Angst schüren! Dabei hatte er Erfolg, vielleicht will auch jemand anders Angst schüren und benutzt ein etabliertes Wort, wer weiß?
Was bleibt dann noch für nächstes Jahr? Wir bekommen ein Comeback versprochen, das dieses Jahr schon in etwas anderer Form stattfinden sollte. Ansonsten erwarten wir die üblichen Katastrophen und freudigen Ereignisse. Alles was bleibt ist: abwarten.

Bis dahin einen fröhlichen Jahreswechsel.

Samstag, 26. Dezember 2009

Vom Loslassen und anderen Modeerscheinungen

Immer häufiger hört man in seinem Bekanntenkreise diese Geschichten. Von anderen Bekannten, Verwandten, oder über-drei-Ecken-bekannten-Irgendwers. Diese Geschichten werden stets mit enem Ausdruck der Verzückung erzählt. Hochgezogene Mundwinkel, erregte Stimme, leuchtende Augen, ausladende Gestik. Und hier ist eine dieser Geschichten:
"Die Schwester von einem Freund von mir hat mit dreiundzwanzig einen schweren Autounfall gehabt. Es war wirklich nur ganz knapp, dass sie den überlebt hat. Und eigentlich hatten die Ärzte gesagt, sie würde ihren linken Arm nie wieder bewegen können. Aber ein Glück lagen sie falsch. Da hat sie gemerkt, wie kostbar das Leben ist, und sich gedacht, wie wenig sie doch bis jetzt daraus gemacht hat. Da hat sie alles umgekrempelt, ihre Familie hinter sich gelassen, ihre Siebensachen gepackt und ist losgefahren. Sie hat ganz Italien zu Fuß durchwandert, um dann in Indien eine kleine Wohnung zu mieten und da bei einem Straßenguru Yoga zu lernen. Dann ist sie nach Russland gefahren....", naja, und so weiter. Ein einschneidendes Erlebnis, gefolgt von neuer Lebendigkeit, dem Willen, so richtig zu leben und alles auszuprobieren und der Entschlossenheit, nur noch das zu tun, was einem selber guttut.

Wir Normalbürger hören und erzählen solche Geschichten voller Bewunderung. Staunen über den Mut und die Entschlossenheit, die hinter solchen Entscheidungen stecken. Sind vor allen Dingen neidisch, dass es jemand schafft, ohne zu zögern seinem eigenen Herzen zu folgen, während wir in unserem Alltag - Arbeit, Familie, Schlafen, Essen, und wieder Arbeit - feststecken. Während für uns jede kleine Neuerung (die Umstellung von harten auf mittelharte Zahnbürsten. Dreimal im Monat Joggengehen. Filme mit Anspruch gucken, statt Twilight und Ein Chef zum Verlieben.) ein täglicher Kampf ist. Während wir sogar darum ringen müssen, überhaupt zu erkennen, was wir wollen.
Diese Bewunderung des Loslassens alles Materiellen und Bekannten, der Sturz kopfüber ins Neue, Aufregende und Erträumte - sie ist zu einem Massenphänomen geworden.
Welch ein Paradoxon, schreien doch die Medien laut über eine Rückkehr der traditionellen Werte Familie, Treue, Geld und Karriere. Und gleichzeitig boomen Individualselbstverwirklichungsdokumentationswerke a la "Ich bin dann mal weg" von H. Kerkeling.
Wir sind schon eine komische Bevölkerung. Was wollen wir eigentlich? Konstanz, Loyalität, feste Freunde und die stetige Präsenz der Zuneigung und Bewunderung unserer Mitmenschen? Oder Abenteuer, ständig Neues lernen, Selbstverwirklichung im Alleingang und in stetiger Bewegung ganz werden?

Dienstag, 15. Dezember 2009

nichts passiert oder von Erinnerung und anderen Retrospektiven

Es scheint mir noch zu früh in diesem Jahr um einen Jahresrückblick zu schreiben, obwohl sowohl die Printmedien als auch die Flimmermedien voll davon sind. Aber ein zweiter Rückblick ist in den letzten Tagen sehr beliebt: Der Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt: 10 Jahre Nullen.
Ich finde diese objektive Beschreibung der Erscheinung der Jahreszahlen von 2000 bis 2009 -10 Jahre Nullen- sagt auch eine Menge über den Inhalt des sich neigenden Jahrzehnts.
Es gibt nur 2 Ereignisse, die ich unweigerlich mit den letzten 10 Jahren in Verbindung bringe: Das Ankommen des "islamistischen" Terrorismus in der westlichen Welt und die offizielle Euro-Einführung, wobei die Euro- Einführung als Buchwährung bereits 1999 war und ab da auch schon geprägt wurde und damit noch nicht einmal ihre Geburtsstunde in den 2000ern hat.
Wenn ich über weitere Großereignisse berichten sollte, müsste ich nachdenken. Ich erinnere mich noch dunkel an den Tsunamie und dass wir (gemeint: die BRD) die ein oder andere kriegerische Auseinandersetzung im Nahen Osten unterstützt haben. Desweiteren begann bereits 2008 eine Weltwirtschaftskrise, die heute von einigen Finanzexperten als finanzielle Nahtoderfahrung beschrieben wird. Bei dieser Nahtoderfahrung fragen sich aber einige Wenige, ob nicht doch alles ein großer Schwindel war und man sich so ein paar unliebsamer Probleme entledigen konnte oder Unternehmensschulden zu Staatsschulden machen konnte. Reale Auswirkungen dieser Krise haben nicht-an-der-Börse-spekulierende Ottonormalverbraucher erst in den letzten Monaten realisiert, als doch das ein oder andere Großunternehmen das Handtuch hin- und die Mitarbeiter herauswarf. Aber bei Krisenskeptikern und Verschwörungstheoretikern hält sich vehement das Gerücht, diese Firmen waren auch so am Ende.
Desweiteren gilt die letzten 10 Jahre als Retro- Jahrzehnt, die merkwürdigen Kleidermacken aller Jahrzehnte kamen geballt und zeitweise neu kombiniert zurück.
Ach, und dann war da auch noch die Fußball-WM in Deutschland und man hat sich bemüht "Freunde" zu werden mit der Welt, eine gute Gelegenheit das angekratzte Gastgeberimage aufzupolieren, mit mäßigem Erfolg. Wir sind einfach keine Feiernation und wenn man sich dann als junger Deutscher mit "Du bist Deutschland"- Kampagnen identifizieren soll, bei denen man die ganze Zeit mit toten Dichtern und Denkern verglichen wird, kommt auch keine richtige Feierstimmung auf: "Goethe ist tot, Goethe ist Deutschland, DU bist Deutschland, du bist tot, Deutschland ist tot."
Da enden sie auch schon: die weltbewegenden Ereignisse, die in meinem Bewusstsein hängen geblieben sind. Aber vielleicht bin ich auch nur ignorant und/oder mir sind viele Ereignisse einfach nicht in ihrer bedeutungstragenden Rolle deutlich geworden.
Aber vielleicht wesentlicher als das große Ganze sind die persönliche Erfahrungen mit dem letzte Jahrzehnt. Diese sind im aber eigentlich auch nicht so rosig. Es war die vielleicht schwierigste Zeit in meinem Leben, der Weg von einem naiven, sensiblen Kind, das die Welt in bunten und schillernden Farben sieht, zu einer jungen Erwachsenen, die Negativität und Schwärze der Welt erkennt und mit realitätsnahen Zynismus das beste daraus zu machen versucht.
Jeder, der es erlebt hat, kennt die Probleme der Pubertät und die verzweifelten Versuche die Eltern zu erziehen, aber im Großen und Ganzen waren keine dieser Erfahrungen an das Jahrzehnt gebunden -schade, dass ich leider kein Flowerpowerkind werden konnte, weil die Jugend von heute zu auf- oder abgeklärt für eine Retrovariante von Love and Peace ist.
Auch der Schritt aus den verkrusteten Strukturen in die Moderne ist mir gelungen, aber nicht durch bereichernde Erfindungen des Jahrzehnts, sondern durch Landflucht und ein neues Leben in der Großstadt in der man für DSL nicht auf den Kirchturm klettern muss, wenn überhaupt.
Aber Erfindungen ist ein gutes Stichwort. Hatten wir welche in den letzten Jahren? Neue Möglichkeiten Musik innerhalb der Ohren abzuspielen, aber dafür gab es in den 80ern den Walkman und in den 90ern den Diskman, also nur eine Weiterentwicklung. Ein Auto in das eigentlich nur 2 Leute reinpassen jetzt für 4 Leute, auch nichts wirklich Neues. In der Kommunikations- und IT- Branche findet sich die ein oder andere Neuheit, aber da ist der jungen Generation gar nicht mehr klar, dass Ende der 90er die Handys der meisten Leute noch gelb waren und am Straßenrand standen und nur privilegierte Menschen eine tragbare Telefonzelle besaßen und man in der Zeit des Ladens einer Website den Wochenabwasch machen konnte, beschreibt Entwicklung diese Phenomene besser als Erfindung. Auch social networking scheint eine Erfindung der letzten Jahre. Obwohl es früher wahrscheinlich besser funktionierte, als man die Leute noch von Angesicht zu Angesicht kannte und nur den Begriff dafür noch nicht.
So ist das eben mit dem "time ghost" oder wie die Engländer zu sagen pflegen: "zeitgeist"

Samstag, 12. Dezember 2009

Von glamourösen Weihnachten und anderen Illusionen

Jedes Jahr sagen wir um diese Zeit doch wieder: Das ging aber schnell vorbei. Merkwürdig, dass jedes Jahr die subjektive Wahrnehmung am Jahresende vorgaugelt, dass 365 Tage diesmal noch weniger waren als letztes Jahr. Ein Tag ist auch nicht mehr das, was er mal war. Wir haben das Gefühl, dass uns Weihnachten einfach ohne Vorwarnung überfällt oder überrennt. Wir glauben im Nachhinein, dass in unserer Kindheit die Zeit zwischen den Weihnachten eine halbe Ewigkeit waren, aber ich glaube, dass das nur in unseren Erinnerungen so ist und wir damals schon nur von einem Konsumfest zum nächsten hetzten, es war nur nicht so stressig, weil kleine Kinder ihren Eltern nur ein Bild zum Geburtstag malen müssen und sich nicht stundenlang Gedanken über ein angemessenes Geschenk zu machen. An Ostern und Weihnachten haben wir einfach so lange wie möglich behauptet an Osterhase und Weihnachtsmann zu glauben um uns eine Menge Zeit zu ersparen. Wir hatten damals einfach ein besseres Zeitmanagement. Aber wenn ich dieses Jahr an Weihnachten vor meiner Nichte stehe und ihr erzähle, dass ich nichts für sie habe, weil die Geschenke ja der Weihnachtsmann bringt, sorgt sie dafür, dass ihre Eltern mich in eine psychiatrische Einrichtung einweisen lassen, aber sie selbst muss niemandem Geschenke machen, das ist ja Sache des Weihnachtsmannes. Ach, für Kinder ist die Welt noch einfach.
Es rückt immer näher, das Fest der roten Männer. Ich habe mir dieses Jahr auch ein wenig meiner kindlichen Bescheidenheit zurückerobert und die Liste der von mir Beschenkten stark reduziert. Ich mache gern Geschenke, aber Weihnachtsgeschenke sind so unpersönlich geworden. Die ein oder andere kleine Freude über das Jahr verteilt und ein individuelles Geburtstagsgeschenk haben doch eine viel längerfristige Wirkung, als ein hektisch besorgtes Geschenk zu einem Fest, bei dem es zum guten Ton gehört, sich zu beschenken. Man schenkt also praktisch nur noch,weil man schenken muss.
Man könnte sich jetzt auch seitenlang darüber auslassen, das wir die wahre Bedeutung von Weihnachten aus den Augen verloren haben. Aber das wird genug an anderer Stelle getan. Des weiteren ist doch die Bedeutung eines Festes daran zu messen, was die Gesellschaft von diesem Tag hält und was sie tut. Denn Bedeutung meint doch: Welchen Wert hat etwas für mich und wie setze ich diesen Wert um? Dann misst sich die Bedeutung von Weihnachten an der Anzahl von verspeisten Gänsen, getrunkenen Glühweinbechern, verteilten Geschenken und fabrizierten Familienstreitigkeiten. Man spricht gelegentlich auch von Weihnachten als das Fest der Liebe, aber es ist mehr ein Fest der Illusion der Liebe. Man wünscht sich ein Mal im Jahr Frieden und Freude, aber man erntet eigentlich nur Streit. Dies kommt vor allem dadurch zu stande, dass wir versuchen diese Liebe auf rationalen Wegen zu erreichen. Wir geben uns Mühe, besonders freundlich zu sein, keine falschen Worte zu gebrauchen, aber durch unsere Anspannung, passiert genau das: Wir sagen etwas falsches oder unsere Anspannung wandelt sich in Gereiztheit und wir fühlen uns von den anderen nicht gut genug behandelt, wo wir uns doch so viel Mühe geben. Aber diese wachsende Gereiztheit nimmt den Raum für echte Freundlichkeit, Gemeinschaft und Zärtlichkeit. Da geht es dahin, das Fest der Liebe.
Wenn wir nun wissen, dass Weihnachten nicht das Fest der Liebe ist, was ist es dann? Ich denke als ein Fest kann man Weihnachten definitiv definieren: als ein Familienfest. Vielleicht das letzte übrig gebliebene Familienfest in einer individualistischen Gesellschaft wie der unseren. Familienfest heißt ja nicht zwangsläufig harmonisches Fest und schließt deswegen ein Fest der mangelnden Liebe nicht aus. Aber man kann Weihnachten nur bei seiner Familie verbringen, weil alle anderen auch bei ihrer Familie sind. Es gibt auch keine Begründung, die eine Familie zulassen würde, mit der man den Fest der Feste entziehen könnte.
Ab einem gewissen Alter kommt dann die „Schwiegerfamilie“ dazu und noch ein wenig später ist es die eigene Familie, die man an Weihnachten zusammen zuhalten versucht und dafür auch die eigenen Eltern unter den ersten sebstgekauften Weihnachtsbaum setzt und die kommen zu der unweigerlichen Erkenntnis, dass sie alt geworden sind.
Jeder versucht irgendwann gegen Weihnachten aufzubegehren, es für sich persönlich zu reformieren, aber es ändert sich nur die äußere Erscheinung und bleibt irgendwie immer ein Familienfest.
Man wirft Weihnachten seit Jahren vor immer „amerikanischer“ zu werden und auch die diesjährige Weihnachtsreform legt diesen Schluss nahe: Weihnachten wird dieses Jahr ein Glitzer- und Glamourfest, zumindest wenn man in die Dekoläden schaut. Zwischen in Glitter getauchten Kugeln findet man Glitzerelche und schimmernden Kunstschnee. Die Frauen müssen sich dieses Jahr etwas einfallen lassen, wenn sie mit dem Baum um die Wette glitzern möchten. Aber vielleicht sollten wir dieses Jahr die Rolle des Baumes übernehmen und mit natürlicher Schönheit glänzen.

