Samstag, 12. Dezember 2009

Von glamourösen Weihnachten und anderen Illusionen

Jedes Jahr sagen wir um diese Zeit doch wieder: Das ging aber schnell vorbei. Merkwürdig, dass jedes Jahr die subjektive Wahrnehmung am Jahresende vorgaugelt, dass 365 Tage diesmal noch weniger waren als letztes Jahr. Ein Tag ist auch nicht mehr das, was er mal war. Wir haben das Gefühl, dass uns Weihnachten einfach ohne Vorwarnung überfällt oder überrennt. Wir glauben im Nachhinein, dass in unserer Kindheit die Zeit zwischen den Weihnachten eine halbe Ewigkeit waren, aber ich glaube, dass das nur in unseren Erinnerungen so ist und wir damals schon nur von einem Konsumfest zum nächsten hetzten, es war nur nicht so stressig, weil kleine Kinder ihren Eltern nur ein Bild zum Geburtstag malen müssen und sich nicht stundenlang Gedanken über ein angemessenes Geschenk zu machen. An Ostern und Weihnachten haben wir einfach so lange wie möglich behauptet an Osterhase und Weihnachtsmann zu glauben um uns eine Menge Zeit zu ersparen. Wir hatten damals einfach ein besseres Zeitmanagement. Aber wenn ich dieses Jahr an Weihnachten vor meiner Nichte stehe und ihr erzähle, dass ich nichts für sie habe, weil die Geschenke ja der Weihnachtsmann bringt, sorgt sie dafür, dass ihre Eltern mich in eine psychiatrische Einrichtung einweisen lassen, aber sie selbst muss niemandem Geschenke machen, das ist ja Sache des Weihnachtsmannes. Ach, für Kinder ist die Welt noch einfach.
Es rückt immer näher, das Fest der roten Männer. Ich habe mir dieses Jahr auch ein wenig meiner kindlichen Bescheidenheit zurückerobert und die Liste der von mir Beschenkten stark reduziert. Ich mache gern Geschenke, aber Weihnachtsgeschenke sind so unpersönlich geworden. Die ein oder andere kleine Freude über das Jahr verteilt und ein individuelles Geburtstagsgeschenk haben doch eine viel längerfristige Wirkung, als ein hektisch besorgtes Geschenk zu einem Fest, bei dem es zum guten Ton gehört, sich zu beschenken. Man schenkt also praktisch nur noch,weil man schenken muss.
Man könnte sich jetzt auch seitenlang darüber auslassen, das wir die wahre Bedeutung von Weihnachten aus den Augen verloren haben. Aber das wird genug an anderer Stelle getan. Des weiteren ist doch die Bedeutung eines Festes daran zu messen, was die Gesellschaft von diesem Tag hält und was sie tut. Denn Bedeutung meint doch: Welchen Wert hat etwas für mich und wie setze ich diesen Wert um? Dann misst sich die Bedeutung von Weihnachten an der Anzahl von verspeisten Gänsen, getrunkenen Glühweinbechern, verteilten Geschenken und fabrizierten Familienstreitigkeiten. Man spricht gelegentlich auch von Weihnachten als das Fest der Liebe, aber es ist mehr ein Fest der Illusion der Liebe. Man wünscht sich ein Mal im Jahr Frieden und Freude, aber man erntet eigentlich nur Streit. Dies kommt vor allem dadurch zu stande, dass wir versuchen diese Liebe auf rationalen Wegen zu erreichen. Wir geben uns Mühe, besonders freundlich zu sein, keine falschen Worte zu gebrauchen, aber durch unsere Anspannung, passiert genau das: Wir sagen etwas falsches oder unsere Anspannung wandelt sich in Gereiztheit und wir fühlen uns von den anderen nicht gut genug behandelt, wo wir uns doch so viel Mühe geben. Aber diese wachsende Gereiztheit nimmt den Raum für echte Freundlichkeit, Gemeinschaft und Zärtlichkeit. Da geht es dahin, das Fest der Liebe.
Wenn wir nun wissen, dass Weihnachten nicht das Fest der Liebe ist, was ist es dann? Ich denke als ein Fest kann man Weihnachten definitiv definieren: als ein Familienfest. Vielleicht das letzte übrig gebliebene Familienfest in einer individualistischen Gesellschaft wie der unseren. Familienfest heißt ja nicht zwangsläufig harmonisches Fest und schließt deswegen ein Fest der mangelnden Liebe nicht aus. Aber man kann Weihnachten nur bei seiner Familie verbringen, weil alle anderen auch bei ihrer Familie sind. Es gibt auch keine Begründung, die eine Familie zulassen würde, mit der man den Fest der Feste entziehen könnte.
Ab einem gewissen Alter kommt dann die „Schwiegerfamilie“ dazu und noch ein wenig später ist es die eigene Familie, die man an Weihnachten zusammen zuhalten versucht und dafür auch die eigenen Eltern unter den ersten sebstgekauften Weihnachtsbaum setzt und die kommen zu der unweigerlichen Erkenntnis, dass sie alt geworden sind.
Jeder versucht irgendwann gegen Weihnachten aufzubegehren, es für sich persönlich zu reformieren, aber es ändert sich nur die äußere Erscheinung und bleibt irgendwie immer ein Familienfest.
Man wirft Weihnachten seit Jahren vor immer „amerikanischer“ zu werden und auch die diesjährige Weihnachtsreform legt diesen Schluss nahe: Weihnachten wird dieses Jahr ein Glitzer- und Glamourfest, zumindest wenn man in die Dekoläden schaut. Zwischen in Glitter getauchten Kugeln findet man Glitzerelche und schimmernden Kunstschnee. Die Frauen müssen sich dieses Jahr etwas einfallen lassen, wenn sie mit dem Baum um die Wette glitzern möchten. Aber vielleicht sollten wir dieses Jahr die Rolle des Baumes übernehmen und mit natürlicher Schönheit glänzen.

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