Mittwoch, 8. Juli 2009

Von Experten und anderen Elefanten

Training zu Vorstellungsgespräch: Aufgabe zur Übung: "Denken Sie mal, an was Sie wollen, ist mir total egal, woran Sie denken. Nur denken Sie NICHT an einen himmelblauen, kleinen, dicken Elefanten mit einem rosa Schmetterling auf seinem Rüssel."
Ich bin mir ganz sicher, dass mich diese Übung für meinem Einstieg ins Berufsleben optimal vorbereitet hat.
Aber mal ehrlich, wenn man mit so einem Unsinn Geld verdienen kann, dann will ich auch ins Berufsleben und ich würde ganz sicher reich werden.
Berater erzählen uns, wie wir Bewerbungen nicht schreiben dürfen, welche Kleidung wir tragen müssen, um erfolgreich auszusehen, welches Parfüm wir tragen müssen, um unseren Lebenspartner zu finden und ihn unterbewusst an uns zu binden (Lösung: Vanille, zumindest um Männer zu binden) und Knigge- Experten streiten sich, ob man besser "Gesundheit" sagt oder nicht. Für alle Lebensbereiche gibt es mittlerweile Seminare und Ratgeberbücher. Auch das Fernsehen kürt Experten aller Bereiche, z. B. Sexperten, Flirt- oder Beziehungsexperten, je nach Konservativität des Senderprofils oder Medienexperten, Haushalts- und Ernährungsexperten und jede Menge Erziehungsexperten, um sie in nervenaufreibenden Dokushows ihre Ratschläge verbreiten lassen, weil ohne sie unser Leben den Bach heruntergehen muss.
Wir behaupten, wenn wir überhaupt zugeben, die eine oder andere dieser Shows zu schauen, dies nur zu unsere persönlichen Belustigung zu tun, probieren aber doch an unserem Mitbewohner aus, ob die "stille Treppe" später bei unseren Kinder funktionieren könnte.
Man sitzt am Stammtisch und sagt: "Neulich beim Flirten habe ich mich total blamiert, weil..." und die Stammtischkollegen fragen ganz entsetzt: "Hast du etwa das Buch von Y nicht gelesen?" Leider ist der Nachteil an sogenannten Expertentipps, wenn sie an die Allgemeinbevölkerung übergegangen sind, gelten sie nicht mehr als expertengerecht und neue werden erfunden, wenn man sich dann noch an die alten hält, fällt man unter Kennern noch negativer auf.
Gibt es denn keinen Lebensbereich mehr, in dem jeder Zeit hat, eigene Erfahrungen zu sammeln, eigene Fehler zu machen und sich selbst zu finden? Ist unsere Zeit so schnelllebig, dass wir nur Zeit haben aus den Fehlern der anderen zu lernen und uns auf Tipps von Experten verlassen müssen, von denen absolut unklar ist, was sie zu selbigen macht und wer das objektiv beurteilen kann?
Werde ich Experte für Kommunikationsformen und Aggressionsbereitschaft von Jugendlichen, nur weil ich das jeden Tag in der Bahn beobachten kann? Werde ich Experte für Wanderexpeditionen rund um Timbuktu, weil ich eine gemacht habe oder werde ich Experte für budgetorientiertes Einkaufen, wenn ich ein Buch darüber schreibe?
Falls das so einfach sein sollte, dann ist mein angestrebtes Berufsziel "Experte"- egal für was- spätestens wenn die Medien Notiz von mir genommen haben, habe ich finanziell ausgesorgt und ansonsten schreibe ich 2 Mal das gleiche Buch mit unterschiedlicher Kapitelsortierung und einem Titel der die Worte "jetzt noch mehr..." beinhaltet, so wie wir es von Experten erwarten.

4 Kommentare:

  1. aber den ganzen tag leute beraten bzw. expertieren (falls es das in dem zusammehang überhaupt gibt), die keine ahnung von nichts haben, is doch auch belastend?! außer man verdient genügend. obwohl geld auch nicht alles ist.. oder herr finanzberater?

    AntwortenLöschen
  2. Ich kann an dieser Stelle nur Oscar Wilde zitieren, von dem bekanntlich so wahre Sätzte stammen wie: "Die Anzahl der Neider bestätigt unsere Fähigkeiten" oder "Die Ehe ist der Versuch, zu zweit wenigstens halb so glücklich zu werden, wie man allein gewesen ist."
    Dieser weise Mann sagte zu diesem Thema: "Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt."

    AntwortenLöschen
  3. die zitate haben wirklich was wahres an sich. nur zum dem besagten zitat: wer mit viel geld aufwächst und dessen eltern wohl die "geld sei das wichtigste"-einstellung leben vielmehr vermitteln, beurteilt die rolle von geld WAHRSCHEINLICH anders als jemand der in ärmeren verhätnissen aufwächst.

    AntwortenLöschen
  4. Extrem guter Artikel. Ich hab ihn auch satt, diesen ewigen Bevormundungsterror. FÜR das Recht auf eigene Fehler! GEGEN den Kompetenz-Krampf!!!

    (PUH, das war befreiend)

    AntwortenLöschen