Dienstag, 8. Dezember 2009

Von Angelido und anderen Chaoten

"Vergiss Brangelina, wir haben Angelido!"
Das ist die ultimative Wortneuschöpfung zum Regierungswechsel. Das Wort ist so bescheuert, dass es schon wieder genial ist und ich habe mich furchtbar geärgert, dass es nicht von mir ist.
Aber ich glaube ja auch noch nicht, dass sich unser neuer Außenminister über die gesammte Legislaturperiode halten kann. Wer weiß wie sich dann das Ministerkarusell weiterdreht und welche Wortschöpfung wir dann brauchen. Vielleicht: Ursangela von der Leykel. Diese Frau scheint ja noch zu Höherem zu streben auf der Politischen Bühne. Wir bleiben gespannt, oder auch nicht.
Ein anderes Thema, das wahrscheinlich wesentlich mehr mit Politik zu tun hat als unsere aktuelle Bundesregierung, ist doch viel spannender: Was passiert in der linken Szene? Wo führt das, was dort passiert, Deutschland hin? Sprechen wir bald von einer neuen außerparlamentarischen Opposition oder gar einer neuen RAF.
Politisch motivierter Vandalismus schlägt langsam in organisierten Terrorismus um. Linksautonome Gewalt nimmt zu, besonders gegenüber der Polizei. Ich fühle mich zurückversetzt in eine Zeit, die ich neulich inszeniert in einem nichtdokumentarischen Spielfilm mit historisch begründeten Tatsachen gesehen habe: die frühen 1970er.
In den öffentlich rechtlichen Sendern hört man vermehrt von "Idioten und Chaoten, die nur zerstören wollen."
Fragt man in der Szene, so hört man, die steigende Gewaltbereitschaft innerhalb der Linksautonomen sei eine Reaktion auf eine immer stärker im Faschismus gefesselten Gesellschaft.
Anmerkung der Autorin: Ich hatte den Eindruck, dass zum Ende des Jahrzehnts die rechten Ansichten in der Gesellschaft wieder abnehmen. Aber dies ist nur ein persönlicher Eindruck.
Vielleicht ist die neue Jugend nur aus der Interessenlosigkeit am Zeitgeschehen erwacht, die der meinen Generation vorangegangenen Generation noch nachgesagt wurde und aus diesem Interesse musste ein Feindbild entwachsen, denn ohne Feind, keinen Grund zu Partizipation.
Der alte Feind "Faschismus" ist ein guter Feind, denn es ist gemein hin bekannt, dass dieser in all den Jahren in der deutschen Gesellschaft ein warmes Zuhause gefunden hat, wenn auch meist nur hinter verschlossenen Türen und vorgehaltenen Händen.
Es ist sicher zu einfach der Argumentation der Alten zu folgen und von blinder Zerstörungswut, Idioten und Chaoten zu sprechen, auch wenn es in breiten Teilen der Gesellschaft Anklang findet und Sie werden auch zuerst an Idioten glauben, wenn Ihr Auto brennt, doch es wird dem was da passiert nicht gerecht, vorallem aber wird es unserer Gesellschaft und Politik nicht gerecht, die die Jugend erst dazu gebracht hat sich zu vermummen und mit Steinen zu werfen und Lagerfeuer aus Personenkraftwagen herzustellen.
Aber diesem ganzen Geschehen, dessen Ausmaß in den letzten Monaten wuchs, allein eine wichtige politische Botschaft zu unterstellen, ist meiner Meinung nach auch absolut falsch. Dafür sind die Handlungen zu unorganisiert und vor allem meist nicht mit der Botschaft zu vereinen, die sie vertreten sollen. Wenn man beispielsweise gegen die immer weiter auseinanderklaffende soziale Schere protestieren will und dafür die immer reicher werdenden Reichen verantwortlich macht, sollte man keine preisgünstigen Kleinwagen anzünden, was des öfteren geschehen ist.
Was nicht heißt, dass es gutzuheißen ist Oberklassewagen anzuzünden, aber das wäre wenigstens konsistent zur Botschaft.
Warum auch immer die Gewaltbereitschaft zunimmt, ist interessant zu beobachten, dass auch diesmal wieder Studentenproteste, die eigentlich ganz andere Ziele, als die Abschaffung des Staates und des Wirtschaftssystems haben -zumindest in der breiten Masse- für die linke Propaganda instrumentalisiert werden. Deshalb distanzieren sich immer mehr Studenten von den Protesten und den Besetzungen der Unigebäude, was aber dem eigentlich Ziel der Studentenproteste, nämlich bessere Studienbedingungen und Reformierung des Bachelorsystems eher von Nachteil ist, denn um diese Forderungen durchzusetzen, braucht es die breite Rückendeckung der Studenten, denn sonst wird die Notwenigkeit dieser Maßnahmen nicht gesehen.
Aber man kann sich doch auf keine Demo trauen, bei der man fürchten muss, am Ende brennen Autos und die Polizei treibt einen mit dem Gummiknüppel durch die Stadt, weil 3 bis 5 Kollegen von den Jungs schwer verletzt worden.
Ist Studentenprotest auch ohne Linksradikal möglich oder heißt gemäßigt auch auch gleich gemächlich gleich zu faul um sich einzusetzen?
Wenn linksgemäßigter Protest möglich ist, wie grenzt man sich dann aber vor den Anarchisten und Terroristen ab?

Montag, 30. November 2009

Vom Ausziehen

Anschauen, aussuchen, verknallen, ausziehen und dann ...

He, seid ihr wieder versaut!



Ich meine natürlich: Einziehen!

Man lernt am meisten über einen Menschen, wenn man ihm beim Umzug hilft. Man erkennt seine Sammelleidenschaften, seine Macken, seine Belastbarkeit und seine Vorstellung von Sauberkeit.
Aber man lernt auch viel über einen Menschen, wenn er mir beim Umzug hilft oder helfen sollte/wollte. Man lernt etwas über seine Zuverlässigkeit, über seinen Umgang mit Besitz von anderen, seine Arbeitsauffassung und über seine Ansichten zum Thema Gegenleistungen.
Man lernt aber auch viel über sich selbst, wenn man Anderen beim Umzug hilft oder wenn man selbst umzieht.
Man lernt in erster Linie, dass die Wochen des laufenden Umzugs ein extremer Einschnitt in die Lebensqualität sind und man fragt sich, warum man sich das antut, deswegen versucht man auch die neue Wohnung so schön wie möglich zu gestalten, damit man sie nie wieder verlassen möchte.
Wenn man anderen hilft, erkennt man manchmal, dass die Macken, über die man sich bei sich selbst ärgert, in anderen Wohnungen noch viel schlimmer ausgeprägt sind. Wenn ein Mensch der auf Sauberkeit nicht den allerhöchsten Wert legt, in anderer Leute Wohnung plötzlich anfängt sich zu ekeln, lernt, dass seine eigene Schlampigkeit noch in engen Grenzen liegt. Man erkennt aber auch, dass Dinge, die einen nicht stören, eigentlich viel besser gelöst werden können als man es selbst tut.
Man lernt etwas darüber, ob man für handfeste Arbeit mit klaren Ergebnissen geeignet ist und ob diese Art von Arbeit Spaß macht und fragt sich viel zum ersten Mal, warum zur Hölle man eine Geister- und Gespensterwissenschaft studiert.
Man lernt auch etwas über seine eigenen Prioritäten. Style oder Komfort. Größe oder Aussehen. Praktisch oder hübsch. Oben oder unten...
Aber man erkennt auch, dass selbst wenn man einmal quer durch die Stadt zieht, sich gewisse Dinge einfach nicht ändern. Erst leidet man darunter, was welche Bequemlichkeiten man aufgibt, doch wenn man sich in der neuen Gegend erst einmal auskennt, dann ist vieles gleich geblieben.
Ein nerviges Industriegebiet ist immer noch nur einen Katzensprung entfernt. Der Weg zur Uni ist nur unwesentlich länger geworden. Der Weg zum einkaufen hat sich auch minimal verlängert, dafür sind die Brötchen näher gekommen und die Nachbarn netter geworden. Die Freunde besuchen dich immer noch und beschweren sich, wie eh und je, dass du am A**** der Welt wohnst. Aber das allerwichtigste: Dein Lieblings- Junk-Food- "Restaurant" ist immer noch exakt 4 Busstationen von deiner Wohnung entfernt!
Alles ist anders, doch nichts hat sich verändert, so wie immer.
Jedes Mal, wenn wir eine Kreuzung im Leben passieren kommen wir meist schon nach wenigen Wochen zu diesem Schluss. Manchmal ärgert es uns, manchmal freut es uns und manchmal ist es nicht wichtig.
Nach ein paar Wochen vergessen wir sogar, was wir über uns und unsere Mitmenschen gelernt haben.
Da bleibt die scheinbar entscheidendste Frage:
Ziehst du noch um oder lebst du schon wieder?

Freitag, 20. November 2009

Von Schweinegrippe und anderen Studentenprotesten

Eigentlich wollte ich hochphilosophische Töne anschlagen und mich aus den "aktuellen" Themen der letzten Wochen heraushalten, weil sie sich schon anhören wie Mensa-Essen aussieht -3 mal durchgekaut.
Aber Depression und Schweinegrippe sind nun mal ein dankbares Thema um seitenweise Text zu produzieren, der in den Boulevardmedien unter die Rubrik "Aufreger der Woche" fällt und mein Aufreger der Woche ist die Schweinegrippe.
Obwohl das eine Lüge ist, die Schweinegrippe regt mich gar nicht auf (zumindest solange sie mich in Ruhe lässt), sondern vielmehr der Umgang mit ihr.
Es ist sehr interessant, dass es anscheinend in Deutschland nicht zum Standart gehört sich regelmäßig die Hände zu waschen, denn wann immer man ein Interview sieht, wie sich das Verhalten der Leute seit Auftreten der Grippe geändert hat, ist immer einer dabei, der sagt: "Naja, ich wasch mir jetzt regelmaßig die Hände" -Herzlichen Glückwunsch, aber du wirst sowieso nie die Schweinegrippe kriegen, denn du hast ein super Immunsystem, bei den Keimen, die es bisher immer abzuwehren hatte.
Aber soviel zu den Vorsichtsmaßnahmen, denn ich möchte nicht über die Menschen mit extremer Panik sprechen, die als natürlichsten Schutz den Mundschutz wählen. Die sind ja auch in unserer Gesellschaft der (typisch deutschen) Skeptiker eher selten, denn wir sind skeptisch, ob das wirklich etwas bringt.
Wir sind skeptisch gegenüber der "neuen" Grippe, die etwas ganz besonderes zu sein scheint, der Erreger, eine Mutation des Erregers der Spanischen Grippe (1918). Mutation ist ein Wort, das bei uns Menschen Urängste weckt: Warum eigentlich? Zu viel X-Men geschaut und auch noch missverstanden? Wenn man der Evolutionsbiologie glauben kann, dann sind wir auch nur eine Mutation, die Weiterentwicklung allen Lebens wird auf Genmutation zurückgeführt, daraus lässt sich schließen, dass eine Mutation nicht von grundsätzlich schlecht sein muss, woher die Angst vor dem Wort kommt, weiß ich nicht.
Aber zurück zu den Skeptikern:
Wir sind aber nicht nur skeptisch gegenüber der Grippe im Allgemeinen, sondern wir sind skeptisch, ob sie nicht noch viel schlimmer sein könnte, als wir es uns vorstellen können, denn es ist ja etwas Neues und nie da Gewesenes, wir sind aber auch gleichzeitig skeptisch, ob sie wirklich so schlimm sein soll, wir merken doch gar nichts davon. Wir sind auch skeptisch gegenüber unserer Regierung und fragen uns die ganze Zeit, was sie von dieser Panik hat. Wir sind skeptisch gegenüber den Pharmafirmen, die die Antibiotika produzieren, ob sie die Grippe nicht vielleicht aus dem Labortresor gelassen haben (weil ja auch noch der Ex-US-Verteidigungsminister Aktien dieser Firma besitzt) und wir sind skeptisch gegenüber den Pharmaunternehmen, die den Impfstoff produzieren, weil wir sie für geldgierig und fahrlässig halten, weil sie ungetesteten Impfstoff verkaufen.
Wir sind aber gegenüber der Impfung genauso skeptisch wie gegenüber der Grippe, was uns in ein persönliches Dilemma stürzt. Risikogruppen, wie Schwangere und Herzkranke brauchen einen Impfstoff ohne Wirkverstärker, den kauft die Regierung aber nicht, weil es sich um eine Pandemie handelt, wenn aber die, die angeblich die Impfung brauchen, sich nicht impfen lassen können, warum sollte sich dann der normale Mensch impfen lassen, wenn er sie doch gar nicht braucht?
Aber vielleicht sollten wir auch weder der Grippe noch der Impfung vertrauen, denn bisher kommen Mediziner zu dem Konsens: Nur Menschen mit Vorbelastungen sterben an der Impfung und höchstwahrscheinlich sterben auch nur Menschen mit Vorbelastungen an der Schweinegrippe.
Dummerweise sagt ein Arzt, der den 1. Teil sagt, nicht den 2. Teil und andersherum, deswegen sind wir Skeptiker verunsichert, weil uns Verunsicherung liegt.
Diese Annahme lässt aber nur einen Schluss zu: Wir sollten skeptisch sein, ob wir nicht eine Vorbelastung haben und wenn wir nicht zu dem absolut sicheren Schluss kommen, dass dem nicht so ist, sollten wir das Haus nicht mehr verlassen, denn sonst werden wir definitiv draufgehen, entweder an der Grippe oder an der Impfung, jeder wie er es mag.
Deswegen bin ich auch dafür bei den aktuellen Studentenprotesten die Forderung aufzunehmen, die Uni zu schließen, bis die Pandemie vorüber ist um diesem riesigen Infektionsherd einhalt zu gebieten. Dann würde sich auch sicher endlich eine Mehrheit der Studenten zu den Protesten bekennen und sich nicht für die anarchistischen und kommunistischen Umsturzversuche einiger Kommilitonen schämen, weil sie doch eigentlich nur für die Abschaffung der Studiengebühren und/oder eine bessere Betreuung für die Studenten sind (so wie hier zu lesen (sehr gelungen, finde ich übrigens, auch wenn es andere Kommentare gibt): http://vayosphere.wordpress.com/2009/11/15/uni-brennt/).
Also wir boykottieren die Schweinegrippe und gehen deswegen nicht zur Uni ...

Samstag, 7. November 2009

Vom Einkaufen und anderem Gebell

Willkommen in der Sendung: "Wie Luxus ihr Sozialverhalten beeinflusst. Heute am Beispiel des Kaufverhaltens."
Generell kann man sagen, dass Wohlstand sich negativ auf Verhaltensweisen wie Rücksichtnahme, Toleranz und Gemeinschaftssinn auswirken. Aber das ist ja hinlänglich bekannt und muss hier also nicht näher ausgeführt werden.
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Supermarkt für Besserverdiener (weil sie sich verlaufen haben oder etwas kaufen wollen, was einen Fixpreis hat oder oder oder). Sie gehen mit einem Artikel an die Kasse, geöffnet die äußerst rechte und linke Kasse mit 2 ellenlangen Schlagen. Eine 3. Kasse wird geöffnet sowohl von links als auch von rechts treten Menschen an die mittlere Kasse, auch Sie, hinter ihnen kommt jemand von der anderen Kasse. Es passiert erst einmal nichts. Der Mann vor Ihnen wird abkassiert. Da spricht Sie plötzlich der Mann hinter Ihnen an, ob Sie denn nicht zusammengehören. Sie verneinen höflich, aber irritiert. Dann beginnt das Gezeter: "Finden Sie Ihr Verhalten denn nicht äußerst dreist? Was denken Sie sich denn dann, sich hier so hereinzudrängeln. Das ist ja eine Unverschämtheit. Was bilden Sie sich denn ein?!" "Oh ich wusste nicht das im Supermarkt die Rechts- vor- Links- Regel gilt. Ich habe nicht gedrängelt ich bin nur zufällig aus einer anderen Richtung gekommen." Ihr Gefühlszustand ist irgendwo zwischen genervt und belustigt. Die "freundliche" Kassiererin im Allgemeinen (deren Verfehlungen hier schon früher zur Sprache kamen) ist verunsichert und möchte, den Stammkunden ja auch nicht für jemanden verkraulen, die so aussieht als würde sie sowieso nie wieder einen Fuß ins Geschäft setzen. Sie fragt sicherheitshalber, wer denn nun dran sei. Der Schnösel: "Die junge Dame scheint es ja eilig zu haben."
Wenn mal wieder viel zu viele Leute vor mir an der Kasse stehen mach ich das demnächst auch so: Ich nicke erst dem Mann vor mir freundlich zu und wenn er dann fast dran ist, fange ich ein furchtbares Geschrei an, was er sich denn einbilde sich so dreist vorzudrängeln. Ich denke mit dieser Methode komme ich exakt 3 Minuten später aus dem Geschäft, als wenn alles seinen natürlichen Gang geht, denn durch die Prügelei am Kassenband verzögert sich nur die Arbeit der Kassiererin.
Nach dieser Geschichte noch ein harmloses Beispiel:
Jemanden an der Kasse vorlassen, hat für ja nur dann keinen persönlichen Nachteil, wenn man mit Wagenausladen länger braucht, als der Vorgelassene um abkassiert zu werden. Doch meist wird auch der Nachteil in Kauf genommen ein wenig länger zu brauchen, man ist ja eh mit dem Großeinkauf beschäftigt und der dauert meistens sowieso eine gefühlte Ewigkeit. Aber je günstiger der Discounter, desto eher ist diese selbstlose Verhalten zu beobachten, wobei es die Vorgelassenen noch nicht einmal eilig haben müssen. Aber in einem teuren Supermarkt habe ich dieses Verhalten noch nie beobachtet, auch wenn ich keine repräsentative Stichprobe habe, da ich mich dort eher selten aufhalte, möchte ich behaupten, dass dieses Verhalten dort seltener vorkommt. Möglicherweise, weil sich jeder dort selbst für die wichtigste Person der Welt hält, beziehungsweise: Was interessiert es den Mond, wenn ein Hund ihn anbellt.

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Von Beziehungen und anderen Gemütszuständen

Beziehungen verändern einen.
Ach neechan, das weiß doch jedes Kind.
Aber wisst ihr auch, dass sie einen drei Mal verändern?

Zuerst machen sie aus einem einen besseren Menschen.
Man wird ruhiger, liebevoller. Man hat das Gefühl, zugehörig und komplettiert zu sein. Es gibt noch vieles kennenzulernen am Partner, die Beziehung ist harmonisch und auf eine gemeinsame Zukunft ausgerichtet. Nach außen wirkt man ausgeglichen, lebendig.

Zweitens machen sie aus einem einen schlechteren Menschen.
Nach einiger Zeit (variiert beziehungsabhängig) wird die Beziehung rissig, heftige Streitpunkte treten auf. Die Kommunikation in der Beziehung ist hauptsächlich entweder oberflächlich, streitend oder kaum vorhanden. Kurz, die Beziehungsqualität ist gering.
Nach außen wirkt man lebendig, ist für seine Freunde da, will ein aktives Eigenleben führen. Dies ist die Phase, in der Selbstverwirklichung oberste Priorität hat. Seitensprünge und andere Grenzübertretungen werden akzeptabel.
In dieser Phase sind Trennungen am wahrscheinlichsten.

Drittens macht sie aus einem einen alten Menschen.
Nach der langen, schwierigen Phase zwei, ist hier die Settlement-Phase. Man wird wieder ausgeglichener, hat den Partner akzeptiert, genauso wie mab sich selber ein wenig mehr akzeptiert hat. Nach außen hin wird man ein wenig ruhiger, aber auch selbstsicherer.
Die Beziehungsqualität ist stabil, die Freundschaften ebenfalls. In dieser Phase fällt es einem schwer, Veränderungen durchzuführen. Oft können fließende Übergänge zwischen Phasen zwei und drei bestehen; hierbei fallen den Betroffenen jedoch nur entweder jeweils die positiven oder nur die negativen Bestandteile auf.

Kinder werden oft in Phase zwei planmäßig eingebaut. Da diese Phase von positiven und negativen subjektiven Beziehungsepisoden durchzogen ist, kann das den Betroffenen als angemessene Idee erscheinen. Zudem deckt Phase zwei meist das gesamte fruchtbare Stadium einer Beziehung ab. Kinder sind ein guter Prädiktor für das Halten einer Beziehung über Phase zwei hinaus, können aber auch zu ungeahnten Phasenabweichungen führen.

neechan, bist du Pessimistin?
Nein, aber Akademiker. Und wer es mir nicht glaubt, was ich dort oben - ohne wissenschaftliche Ambitionen oder Nachforschungen, sei angemerkt - zusammengesponnen habe, mag Recht habe, möge aber zu Verifizierung oder Falsifizierung eine vierzigjährige Beziehung beginnen und mir erst nach Abschluss und Reflexion dieser Periode noch einmal versuchen zu sagen, ich läge falsch.

Mittwoch, 30. September 2009

Von Glücksmomenten und anderen Doppelbetten

"Tausche Lebensmüdigkeit gegen Doppelbett" - auf diese oder ähnliche Überschriften könnte man viele imaginäre Kleinanzeigen von verzweifelten Singles bringen. Sie berichten von ihrem unglücklichen Single-Dasein und dass sie sich nach einem Partner sehnen, aber was sie nicht sagen ist, dass sie nicht einfach ein Doppelbett suchen. Sie suchen nach einem Designermöbelstück, mit extra starkem Lattenrost, speziell an sie angepassten Matratzen politisch korrekter superwärmender Daunendecke, einem integrierten Schmusetier, das automatisch sowohl Nähebedürfnis als auch Autonomiebedürfnis erkennt, einen ethisch vertretbaren Schonbezug in den bevorzugten Farben und natürlich dem gewissen finanziellen Ruhekissen.
Wer soll das bieten? Vor allem wer hat das verdient? Wo sind in der heutigen Partnersuche eigentlich die inneren Werte, der Matratzenkern, hin?
Heute wiegt Geld, Attraktivität und Erfolg höher als Treue, Vertrauen und Respekt. Oberflächlichkeit ist aber nur solange angesagt bis ein Objekt, das diese Grundlagen erfüllt, gefunden ist, dann wiederum wiegen innere Werte wieder schwer und meist kann man nicht beides haben, dann klagt der Single- Überschuss wie schwer es doch ist noch jemanden zu finden, der einem ein wenig Respekt zeigt und obwohl sie solch hohe Ansprüche haben, sind sie nicht bereit, dafür ihre Freiheit aufzugeben oder gar Kompromisse zu machen, sie erwarten das nur von ihren potentiellen Partnern.
Tja, dann sollte man mal über seine Prioritäten nachdenken. Alle Menschen, die in einer Beziehung leben, haben es schließlich auch geschafft, was passendes für sich zu finden.
Als schlimmere Singles hingegen gelten jene, die gar keine Ansprüche an einen potentiellen Partner stellen, weil sie keinen Partner haben wollen. Diese militanten Singles stoßen in ihrem Umfeld auf heftige Kritik, weil sie scheinbar eine ungeahnte Anziehung auf das andere Geschlecht ausüben (oder auf das gleiche Geschlecht, je nach Präferenz) und damit eine schreckliche Konkurrenz sind für all die ach so unglücklichen Singles, die aus der Ferne betrachtet auch gern schmachtende Wesen an ihren Hacken hätten.
Anderseits stoßen sie auch bei den ganzen glücklichen Pärchen auf Unverständnis, die jedem erzählen, dass sie sich ein Leben allein nicht mehr vorstellen können - müssen sie ja auch nicht.
Dauerhaft immer glückliche Singles gibt es wahrscheinlich auch nicht, aber diesen Anspruch erheben die wenigstens Beziehungsverweigerer.
Manche geben gern zu, sich nach Umarmungen zu sehnen, andere geben sogar zu, sich gelegentlich einen Happen für's Bett zu holen, d.h. sie haben unglückliche Momente, aber eine Beziehung würde sie vielleicht nicht zwangsläufig glücklicher machen oder aber sie haben ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl gegenüber den Menschen, die sie mit einer Beziehung unglücklich machen würden. Sie tauschen vielleicht ihr persönliches Dauerglück für das Glück Vieler und erhalten im Gegenzug viele kleine Glücksmomente.
"Glück ist das Wissen darum, dass du nicht notwendigerweise Glück brauchst." (William Saroyan)

Donnerstag, 24. September 2009

Von der SPCDFDB90GdPdLP und anderen nicht wählbaren Alternativen

„Heute habe ich einer Freundin auf den Arsch geguckt, und morgen mach ich mit ihr 'nen Dreier.“

Diese und ähnliche Sätze sind es, mit denen 'wir Frauen' gerne mal 'euch Männern' zeigen, wie leicht manipulierbar ihr doch seid.

Allerdings ist es auch einer dieser Sätze, die einfach keinen Sinn machen – oder keinen anständigen... -, wenn man sie nicht ordnungsgemäß erläutert. Ähnlich auch: „Geh nicht zu viel joggen, sonst wirst du wieder schwanger!“ (Um den von der Mediengesellschaft eh schon seiner Phantasie beraubten verehrten Leser ein bisschen auf die Pfade seiner Imagination zurückzuführen, überlassen wir es jetzt mal Ihrer Phantasie, was dieser Satz wirklich beinhaltete. Und auch, weil wir es selber nicht mehr wissen. Tja.)

Worauf wollen wir hinaus? Dass die Medien uns die Phantasie, die Gehirnzellen, aber auch den letzten Rest Anstand rauben? Uns in pervertierte, über dreißig Jahre lang pubertierende, schönheitsgeile Jugendwahnsinnige verwandelt? - Jaja ok, aber wo ist da das Neue?

Heute sprechen wir mal, die Einleitung und unsere Gewohnheiten völlig außer Acht lassend, über Politik.

Wieso unsere Gewohnheiten? Weil wir zu der Generation „Politikverdrossenheit“ gehören, der Generation „Lieber BigBrother gucken als ihn wählen“, der Generation „Angela... wer? Ist die nicht mit dem Pitt zusammen und adoptiert halb Afrika?“, der Generation „Wenn ich schon über Politik sprechen muss, dann nur über das, was mich betrifft, und ich bin generell und sowieso DAGEGEN.“, der Generation „Ich als gebürtiger Deutscher beherrsche drei Sprachen fließend: Englisch, Türkisch, und Assi, Alda!“.

So schlimm das ist, aber statistisch fallen auch die neechan und Ihre kichererbse in diese Kategorie der jungen Wähler.

Nun stehen wir also wieder, wie alle Jubeljahre, mit zwei bis drei bunten Papierchen in der Wahlkabine und denken: „....ähh?“. Es war doch so, dass die Politiker und die älteren Wähler immer schon gerne wissen wollten, was wir jungen Leute zur Wahl denken, und was wir zu unserer Zukunft beitragen wollen. Also, macht euch gefasst, hier kommt es:
„ÄÄÄÄÄÄHHHHHHH......?!“












Ok, vielleicht gibt es das Ganze auch in einer eloquenteren Version.

Geben wir unsere Stimme der schwarzen Pest, kommen wir wieder ins Mittelalter, und haben Koalitionsmöglichkeiten wie 'den Kartoffelkäfer' – übrigens ein schwarz-gelber Schädling, der unsere Nahrungsressourcen angreift -, oder aber einer Kombination, die wir schlichtweg 'Lächerlich' getauft haben (so wie ein ökologisch an- und abbaubarer Salat (ohne Atomkraft gedüngt), der aber so verschimmelt ist, dass er schon wieder schwarz ist).

Wählen wir also die rote Krätze, nur um uns dann wieder vier Jahre lang zu jucken und keinen Arzt zu finden, weil die alle streiken? Und auch hier die Koalititionsmöglichkeiten: 'das gerade erwachende Faultier' – rot geäderte Augen und grüner Schimmel am Hinterteil -; 'das Sonderangebots-Preisschild' in Knallrotrot – jetzt zwei ehemals linke Parteien ohne Konzept zum Preis von einer! MHD kurz vorm Ablaufen! -, 'der Clown' – rote Pappnasen und gelbe Plattfüße, und genauso zum Lachen.

Fehlt da nicht noch was? Achja, die Große Chaoslisation. Wäre das hier eine Liveübertragung, lieber Leser, würden Sie uns jetzt hier schweigend und mit verschränkten Armen sitzen sehen, da wir gerade dabei sind, die effektiven und langwährenden positiven Wirkungen dieser Regierungsperiode aufzuzählen. So ist das, wenn alle Kinderchen mitspielen wollen, aber keiner sich auf irgendwelche Regeln einigen kann.

Die flotten Dreier? Na, das haben wir doch am Anfang schon abgehakt, und Sie dachten, wir kommen nicht mehr darauf zurück! Ist gut, um die niederen Spezies in die Irre zu führen (oben: Männer; hier eher: Politiker), aber irgendwer kommt immer zu kurz. Oder zu schnell.

Tja, die Orangen. Da gilt der eh und je mit dieser Farbe assoziierte Fußballsprechchor: „Ohne Holland fahr'n wir zur WM!!“ Aber mal im Ernst, die sind wie alle Zitrusfrüchte im Wachstum: ganz sauer, aber mit dem Kopf viel zu hoch in den Wolken, als dass sich jemand ernsthaft für sie interessieren würde. Vielleicht sollten sie erstmal die obligatorische Augenklappe ablegen, um mehr zu sehen als nur ihre Pornoseiten, äh, wir meinen natürlich, Internetsperrenthematik.


Da bleibt nichts außer „ääääh...“!

Zum Schluss möchten wir unseren Lesern noch einige Tipps mit auf dem Weg geben, wie Sie sich dieses Jahr die Entscheidung etwas leichter machen können. Sie brauchen: 2-3 schmale Papierstreifen, um damit die Parteien, die Sie auf keinen Fall wählen werden, abzudecken, und ein bis zwei Würfel (oder so einen Rollenspielwürfel mit 20 Augen, macht das ganze fantastischer, eh, realistischer, eh....).

Legen Sie einen der Papierstreifen auf die Reihe mit der NPD. Ein bis zwei weitere haben Sie danach zur freien Verfügung. Nehmen Sie nun ihren Würfel, würfeln Sie. Vergessen Sie nicht, das Ergebnis laut in der Wahlkabine auszurufen: „Eine Sechs! Eine Sechs! Ich darf nochmal!!“

Stellen Sie dann fest, dass Sie den Zahlen keine Parteien zugeordnet haben. Benutzen Sie einen Abzählreim. Laut.


Mit herzlichen Grüßen wünschen Ihnen kichererbse und neechan viel Freude.

Mittwoch, 23. September 2009

Bundeskanzler, Mobbingopfer, Freiheitsberauber und die Rache der Jugend

Am Freitag wurde gemobbt, und zwar niemand geringeres als unsere Bundeskanzlerin. Es wurde zwar eigentlich geflashmobt, aber dieser Flashmob bestand schon irgendwie darin die Kanzlerin zu mobben.
Es war so ähnlich wie bei der unbeliebten kleinen Jacqueline-Chantal, die ein Referat in Geschichte (denn was die gute Frau Kanzlerin da tat, war keine Wahlkampfrede, sondern ein Tatsachenbericht zur Wiedervereinigung) halten soll und nach jedem Satz von der Klasse unterbrochen wird und eben nicht heulend rausrennt, weil sie schon 55 Jahre alt ist und ihr das in ihrer Clique, dem Bundestag, auch nie anders geht.
Was war also passiert? Eine Meute junger Menschen, etwa zwischen 16 und 45 Jahren alt, hatte sich versammelt um nach jedem Satz der Kanzlerin ein "yeeaahh" zu brüllen, was schwierig war, denn die Sätze und Satzenden der Kanzlerin, waren bei permanten Lärm durch Atomgegner nur schlecht zu verstehen.
Die jungen Menschen hatten Spaß auch wenn die Atomgegner über "Jubelschreie" für die Kanzlerin nur den Kopf schütteln konnten und treue CDU- Anhänger der älteren Generation sich ein wenig zu sehr freuten, weil sie die Ironie nicht erkannten.
Aber die Jugendlichen hatten nicht nur Spaß, diverse alte Menschen gehen davon aus, dass sich dort ungebildete und uninteressierte Jugendliche verabredet haben um zu tun, was "solche Leute" am liebsten tun: Stören ohne Sinn und Zweck. Vielleicht gab es die auch. Aber ein großer Teil der Leute wollte ausdrücken, dass das was auf einer solchen Wahlkampfveranstaltung erzählt wird, so beliebig ist und keinerlei Auswirkung auf Realpolitik hat, dass jede Art von Zustimmung nur Ironie sein kann. In diesem Punkt ist der Protest tatsächlich nicht zielgerichtet gegen die CDU oder die Kanzlerin, sondern gegen jeden Wahlkampf-Sand-in-die-Augen-Streuer.
Doch ein nicht unerheblicher Teil dieser Schreihälse kam aus dem Umfeld einer gerade neu entstandenen Partei, die sich für die Freiheit und die Rettung der Bürgerrechte, vor allem im Netz, einsetzt, die mit jedem "yeeaahh" eindeutig politische Kritik an der CDU und deren Netzpolitik äußerten.
Was viele Schreihälse gestört hat, war das ihre Kritik es nicht in die öffentliche Wahrnehmung geschafft hat. Es gab außerhalb von Blogs kaum ein Echo auf diesen Flashmob, keinen Kommentar in den großen Nachrichten oder Tageszeitungen. Auf einigen online-Seiten von Zeitungen oder Zeitschriften, konnte man etwas unter der Rubrik "Internet" -oder wie auch immer sie jeweils heißen- lesen, aber viele hatten sich zumindest eine Randnotiz in der Rubrik "Politik" gewünscht.
Vielleicht sollten Politikwissenschaftler diese scheinbar kleinen Aktionen als das politische Erwachen der jungen Generation betrachten, der ja behandlungsresistente Politikverdrossenheit oder gar politisches Desinteresse vorgeworfen wird, vielleicht muss man sie erst genug in die Enge treiben, bis sie sich wehren. Oder aber man muss politisches Engagement endlich anders definieren, das heißt: den Gegebenheiten der heutigen Jugendkultur anpassen, erkennen, dass heute anders protestiert wird als vor 40 Jahren.

Mittwoch, 9. September 2009

Was aus Ideenlosigkeit so entstehen kann...

In meinem Kopf existieren momentan mindestens 3 Themen, die sich gut zu einem Blog verarbeiten ließen, aber mir fehlt irgendwie der Text dazu, mir fehlt der "rote Faden". Außerdem stelle ich im Nachhinein fest, dass je festgelegter mein Thema vor dem Beginnen des Schreibens war, desto schlechter ist der Post geworden. An den Tagen, an denen ich mich einfach an den Rechner gesetzt habe und vor mich hingeschrieben habe, fand ich meine Posts immer ganz gut und habe meist auch positives Feedback erhalten.
Aber vielleicht wächst mittlerweile auch mein persönlicher Anspruch und damit mein Druck auf mich selbst, weil ich mittlerweile nicht mehr das Gefühl habe, ich schreibe nur für mich selbst, meine persönliche Schreibtherapie gegen Weltschmerz und um den Zynismus mal aus den realen Gesprächen herauszubekommen. Ich hab das Gefühl die Leserschaft wächst und ich bekomme immer mehr Rückmeldungen zu meinen Posts und habe vielleicht Angst zu enttäuschen.
Dabei drängt sich irgendwie die Frage auf, ob kichererbse irgendwann gläsern und durchschaubar sein wird und man sie in der realen Welt erkennen könnte, nur anhand dessen, was man von ihr liest. Wobei sich dann wiederum die Frage stellt: Gibt es die reale kichererbse überhaupt? Und gibt es die Menschen, die diesen Blog lesen und/oder kommentieren auch im realen Leben, d.h. sind es die gleichen Menschen oder sind es mehr 2 verschiedene Seelen oder besser 2 verschiedene Gehirne in einem Körper?
Wie sehr verändert ein Medium, das uns erlaubt absolut anonym unsere tiefsten Gedanken zu offenbaren, eigentliche unser restliches soziales Leben, sofern noch vorhanden?
Manchmal habe ich das Gefühl, es führt dazu, dass sich Menschen generell offener, ungezwungener und scheinbar ohne Schamgefühl über alles Mögliche austauschen, weil sie nicht merken, dass sie "da draußen" doch beobachtbar und erkennbar sind. Andererseits scheint es aber auch dazu zu führen, dass sich manche noch mehr aus der realen Kommunikation zurückzuziehen und die einzige Frage, sich nicht mehr nach dem Befinden erkundigt, sondern lautet: "Hast du meine Mail schon beantwortet, weil da steht ja alles wichtige drin?!"
Dabei entsteht da gerade eine Vision einer besseren Welt in meinen Kopf:
Wenn man das Internet zum anarchistischen, rechtsfreien Spielplatz erklären würde, auf dem sich jeder ohne Konsequenzen austoben könnte, seine ganzen Aggressionen abbauen könnte, seine verbalen und physichen Angriffe auf imaginäre Ersatzcharaktere der wirklichen Personen starten könnte, dann könnte mehr Frieden herrschen. Dann würde es gegenüber dem aggressiven Justin-Kevin-Maik* nicht mehr heißen: "Geh auf die stille Treppe" sondern "Geh eine Stunde ins Internet, da darfst du deine kleine Schwester blau anmalen und deine Mami anspucken oder abstechen, wie auch immer dir gerade ist und dann ist alles wieder gut."

Wie friedlich wäre diese Welt, wenn jeder seine Aggressionen in einem Kasten lassen könnte...


*Name von der Redaktion geändert

Montag, 7. September 2009

Von Respektlosigkeit und anderen Alterserscheinungen

Verwirrte, respektlose, alte Menschen kreuzten in den letzten Wochen recht häufig meinen Weg:
Begonnen hatte alles mit jenen alten Menschen, die immer noch glaubten dem Alter entfliehen zu können. (Ich dachte bis dahin, diese Phase legt sich bei Frauen mit Mitte 30 und bei Männern mit Mitte 60, aber ich scheine mich getäuscht zu haben.) Sie veranstalteten ein rauschendes Fest um ihren Geburtstag noch mal würdig zu feiern, vielleicht feierten sie aber auch den nahenden Tod. Aber sie hatten vergessen, dass sie weder üppige Sahnetorten und ungewohnte Bewegung noch warme Temperaturen und fehlenden Mittagsschlaf vertrugen. Aber gut, so ein kleiner Ausflug ins Krankenhaus erspart die Bettelei beim Chef um Urlaub... ach nein, die sind ja schon Rentner.
Ich bin ja nicht gegendas Feiern und schon gar nicht gegen Feiern im Alter, man sollte vielmehr feiern, dann wäre man auch besser im Training, aber in dem Alter sollte man so langsam seine Grenzen kennen.
Es folgte einige Zeit später: die alte, kleine Frau mit den dicken Brillengläsern, beziehungsweise den Goldfischgläsern in Plastikgestell. Diese Frau hat doch tatsächlich gewagt auf dem Friedhof zu betteln und so das Leid und die dadurch entstehende Verweichlichung ihrer Mitmenschen auszunutzen - und dies auch auf sehr dreiste Weise:

AH = alte Hexe
TW = trauernde Witwe

AH: Wie spät haben Sie es?
TW (verwirrt aufschreckend): Was?
AH: Sie können mir doch sicher sagen, wie spät es ist!?
TW: ...12 Uhr
AH: Und sie haben nicht zufällig einen Euro im Portmonee?
TW (genervt in der Tasche kramend): hier nehmen Sie.
AH: Haben Sie vielleicht 2 Euro in ihrem Portmonee?
TW: Also ich muss doch sehr bitten...

Ich glaube es folgten noch ein paar Undankbarkeiten seitens AH.
Ich finde bedürftige Menschen (sofern sie denn bedürftig sind, was in diesem Fall nicht eindeutig war, aber dies sei dahingestellt) dürfen gern betteln, aber sie sollten Respekt vor Menschen haben, die noch bedürftiger sind, wenn auch auf anderer Ebene. Vor allem würde ein jugendlicher Bettler sofort in seine Schranken gewiesen werden, aber die alten Menschen dürfen sich so etwas einfach herausnehmen.
Dann hörte ich von einer garstigen alten Vermieterin, die ihrer über 30 jährigen Mieterin im lockeren "du" alle möglichen Unverschämtheiten an den Kopf warf und ihr Dinge vorwarf, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Ein Beispiel: Die junge Dame traute sich, sich zu beschweren, weil in ihrem Mitvertrag eine Warmmiete steht, die Heizung in ihrem Zimmer aber nicht funktioniert. Die Vermieterin war der Meinung, der junge Geist solle sich nicht so haben, die Miete sei ja so günstig, dass sie sich einen Heizlüfter kaufen kann.
Ich finde, da ist schon die Aussage allein blanke Ironie, das muss ich nicht noch kommentieren.
Die vorerst letzte Begegnung mit dem Alter hatte ich heute am Bahnhof: Ein alter Mann mit Rollkoffer versucht rechts an mir vorbeizulaufen, als er feststellt, dass seine Geschwindigkeit zu gering oder meine zu hoch ist um den Überholvorgang abzuschließen, beschließt er zum Abdrängen überzugehen, was mir erst richtig auffällt, als ich schon fast an der Wand klebe, sonst hätte ich ja bremsen können und mir in die Hacken laufen lassen. Mir entfährt ein klitzekleines, aber durchaus genervtes "Hee!!!", worauf hin dieser alte Mann tatsächlich kopfschüttelnd murmelte "keinen Respekt vorm Alter mehr."
Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich auch nicht einsehe jemanden die Füße zu lecken, nur weil er seit 10 Jahren keiner Arbeit mehr nachgehen muss. Warum sollte uns das Erreichen und Überschreiten eines bestimmten Geburtstages dazu befähigen mehr Wert zu sein als andere? Ich versuche jedem Menschen Respekt entgegen zu bringen, sofern er mich auch mit einer gewissen Achtung behandelt und ich finde, dass diese Achtung den heutigen Alten manchmal fehlt: Sie pöbeln permanent gegen die Jugend, nehmen keinerlei Rücksicht und sind derartig engstirnig, dass sie den Respekt, den man ihnen entgegen bringt, gar nicht wahrnehmen oder gar als Beleidigung empfinden.
Jemand ist mehr Wert, weil er schon so viel geleistet hat? Ist nicht jemand, der noch jung ist, dass er noch 3 Mal so viel leisten kann, nicht von denen, die ihre Leistung schon gebracht haben, mindestens genauso zu respektieren und in seinen Bedürfnissen zu unterstützen, damit er überhaupt dazu befähigt ist, seine Leistung zu erbringen?
Und ist es nicht so das wir nur lernen können, was wir beobachten können? Wenn keiner von den Alten zeigt, wie Respekt funktioniert, wie sollen es die Jungen dann können???

Mittwoch, 2. September 2009

Von Diskriminierung und anderer Dummheit

Der Jugend auf's Maul geschaut: "Ey Mann, wenn man Hartz IV abkürzt, kommt HIV raus."
Ich war kurzfristig der Meinung, dass manche Leute merkwürdige Methoden haben sich sprachlich zu bilden und fand den Vergleich von Hartz IV und HIV auch höchst unpassend, bis meine Gedanken zu den offensichtlichen Gemeinsamkeiten zwischen beiden abschweiften: der Diskriminierung.
Es steht außer Frage, dass die persönlichen Konsequenzen unsagbar schlimmer sind, wenn man an einer unheilbaren Krankheit erkrankt, als wenn man arbeitslos wird. Doch was sich ähnlich auswirkt, ist der soziale Druck. Jede Andersartigkeit wird von anderen als Grund zum Ausgrenzen genutzt, egal ob positive oder negative Andersartigkeit. Meist wird als Begründung der Selbstschutz angeführt - warum auch immer. Aber im Gegensatz zu Hautfarbe, überdurchschnittliche Intelligenz oder Dummheit haben Arbeitslosigkeit, Homosexualität und Krankheiten, die wie HIV unter anderem bei Drogenkonsum und Sex übertragen werden, bei einigen Menschen in dieser Gesellschaft den Ruf von "selbst Schuld" und bieten damit eine ganz andere Angriffsfläche für Diskriminierung, gesellschaftlichen Ausschluss und ich-bin-besser-als-DIE-Gedanken.
Auch wenn mittlerweile nur noch ein kleiner Teil der Gesellschaft in diesem Bereich so ungebildet ist, ist es doch jedesmal erschreckend Gespräche über "solche" Leute zu hören, öffentliche Ausgrenzung zu beobachten oder gar von körperlichen Übergriffen zu lesen, für die als Begründung angegeben wird: "Na, gucken Sie sich den doch mal an!"
Ich glaube, dass das Leben in einer globalisierten Gesellschaft ohne Diskriminierung und Rassismus nur möglich ist, wenn jede Art von Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft akzeptiert und vor allem respektiert wird. Nur wenn wir lernen keine Angst vor dem "Unbekannten", weil Andersartigem, zu haben, kann auch ein kultureller, sozialer, ökonomischer, gesellschaftlicher... Unterschied konstruktiv genutzt werden.

Montag, 17. August 2009

Von Sachsen und anderen Nazis

Der Slogan "Schilderwald Deutschland" findet gerade ein ganz neues Ausmaß im "beschaulichen" und vom Fremdenhass zerfressenen Bundesländchen Sachsen eine ganz neue Facette:
"Plakatwald"
Dort stehen am 30.08. Landtagswahlen an. Bei den letzten Wahlen schaffte es eine rechte Partei, 9 Sitze zu ergattern, von denen sie, glaube ich, "nur noch" 6 Plätze besetzt.
Dieses Mal streben sie auf alle Sitze und wahrscheinlich werden sie mehr erreichen als beim letzten Mal, denn in einer Zeit in der sich die Menschen vor einer Krise fürchten und sich vor allem von der Politik im Stich gelassen fühlen, sind sie gern bereit Neues auszuprobieren.
Aber der Grund, warum sie dieses Mal präsenter sind, ist, dass sie scheinbar die Einzigen sind die schon einmal etwas von Wahlplakaten gehört haben und diese Idee auch umgesetzt haben und zwar an jeder Laterne und jedem Pfosten, den sie sonst noch finden konnten und in einer atemberaubenden Höhe, dass man kaum etwas dagegen unternehmen kann, unter der Aufsicht braver Bewohner der Straßen, die sich scheinbar alles gefallen lassen. Nur eine einzige weitere Partei hat sich gewagt vereinzelt ein paar Plakätchen aufzuhängen, eine Ökopartei mit "kreativem" Namen. So langsam beginnen auch die großen Partei sich ein Beispiel daran zu nehmen.
Trotzdem ist es nachwievor für Ortsfremde höchst befremdlich dieses Ausmaß an rechtsextremen Plakaten zu sehen und zu lesen und in Sachsen wundert man sich über den schlechten Ruf in den alten Bundesländern.
Aber wenn nicht schon die Zahl der Plakate erschreckend ist, dann sind es zumindest die Wahlslogans, die sie "zieren". Es sind Sprüche, die frustrierte Menschen durchaus ansprechen, die Werte propagieren, von denen ich nur im Geschichtsunterricht -in Behandlung einer schrecklichen Zeit- gehört habe und deren öffentliche Wiedergabe ich kategorisch, selbst wenn es nur der Anschaulichkeit dienen würde, ablehnen muss.
Obwohl ich einen wohl aufgreifen muss, denn er ist so schön klar, durchschaubar, eindeutig und offensichtlich: "Arbeit für Deutsche"
In Deutschland darf man nur Partei sein, wenn man sich auf die Verfassung beruft, das tut jene Partei zwar, aber ich frage mich, was sind unsere Verfassungsrichter für Menschen, die die Grundgesetzverletzung in dieser Aussage nicht sehen, die zulassen, dass der Spruch tausende Male für jeden zu lesen ist.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlicher Gewalt." (Grundgesetz Artikel 1) Aber wie schützt eine staatliche Gewalt menschliche Würde, die zulässt, dass Rassisten und Fremdenfeindliche in ihren Parlamenten sitzen?

Aber ich weiß jetzt wieso das Jurastudium so lange dauert: Die Hälfte der Zeit wird benötigt um den Studenten ihr gesundes und natürliches Rechtsempfinden rauszuprügeln.


Dienstag, 11. August 2009

Von der Selbstkasteiung und anderen Selbstversuchen

Hinter mir liegt jetzt eine Woche, genauer gesagt sechs Tage, Fasten.
(Platz für entsetzten Aufschrei)
Heilfasten, wohlgemerkt. Das heißt in der Essenz, das es gar nicht zum Abnehmen da ist, sondern um zu 'entschlacken', wie das so schön heißt.
Ich habe die ganzen sechs Tage über nichts festes zu mir genommen. Als Eiweißerhalter (damit die Muskeln nicht abbauen) gab es täglich etwa 1, 5l Molke - kleiner Tipp am Rande, Berchtesgadener Land Fruchtmolke ist lecker, Sauermolke in jeder Form widerlich, und Molkenpulver schmeckt am besten und sättigt am meisten, wenn man es in warmem, aber noch nicht ganz heißem Wasser auflöst. Meine Meinung. - und ein bisschen Fruchtsaft. Nun bin ich in den "Aufbautagen", habe heute morgen also ein bisschen Haferflocken in meine Molke gemischt, mittags gestampfte Kartoffeln und Möhren gegessen und abends einen Joghurt mit frischen Pflaumen darin. Alles Bio wohlgemerkt, da schmeckt insbesondere der Joghurt einfach besser. Die Marke Andechser kann ich sehr empfehlen, da ist sogar der ganz magere Joghurt göttlich cremig und schmackhaft.
So, bevor das entweder zu einer Ernährungsberatung oder einer Werbeveranstaltung ausartet, möchte ich gerne mal die Ergebnisse, Erlebnisse und sonstige Ungereimtheiten schildern, die mir im Laufe der letzten Woche widerfahren sind.
* Aufgrund der Erlebnisberichte im Internet und von Freunden hatte ich mir beinahe eine Erleuchtung erwartet, so begeistert schien mir die Welt von der Enthaltsamkeit.
Das Nirvana ist leider ausgeblieben, aber ich habe meine Lektion gelernt. Ich weiß jetzt, dass man ohne größeren Schaden auch ruhig mal hungrig ins Bett gehen kann oder über einen Rummel schlendern - gerade für jemanden wie mich ist diese Erfahrung wichtig, der dann schnell eine Bratwurst oder eine Tafel Schokolade in der Hand hält.
Ich habe auch das Essen nicht vergessen - im Gegenteil, ich habe nur noch daran gedacht!! Die ersten beiden Tage habe ich das Gefühl einer knusprigen Pizza in den Händen vermisst. Die Tage darauf eher den Döner. Und die letzten drei Tage habe ich alle Kochbücher durchgeblättert, die mir unter die Finger kamen... glaubt mir, ich bin die nächsten paar Tage gut beschäftigt mit dem Ausprobieren leichter, exotischer Gerichte. (Wer zum Futtern vorbeikommen will, melde sich.)
* Ich habe fünf Kilo abgenommen (in sechs Tagen), Fett ab- und Muskeln aufgebaut. Nagut, dafür war ich nach dem Joggen und den Kraftübungen auch ganz schön geplättet.
* Jetzt kommt das für mich persönlich Kurioseste: die Reaktionen meiner Umwelt.
Zuallererst die Entsetztheit der Menschen, die meine Planungsphase nicht mitbekommen haben. Das klang ungefähr so: "Du isst GAR nichts mehr?! Aber du bist doch schon total schlank, das hast du doch gar nicht nötig!"
Ok, erste Erkenntnis: der allgemeine Sprachgebrauch denkt, Fasten sei eine Diät. Aber wenn man abnehmen will, ist Fasten leider eine Fehlentscheidung. Da käme dann nämlich unser aller Freund, der Jojo-Effekt, zum Tragen.
Dann die Reaktionen mir näherstehender Personen.
Mein Vater dachte ebenfalls, ich wollte abnehmen, und befand es für unnötig. Außerdem riet er mir davon ab, in Stresssituationen zu fasten. Nunja, leider bin ich Bachelor-Studierende sowie Kind meiner Generation, das heißt: 'Keinen Stress' gibt es nicht. Es gibt immer eine Hausarbeit, einen Arzttermin, ein Praktikum, einen Verwandtenbesuch...
Meine Mutter? - Wüsste sie es, müsste ich mir eine Gardinenpredigt anhören, denn sie hat schlichtweg Angst, dass ich magersüchtig werde. Weil ich nicht dick sein will. Ja, Mutti. Liebe Leser, Mütter mit der rosaroten Brille ("mein Kind ist eh das hübscheste und schlankste!") und selber einer vom Durchschnitt abweichenden Figur (sie wiegt gefühlte siebenunddreißig Gramm) sind die härtesten. Ogott, mein Kind will seine überflüssigen Pfunde loswerden, es MUSS magersüchtig sein! Oder sein wollen!
Kommen wir kommentarlos zu meiner Lieblingsreaktion, zur Verfügung gestellt von meinem Yang (Yin und Yang, ihr wisst schon, na, mein Freund halt): Er findet, ich sehe klasse aus, so dünn, und lobt mich ständig dafür, sodass ich mich nach klassischer Konditionierung eigentlich in meinem Tun bestärkt fühlen müsste, was widerum zu einem anhaltenden Verhalten führen müsste - ich ess nix. Nicht erstrebenswert, was?
Tja, Freunde der Erfahrungsberichte, das war es auch schon, die Frauenzeitschriftenatmosphäre dieses Blogs macht mir selber schon zu schaffen.
Ich versuche mich mal an enem Summa Summarum:
Die Leute sind komisch, nix essen ist ok, neue Erfahrungen machen Spaß.

Sonntag, 9. August 2009

Vom Wort zum Sonntag und anderen Anti-Raucher-Kampagnen

Zum Warmwerden beginnen wir heute mit einem Ratespiel. Wer ist das asozialste Pack, das auf der Erde kreucht und fleucht?
Antwort: Raucher.

Nach dieser fulminanten Einleitung haben wir hoffentlich betreffendes Klientel verscheucht, und ich kann mit meiner Hassparole, ich wollte sagen, gerechtfertigten Irritation fortfahren.

Was gibt es Schöneres an einem sonnigen Sonntag, der völlig ohne Familienbesuch oder drohende Leistungsabfragen verlaufen kann, gemütlich in einem Café zu sitzen, mit einer Saftschorle, einem Kaffee oder Tee, und einer gutmütigen Gleichgültigkeit gegenüber saccharosophilen Wespen auf einem kleinen Tischchen.
Vogel singen, die Getränke sind köstlich, die Zeit bleibt stehen, es ist herrlich.
Du hebst dein Glas zum Mund, nimmst einen Schluck und fühlst, wie sich sämtliche Papillen in deinem Mund- und Nasenraum zu einem süßen, erfrischenden gemeinsamen Geschmackserlebnis öffnen - und verschluckst dich tierisch, weil plötzlich ein Geruch nach unter anderem Kohlenstoffdioxid, Kohlenmonoxid, Stickstoffoxid, Benzol, Formaldehyd, Butadien, Acetaldehyd, Methanol, Blausäure, und nicht zuletzt Nikotin zu dir herüberzieht.
Nein, denkst du, das ist jetzt nicht wahr, und drehst dich um, nur um tatsächlich ein älteres Ehepaar mit Fluppen zwischen den gelblichen, faltigknochigen Fingern zu sehen.
Du fühlst dich gestört, aber du willst nicht unhöflich sein. Antippen und sagen "Entschuldigung, können Sie Ihre Zigarette bitte so halten, dass ihr Rauch nicht zu mir rüberweht?" - naja, vielleicht später, erstmal schauen, vielleicht kommen sie ja selbst drauf. (Da kannst du lange warten. Das weißt du auch. Raucher, gerade in diesem Alter, denken immer, dass das ja 'ihre Sache' ist und dass sie ja 'niemandem Schaden zufügen außer sich selbst'.)
Muss das denn überhaupt sein? Kaffee UND Kippe? Meine Güte, ihr seid draußen, atmet doch mal durch, nachher könnt ihr immernoch euer gelbwandiges Wohnzimmer vollqualmen.
Du sitzt also über deinem Glas und stellst dir vor, wie der Qualm langsam in deine Lunge wandert, dort lustige schwarze Teerflecken hinterlässt, weiterwandert in die Blutbahn, und schlussendlich im Gehirn ankommt, um sich an deinen Denkzellen gütlich zu tun.
Und dieses dämliche ältere Ehepaar... sitzt da und freut sich des Lebens, während sie deines Zug um Zug verkürzen!
Du stehst auf, bezahlst, das war ja ein erholsamer Sommernachmittag, und denkst dir, das Rauchverbot sollte auch außerhalb von Gastronomien gelten, wenn dort noch Sitzplätze sind.

Herzlichen Dank, liebe Raucher, ihr rücksichtsloses und asoziales Pack. Dieses Gerauche ist ein Schandmal, dass sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht und zu ebenso verbreiteten Phänomenen beiträgt. Denn es ist genauso Kindesmisshandlung, wenn eine schwangere Frau raucht, als wenn sie ihr Kind schlägt oder nur jeden zweiten Tag füttert.

Mittwoch, 5. August 2009

Von meinem Gehirn und anderer Spammail

Liebes Gehirn!
Dies ist eine Liebeserklärung. Du warst so super die letzten Tage. Ich habe dich mit Wissen gefüttert, das du bereitwillig aufgenommen hast. 4 Klausuren in 3 Tagen, und alle sind gut bestanden - du bist mein Held. Wie schaffst du das nur, so kurzfristig so viel Zeug zu behalten - und mir in der Abfragesituation dann noch Wissensbrocken hinzuschmeißen, von denen ich erst recht nicht weiß, woher sie kommen. Auf jeden Fall warst du großartig die letzten Tage.

Liebe neechan,
das ist ja... feinfühlig von dir, dass du zur Abwechslung auch mal an mich denkst. Ich finde auch, ich habe das sehr gut gemacht.
Aber wenn du so dankbar bist, warum behandelst du mich dann nicht zur Abwechslung mal gut?

Liebes Gehirn,
tu ich das nicht? was meinst du?

neechan,
gesunde Ernährung, Brainfood, viel Bewegung, genug Schlaf... schon mal was von gesunder Lebensweise gehört?

Hey Gehirn,
klar, und viel Training und abwechslungsreiche Ernährung nennst du nichts? Naja, aber du weißt doch, dass niemand perfekt ist, ich kann doch nicht nur für die Wellness leben.

Liebe neechan,
aber du könntest doch öfter mal deinen inneren Schweinehund überwinden!

Ehm, Gehrin,
Schweinehund heißt Selbstdisziplin, richtig? Und naja, für sowas wie Motivation, Zielsetzung und so bist du doch zuständig, oder? Also, hm, wenn du was willst, veranlasse es doch selber!

Liebe neechan,
du hast da... ein Argument. Ich werde mich in stiller Kontemplation zurückziehen und... weiterhin denken.
Mit freundlichen Grüßen - dein Gehirn.

Donnerstag, 30. Juli 2009

Von Luxus und anderen sauren Gurken

Woran merken Sie, dass Sie in einer Konsumgesellschaft leben? Daran, dass Sie rund um die Uhr alles bekommen können, was Sie wollen? Falsch, das wissen Sie zwar, aber das nehmen Sie im alltäglichen Leben kaum wahr.
Wir merken erst, dass wir in einer Konsumgesellschaft leben, wenn wir ein ganz bestimmtes (Luxus)Produkt, also kein Grundnahrungsmittel, wollen, dass es in jedem Laden zu geben scheint und welches wir auch immer im Laden sehen, aber es ist aktuell nicht verfügbar.
Die gelassenen Exemplare Mensch geben sich damit zufrieden, gehen nach Hause und regen sich ein wenig auf. Andere rennen in 3 Läden, finden es in keinem davon und sind tief unglücklich und wieder andere machen ihrem Ärger noch direkt im Supermarkt ihres Vertrauens Luft und beschimpfen völlig wehrloses Personal, das freundlich bleiben muss, obwohl sie überhaupt nichts dafür können, dass gerade alle in der Stadt auf scheinbar die gleiche Idee gekommen sind.
Letztendlich ist die Reaktion egal, es ändert nichts daran, dass man momentan auf dieses Produkt verzichten muss.
Und genau das ist das Problem der Konsumgesellschaft: Wir haben nicht gelernt zu entbehren. Wir können nicht mehr verzichten, wie das unsere Großeltern oder Urgroßeltern der (Nach)Kriegsgeneration noch konnten, wir haben gelernt jederzeit einen geöffneten Laden zu finden und zu bekommen, wonach uns gerade der Sinn steht. Schlimmer als um uns steht es um die folgende Generation, die jetzt lernt alles jederzeit im Internet oder per Telefon bestellen zu können und es dann auch noch geliefert zu bekommen.
Was würde wohl passieren, wenn die westliche Welt unter einer plötzlichen Nahrungsmittelknappheit zu leiden hätte. -Ein Horrorszenario, das ich mir nicht ausmalen möchte.
Wahrscheinlich würde ein Krieg um ein Glas saure Gurken ausbrechen, ähnlich des Krieges wegen einer großen Anzahl Luftballons aus einem bekannten NDW-Song und am Ende wüsste keiner mehr, warum die Welt in Schutt und Asche liegt.

Mittwoch, 29. Juli 2009

Von Badehosen und anderen Dummheiten

Ich wurde heute darum gebeten zu entscheiden, welche Badehose mein Radiomoderator mit in den Urlaub nehmen sollte. Naja, nicht wirklich ich persönlich sollte entscheiden, sondern vielmehr die Masse aller Hörer sollte entscheiden. Trotzdem hat mich das im höchsten Maße beschäftigt: Einerseits fragte ich mich wie blöd eine Gesellschaft oder besser eine bestimmte Generation dieser Gesellschaft, denn Radiosender sind ja stark generationslastig, sein muss, um von so etwas angesprochen zu werden. Andererseits konnte ich es nicht lassen mir die Auswahl online anzuschauen und war dann wiederum überfordert, denn ich fand alle hässlich und konnte mich nicht entscheiden. Die Tatsache, dass ich mich entscheiden wollte, machte mir dann aber wieder sehr deutlich, dass ich eindeutig zu den Dummen gehöre, über die es tausend gute Gründe gäbe sich aufzuregen und tausend schlechte (das sind die, auf die unsere Eltern kommen, wenn sie sich aufregen). Aber dank dieser kollektiven Dummheit, ist es mir auch nicht peinlich, machen wir doch alle nichts anderes.
Warum kann ein Radiosender Hörer damit beeindrucken eine Badehosenauswahl zu treffen? Weil wir uns gern vor wirklich wichtigen Entscheidungen drücken mit der vermeintlichen Ausrede, wir müssten ja so viel entscheiden und wir hätten ja auch schon so viel entschieden, dass das Wichtige ja noch ein wenig warten kann. Außerdem sind Entscheidungen für andere Leute sowieso viel leichter zu treffen als eigene. Deswegen gehen Frauen auch gern zu zweit einkaufen: Die eine entscheidet, was der anderen steht, ob es zu teuer ist oder zu freizügig oder der Gelegenheit (un)angemessen und natürlich anders herum. Wenn wir dann zu Hause bereuen, was wir eingekauft haben, haben wir immer noch jemanden, dem wir die Schuld in die Schuhe schieben können, was wir natürlich nicht tun, weil wir nicht bereuen, aber wir könnten...

Aber um noch einmal abschließend deutlich zu machen, warum ich unsere Generation für dumm halte, möchte ich mit einer Schlagzeile aus den Nachrichten des gleichen Radiosenders schließen: "Die zunehmende Kinderlosigkeit trägt die Schuld an den geringen Geburtenzahlen der letzten Jahre."
Mir ist zwar mittlerweile klar geworden, was der Satz eigentlich meint, aber ich finde trotzdem, dass man bei dieser Formulierung folgenden Satz in die Nachrichten aufnehmen sollte: "Wenn ich nichts mehr esse, werde ich verhungern."

Mittwoch, 22. Juli 2009

Vom Geld und anderen Beamten und wie lilafarbene Kaninchen damit umgehen

Das große Rätselraten mit kichererbse ist erst einmal wieder vorbei, d.h. eine anstrengende Klausurenphase liegt hinter mir und damit auch ein weiteres Semester in einem Studium, das damit schon halb vorbei ist und wenn die die 2. Hälfte so schnell vergeht wie die erste, dann ist mein Studium schon am gefühlten Übermorgen vorbei... Schade, denn es macht Spaß und ich könnte mir durchaus vorstellen mein Leben lang jeden Tag nichts weiter zu tun als mich mit Wissen zu füttern, dieses Wissen zu diskutieren und an die weiterzugeben, die es bei den Dozenten nicht verstehen.
Ich würde auch gern weiter jeden Tag mein Nichtwissen verbergen, durch reden um den heißen Brei mit mindestens 10 Fremdwörtern deren Kombination ich gerade eben erfunden habe, aber sich ja auch niemand traut nachzufragen, denn alle vertuschen, dass sie eigentlich nichts wissen und würden sich nie durch so eine Lappalie enttarnen lassen. Es scheint für einen Studenten keine schlimmere Peinlichkeit zu geben als inkompetent zu wirken. Alle anderen Peinlichkeiten lebt er dafür mit höchstem Genuss und in großer Regelmäßigkeit aus.
Aber da ist eine Institution, die mich daran hindern wird dieses studentische Lotterleben (woher kommt das Wort eigentlich?) weiterzuführen: Das BAföG- Amt.
Da sind diese netten Damen (vielleicht auch Herren, aber ich habe noch nie einen gesehen), sie sind verbeamtet und müssen sich weder um Job noch um Gehalt Gedanken machen. Sie schauen ihn an, den "Ausbildungsförderung" beantragenden Studenten, sie rufen ihre Kolleginnen herbei: "Guck mal: Da ist wieder einer!" als wäre gerade ein lilafarbenes Kaninchen hereingehoppelt. Aber es ist der "ach-ist-der-süß-Blick, der dann kommt, sondern der arme Student, dessen Bildungsstreik-Forderung "reiche Eltern für ALLE" leider nicht umgesetzt wurde, wird vielmehr als Versager (warum schafft der es denn nicht neben dem Bachelorstudium nicht noch zu arbeiten) oder als Sozialschmarotzer (bei dem, was der studiert schafft er es nie der Gesellschaft zurückzugeben, was er sie jetzt kostet) betrachtet und natürlich wird bei jeder seiner Aussagen und jedem Kreuzchen, das er in seinen Antrag gesetzt hat, erst einmal vermutet, dass er ein Betrüger ist, jeder Student scheint mit seiner Immatrikulation ein potenzieller Betrüger zu werden oder Beamte haben in ihrer Beamtenschule ein Fach, das sich "Der Bürger- ein Betrüger" nennt und sie müssen das einfach denken, sonst beschmutzen sie ihren Berufsethos- kann ja sein. (Gut, dass in deutschen Gerichtren, die Unschuldsvermutung gilt - sitzen da auch Beamte?)
Aber der Student kann gar nicht neben seinem Studium arbeiten, denn die einzigen 4 Stunden in der Woche in denen er Zeit hätte, verbringt er im BAföG-Amt mit Warten, um Unklarheiten in seinem Antrag zu klären, die nicht unklar sind, sie dienen nur dem Versuch ihn zu überführen. Wenn dann - ungefähr 5 Monate nachdem der Antrag gestellt wurde- tatsächlich erwiesen ist, dass der Student leider auf "Förderung" angewiesen ist, folgt dann der das-ist-aber-ein-armes-Würstchen-Blick. Wie er die Zeit der Antragsbearbeitung finanziell überbrückt ist ja seine Sache, er hätte den Antrag ja rechtzeitig abgeben können. Aber Beamte nehmen ihn leider nicht 6 Monate bevor, der Bewilligungszeitraum anfängt, sondern nur 3 und dann muss der Student immer noch 2 Monate von Knäckebrot und Leitungswasser leben. Studenten sind ein armes Volk. Und zu jedem Wintersemester fängt der Spaß wieder von vorn an.

Freitag, 10. Juli 2009

Von Labertaschen und anderen Verdienstmöglichkeiten

„Sehe ich etwa aus wie dein Psychotherapeut!?“

So oder so ähnlich würde ich einige Leute gerne unterbrechen, wenn sie mir mal wieder zu viel erzählen.

Dabei handelt es sich um eine ganz bestimmte Gattung Mensch: Die Labertaschen, Plappermäuler, Selbstdarsteller.

Von diesen habe ich einige Exemplare in meiner Umgebung, scheine sie sogar anzulocken. (Kennt jemand ein Parfüm dagegen?)

Ich beschreibe, zur Verdeutlichung, einige Beispiele: An der Bushaltestelle stehend, treffe ich auf eine junge Frau, die mir aus meinem Bekanntenkreis bekannt ist, aber nicht besonders nahe steht. Wir kommen ins Gespräch, über übliche Studententhemen wie Stress und Klausuren. Sie erzählt mir von ihrem Hauptfach, ihrem Nebenfach, ihren Klausuren, ihrem Urlaub, so einigem.

Nun besagen die Grundregeln der Kommunikation, mit dem Gesprächpartner ein in etwa ausgewogenes Verhältnis von Wortbeiträgen zu teilen. Ebenso sollte sich das Gespräch einer Art „Flow“ unterwerfen: wenn A etwas sagt, nimmt B dies zur Kenntnis und geht darauf ein; wenn B etwas sagt, nimmt A dies zur Kenntnis und geht darauf ein.

A: „Es ist so stressig! Ich hab so viele Klausuren, besonders im Hauptfach.“

B: „Oh, du Arme. Aber das schaffst du schon. Ich hab auch ganz viel Stress, Prof. XYZ macht harte Klausuren.“

A: „Ohje. Naja, ist ja normal in der Klausurenzeit.“

Dieses Beispiel zeigt, wie beider Personen Wortbeiträge zur Kenntnis genommen werden.

Nun zurück zu der jungen Frau, die partout nicht von ihren eigenen Gesprächsbeiträgen ablassen wollte:

A: „Ich hab so viele Klausuren! Und im Hauptfach die wichtigste, die ist am gleichen Tag wie mein Nebenfach!“

B: „Oha, dann musst du dir das Lernen ja gut aufteilen. Aber das hab ich auch dieses Semester.“
A: „Ja, hatte ich letztes Semester auch schon. Da waren meine wichtigste Hauptfachklausur und die Nebenfach an einem Tag, und dann hab ich natürlich beide nicht so gut geschrieben.“

B: „Das ist schade. Aber das kommt auch echt oft vor. Man kann ja versuchen Prioritäten zu setzen. Ich hab auch….“

A (unterbricht): „Ja, dieses Semester hab ich eigentlich auch schon ganz gut geschafft. Und die vom Nebenfach ist die einzige, für die ich richtig lerne. Im Hauptfach, ach, das kann ich eigentlich, aber den Nebenfach-Reader habe ich jetzt auch schon zweimal durchgelesen.“ (erzählt weiter von ihren Klausurvorbereitungen)

B (langsam uninteressiert): „Aha.“

Man merkt, die junge Frau, hier A, geht ständig auf sich selbst zurück und erzählt dem Gesprächspartner von sich, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob ihn das interessiert, oder ob er auch mal seine Gedanken ins Gespräch mit einbringen will. Allein der Anteil des Wortes „ich“ in ihren Sätzen ist enorm, und für Gesprächspartner, die nicht eng vertraut sind, abschreckend.

Nun frage ich mich: Was soll das? Sehe ich so interessiert aus? – Denn ich bin es nicht. Vielmehr ist diese Art von Vorfällen in letzter Zeit so häufig geworden, dass ich mit dem Gedanken spiele, damit Geld zu verdienen. Richtige Psychotherapeuten schaffen das schließlich auch.

Mein Plan lautet wie folgt: Ich pinne mir eine Art Stoppuhr an mein Shirt, und wenn jemand so zu reden beginnt, als wäre ich sein Psychotherapeut und quasi beruflich verpflichtet, ihm zuzuhören, wie er über sich selbst Monologe hält, drücke ich auf ein kleines Knöpfchen. Es macht *piep*, und die Uhr beginnt zu laufen: Sie startet bei einem generellen Aufwandsentgelt von etwa €3,20 und läuft von da an aufwärts, ganz wie beim Taxifahren: pro zugehörter Minute verdiene ich 20 Cent dazu.

Vielleicht denkt der geneigte Leser jetzt, ich übertreibe. Aber aber, sage ich da mit erhobenem Finger, der geschätzte Leser wird sich an meinen Beitrag erinnern, sobald er selber von dem Phänomen der extremen Zulaberung betroffen ist, und dann sehnlichst meine Gebührenuhr herbeiwünschen. Denn wenn man nur kurz von diesem dammbruchartigen egozentrierten Wortwasserfall betroffen ist, mag man es schulterzuckend abtun, doch ab etwa fünfzehn Minuten merkt man, dass das Zuhören, ohne unhöflich zu werden, in echte Arbeit ausartet, die, wie auch eine Therapiestunde zum Beispiel, anstrengend ist und entlohnt werden sollte.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Von Experten und anderen Elefanten

Training zu Vorstellungsgespräch: Aufgabe zur Übung: "Denken Sie mal, an was Sie wollen, ist mir total egal, woran Sie denken. Nur denken Sie NICHT an einen himmelblauen, kleinen, dicken Elefanten mit einem rosa Schmetterling auf seinem Rüssel."
Ich bin mir ganz sicher, dass mich diese Übung für meinem Einstieg ins Berufsleben optimal vorbereitet hat.
Aber mal ehrlich, wenn man mit so einem Unsinn Geld verdienen kann, dann will ich auch ins Berufsleben und ich würde ganz sicher reich werden.
Berater erzählen uns, wie wir Bewerbungen nicht schreiben dürfen, welche Kleidung wir tragen müssen, um erfolgreich auszusehen, welches Parfüm wir tragen müssen, um unseren Lebenspartner zu finden und ihn unterbewusst an uns zu binden (Lösung: Vanille, zumindest um Männer zu binden) und Knigge- Experten streiten sich, ob man besser "Gesundheit" sagt oder nicht. Für alle Lebensbereiche gibt es mittlerweile Seminare und Ratgeberbücher. Auch das Fernsehen kürt Experten aller Bereiche, z. B. Sexperten, Flirt- oder Beziehungsexperten, je nach Konservativität des Senderprofils oder Medienexperten, Haushalts- und Ernährungsexperten und jede Menge Erziehungsexperten, um sie in nervenaufreibenden Dokushows ihre Ratschläge verbreiten lassen, weil ohne sie unser Leben den Bach heruntergehen muss.
Wir behaupten, wenn wir überhaupt zugeben, die eine oder andere dieser Shows zu schauen, dies nur zu unsere persönlichen Belustigung zu tun, probieren aber doch an unserem Mitbewohner aus, ob die "stille Treppe" später bei unseren Kinder funktionieren könnte.
Man sitzt am Stammtisch und sagt: "Neulich beim Flirten habe ich mich total blamiert, weil..." und die Stammtischkollegen fragen ganz entsetzt: "Hast du etwa das Buch von Y nicht gelesen?" Leider ist der Nachteil an sogenannten Expertentipps, wenn sie an die Allgemeinbevölkerung übergegangen sind, gelten sie nicht mehr als expertengerecht und neue werden erfunden, wenn man sich dann noch an die alten hält, fällt man unter Kennern noch negativer auf.
Gibt es denn keinen Lebensbereich mehr, in dem jeder Zeit hat, eigene Erfahrungen zu sammeln, eigene Fehler zu machen und sich selbst zu finden? Ist unsere Zeit so schnelllebig, dass wir nur Zeit haben aus den Fehlern der anderen zu lernen und uns auf Tipps von Experten verlassen müssen, von denen absolut unklar ist, was sie zu selbigen macht und wer das objektiv beurteilen kann?
Werde ich Experte für Kommunikationsformen und Aggressionsbereitschaft von Jugendlichen, nur weil ich das jeden Tag in der Bahn beobachten kann? Werde ich Experte für Wanderexpeditionen rund um Timbuktu, weil ich eine gemacht habe oder werde ich Experte für budgetorientiertes Einkaufen, wenn ich ein Buch darüber schreibe?
Falls das so einfach sein sollte, dann ist mein angestrebtes Berufsziel "Experte"- egal für was- spätestens wenn die Medien Notiz von mir genommen haben, habe ich finanziell ausgesorgt und ansonsten schreibe ich 2 Mal das gleiche Buch mit unterschiedlicher Kapitelsortierung und einem Titel der die Worte "jetzt noch mehr..." beinhaltet, so wie wir es von Experten erwarten.

Sonntag, 5. Juli 2009

Von der Freundschaft

Ich glaube, dass ein gewisses Maß an Vertrauen tief in uns verwurzelt ist und durch nichts erschütterbar ist, auch wenn es immer wieder Menschen gibt, die genau das versuchen. Man geht durch das Leben und je jünger man ist, desto mehr Menschen nennt man Freunde. mit dem Alter reift man und lernt zu differenzieren, erkennt, dass nicht jeder mit dem man sich gut versteht ein Freund ist, bis dahin verbringt man viel Zeit damit kleine und große Enttäuschungen zu verarbeiten. Aber nur wenige geben dadurch, das Projekt "Freundschaft" nicht ganz auf -und das ist auch gut so! Immer wieder schenken wir unser Vertrauen Menschen, von denen wir glauben, sie hätten es verdient und glücklicherweise gibt es auch immer wieder Menschen, die es verdienen. Manchmal entgeht uns auch eine tiefe Freundschaft, weil irgendetwas unser Misstrauen erregt, was gar nicht bedeutsam ist und wir können diesen Fehler nicht überwinden, weil "irren menschlich ist" und wir uns manchmal einfach auf unsere Urteile verlassen (müssen).
Trotz der Tatsache, dass das Leben immer wieder Freunde für uns bereit hält, tut es viel zu sehr weh von einem Menschen enttäuscht zu werden, den man für einen Freund hielt. Obwohl X vielleicht schon von jemand viel großartigeren, bewundernswerteren Menschen abgelöst wurde, der uns viel besser auf unserem neuen Lebensabschnitt begleiten kann, stürzen wir in ein tiefes Loch, wenn X auf uns als Menschen, unsere gemeinsamen Erinnerungen oder eine geteilte Zukunft keinen Wert legt. Und manchmal ist die Tatsache, die uns auf den Gedanken bringt, X nicht mehr wichtig zu sein, derartig belanglos, dass sie nach logischen Kriterien nur schwer nachvollziehbar erscheint.
Aber was macht eigentlich einen Freund aus? Da setzt wohl jeder Mensch andere Prioritäten. Ich betrachte Menschen als Freunde, von denen ich weiß, dass wenn ich ein Problem habe, sie für mich da sind ohne dabei lösungsorientiert zu sein, d.h. sie erkennen an, dass es für mich ein Problem ist, auch wenn es aus rationaler Sicht unsinnig erscheint. Aber viel wichtiger ist für mich bei der Bezeichnung "Freund", dass jemand zu mir Vertrauen hat, dass er mich mitten in der Nacht anruft oder jederzeit vorbeikommt, wenn er jemanden braucht, an dessen Schulter er weinen kann, ohne dass es morgen die halbe Welt weiß oder er in einer komplizierten Frage jemanden sucht, mit dem er einfach mal die Möglichkeiten durchdenken kann ohne Ratschläge zu erhalten. Nur wenn jemand mir vertraut, weiß ich, dass er das Prädikat "Freund" verdient, denn nur dann, weiß er wirklich, wie ich bin. Wichig ist auch offen und direkt Kritik äußern und empfangen zu können, ohne dass einer beleidigt ist und ohne dass sie über 3 Ecken kommt und ohne sie als Angriff gewertet werden kann, sondern vielmehr die eigene Reflexion anregt im Sinne von: "Ich fand eigenartig, was du da gemacht hast, vielleicht kannst du es mir erklären." Dies setzt voraus, dass man noch mal nachdenken muss und wenn es eine angemessene Erklärung gibt, auch Verständnis für das eigene Verhalten erreichen kann.
Ein Freund ist ein Freund, wenn du jedesmal, wenn du ihn triffst oder du von ihm hörst, dich freust und auch am Ende jedes Gesprächs froh bist es geführt zu haben und ein Freund ist ein Freund, wenn ihr auch wochenlang nichts von einander hören könnt, ohne dass etwas zwischen euch steht, denn ihr wisst, wenn ihr einander braucht, ist der andere da und jederzeit zum Gespräch bereit. - Falls ihr niemanden habt auf den das zutrifft solltet ihr über euer Außenwirkung nachdenken.

Anmerkung der Autorin: Wäre ich wirklich so zynisch, wie mir gelegentlich vorgeworfen wird, würde dieser Post: "Von Freunden und anderen Enttäuschungen" heißen.

Montag, 29. Juni 2009

Von Plänen und anderen Katastrophen

Ereignisreiche Wochen liegen hinter uns: Eine Woche Bildungsstreik, mit anschließender Beerdigung der Bildung. Jede Menge insolvente oder krisengeschüttelte deutsche und internationale Firmen. 2 tote Prominente an einem Tag und jede Menge Flugzeugabstürze.
Das sind vielleicht alles Dinge, die bewegen, aber für die den Einen die Worte fehlen oder über die den Anderen schon viel zu viel gesagt wurde, immerhin wurde eine berühmte Suchmaschine damit lahmgelegt.
Außerdem liegen ereignisreiche Wochen vor mir: die Prüfungswochen fangen mal wieder an und ich werde gezwungen Zukunftspläne zu machen.
Mit Plänen ist das so eine Sache, solange sie rein hypothetisch sind, heißen sie Träume und haben deswegen ihre Daseinsberechtigung und können jederzeit, wenn unrealistisch, als utopische Fantasie beiseite gelegt werden. Wenn es nur Arbeitspläne für regelmäßig wiederkehrende Routineaufgaben sind, dann machen sie deshalb Sinn, weil es viel zu viel Energie kosten würde, es immer wieder anders zu machen, außerdem ist in diesen Plänen eine gewisse Abweichquote integriert und man muss sich nicht exakt daran halten.
Aber welchen Sinn haben langfristige Pläne in einem so jungen Leben, sollte nicht Abenteuer- und Forschergeist uns durch die Welt begleiten und wir angstfrei und mutig auf ein noch lange dauerndes, vor uns liegendes Leben blicken?
Meinen Schock für's Leben hatte ich ungefähr im ersten Semester, noch keine 20 Jahre alt, als mich auf dem Campus ein Versicherungsvertreter ansprach und mich fragte, ob ich mir über meine Altersvorsorge und Rente schon Gedanken gemacht hätte. Ich hatte noch nicht einen Cent durch wirkliche Arbeit verdient und sollte schon einen Plan für die Zeit nach der Arbeit haben???
Ich glaube mit dem Leben ohne Pläne ist es wie mit den Menschen ohne Orientierungssinn, die sich auch auf Wegen verlaufen, die sie schon 5 Mal gegangen sind: "Ohne Orientierungssinn sieht man mehr von der Welt."
Übertragen auf Pläne sollte es vielleicht heißen: "Ohne Pläne bietet dir das Leben mehr Möglichkeiten."
Der Satz trifft, aber nur zu, wenn man offen und spontan ist und die Augen nach Möglichkeiten offen hält. Dies ist also kein Plädoyer für im Bett liegen bleiben und glauben, der Abschluss und der Job kommt schon von alleine geflogen.
Aber jeder kennt doch diese dreisten Menschen, die zu spät zum Konzert kommen und dann immer den besten Platz haben oder irgendeine Abwandlung davon...
Leben ganz ohne Pläne geht aber wahrscheinlich nur, wenn man selbst Geld hat oder keinen Wert auf gewisse Standards legt, wie ein Bett, "regelmäßiges" Essen ...
So wird es wohl auch Planungsphobikern nicht erspart bleiben, sich hin und wieder ihrer Angst zu stellen und gewisse Projekte zu planen und vielleicht bietet es ganz neue Erfahrungen und Kenntnisse, die den Forschergeist beflügeln.

Sonntag, 14. Juni 2009

Ein Dozent - Tausend Gesichter

Das Studentenleben ist ja generell schon ein schweres Leben, aber es gibt doch hier und da noch Menschen und Ereignisse, die es noch schwerer machen. Da regnet es zum Beispiel so sehr, dass das wahrscheinlich teuerste Unigebäude einen Wasserschaden hat und seit einer Woche der Hörsaal außer Betrieb ist. Von den Toiletten, die 4 Monate nicht zu benutzen waren und nicht einmal in den Semesterferien repariert wurden, rede ich besser gar nicht erst. Das, was das Studentenleben am schwierigsten macht, soll heute mein Thema sein: Die Menschen, die es ganz stark beeinflussen.
Ein berühmter deutscher Aufklärer ( gemeint ist nicht die Epoche der Aufklärung) würde diesen Post wohl "Dein Dozent- Das unbekannte Wesen" nennen.
Du stehst am Anfang deines Studiums, suchst Orientierung und da ist er da, dein Dozent, er strahlt Ruhe aus, erklärt dir scheinbar genau, was er vorhat, nennt seine Ansprüche und sagt, er ist jederzeit für Fragen offen, dann ist das Semester vorbei, die Texte waren weit über Anfängerniveau, wobei das doch versprochen wurde, die Hausarbeit ist trotzdem geschrieben und der Schock kommt, die Note ist nur ein ausreichend, der Dozent wiegelt stur und schroff alle Nachfragen ab und man fragt sich wo der Mann hin ist, den man mal kennengelernt hat. Herzlich willkommen im Studentenalltag.
Ein anderes Exemplar Dozent macht sich gerade bei uns im Institut breit, noch neu und schon mit viel zu viel Verantwortung belegt, trifft man ihn mit Kaffeetasse in der Hand oder gerade frisch gesättigt aus der Mensa kommend, ist er gesprächig, gern bereit alle Fragen zu beantworten und kommt aus dem Plaudern gar nicht mehr heraus. Es sei denn er spürt deine Unsicherheit bei Dingen, die dir längst klar sein sollten oder er fühlt sich von Kollegen beobachtet, dann wird er streng und unnachsichtig.
Aber wehe du sitzt in seinem Seminar, ein kleiner Einwand und er packt dich wie ein Löwe eine Gazelle. Aber interessanter Weise nur in einem von 2 Seminaren, die er nacheinander hält, hat er sich im ersten ausgepowert, ist er im folgenden Seminar brav wie ein Kätzchen. Gab es dagegen im ersten Seminar entweder nichts zu meckern oder er war ein wenig nachsichtig, dann wird es im 2. Seminar ganz sicher jemanden geben, den er zerfleischt.
Natürlich ist keiner von uns Studenten in beiden Seminaren, aber man tauscht sich ja aus und als diese Tatsache eher zufällig ans Licht kam, machte sich ein wenig Unsicherheit unter den Studenten breit. Wie soll man denn mit so viel unberechenbarer Berechenbarkeit (wahrscheinlich ist es eher berechenbare Unberechenbarkeit) umgehen? Die andere Frage ist, ob der zuständige Arzt, die Beruhigungsmittel nicht ein wenig höher dosieren sollte.
Generell sind, bis auf wenige Ausnahmen bei denen es sich andersherum verhält, alle Dozenten außerhalb ihrer Seminare oder Vorlesungen umgänglicher und freundlicher, aber diese immer mehr in den Sadismus abgleitenden Exemplare nehmen stark zu und es sollte dringend darüber nachgedacht werden, ob es Zeit für eine neue Studentenrevolution wird und die Werte von 68 aufgefrischt gehören.
Wobei man entschuldigend einwerfen muss, dass einige Studenten einen derartigen Umgang zu brauchen scheinen um überhaupt mal Grenzen kennenzulernen.