Freitag, 10. Juli 2009

Von Labertaschen und anderen Verdienstmöglichkeiten

„Sehe ich etwa aus wie dein Psychotherapeut!?“

So oder so ähnlich würde ich einige Leute gerne unterbrechen, wenn sie mir mal wieder zu viel erzählen.

Dabei handelt es sich um eine ganz bestimmte Gattung Mensch: Die Labertaschen, Plappermäuler, Selbstdarsteller.

Von diesen habe ich einige Exemplare in meiner Umgebung, scheine sie sogar anzulocken. (Kennt jemand ein Parfüm dagegen?)

Ich beschreibe, zur Verdeutlichung, einige Beispiele: An der Bushaltestelle stehend, treffe ich auf eine junge Frau, die mir aus meinem Bekanntenkreis bekannt ist, aber nicht besonders nahe steht. Wir kommen ins Gespräch, über übliche Studententhemen wie Stress und Klausuren. Sie erzählt mir von ihrem Hauptfach, ihrem Nebenfach, ihren Klausuren, ihrem Urlaub, so einigem.

Nun besagen die Grundregeln der Kommunikation, mit dem Gesprächpartner ein in etwa ausgewogenes Verhältnis von Wortbeiträgen zu teilen. Ebenso sollte sich das Gespräch einer Art „Flow“ unterwerfen: wenn A etwas sagt, nimmt B dies zur Kenntnis und geht darauf ein; wenn B etwas sagt, nimmt A dies zur Kenntnis und geht darauf ein.

A: „Es ist so stressig! Ich hab so viele Klausuren, besonders im Hauptfach.“

B: „Oh, du Arme. Aber das schaffst du schon. Ich hab auch ganz viel Stress, Prof. XYZ macht harte Klausuren.“

A: „Ohje. Naja, ist ja normal in der Klausurenzeit.“

Dieses Beispiel zeigt, wie beider Personen Wortbeiträge zur Kenntnis genommen werden.

Nun zurück zu der jungen Frau, die partout nicht von ihren eigenen Gesprächsbeiträgen ablassen wollte:

A: „Ich hab so viele Klausuren! Und im Hauptfach die wichtigste, die ist am gleichen Tag wie mein Nebenfach!“

B: „Oha, dann musst du dir das Lernen ja gut aufteilen. Aber das hab ich auch dieses Semester.“
A: „Ja, hatte ich letztes Semester auch schon. Da waren meine wichtigste Hauptfachklausur und die Nebenfach an einem Tag, und dann hab ich natürlich beide nicht so gut geschrieben.“

B: „Das ist schade. Aber das kommt auch echt oft vor. Man kann ja versuchen Prioritäten zu setzen. Ich hab auch….“

A (unterbricht): „Ja, dieses Semester hab ich eigentlich auch schon ganz gut geschafft. Und die vom Nebenfach ist die einzige, für die ich richtig lerne. Im Hauptfach, ach, das kann ich eigentlich, aber den Nebenfach-Reader habe ich jetzt auch schon zweimal durchgelesen.“ (erzählt weiter von ihren Klausurvorbereitungen)

B (langsam uninteressiert): „Aha.“

Man merkt, die junge Frau, hier A, geht ständig auf sich selbst zurück und erzählt dem Gesprächspartner von sich, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob ihn das interessiert, oder ob er auch mal seine Gedanken ins Gespräch mit einbringen will. Allein der Anteil des Wortes „ich“ in ihren Sätzen ist enorm, und für Gesprächspartner, die nicht eng vertraut sind, abschreckend.

Nun frage ich mich: Was soll das? Sehe ich so interessiert aus? – Denn ich bin es nicht. Vielmehr ist diese Art von Vorfällen in letzter Zeit so häufig geworden, dass ich mit dem Gedanken spiele, damit Geld zu verdienen. Richtige Psychotherapeuten schaffen das schließlich auch.

Mein Plan lautet wie folgt: Ich pinne mir eine Art Stoppuhr an mein Shirt, und wenn jemand so zu reden beginnt, als wäre ich sein Psychotherapeut und quasi beruflich verpflichtet, ihm zuzuhören, wie er über sich selbst Monologe hält, drücke ich auf ein kleines Knöpfchen. Es macht *piep*, und die Uhr beginnt zu laufen: Sie startet bei einem generellen Aufwandsentgelt von etwa €3,20 und läuft von da an aufwärts, ganz wie beim Taxifahren: pro zugehörter Minute verdiene ich 20 Cent dazu.

Vielleicht denkt der geneigte Leser jetzt, ich übertreibe. Aber aber, sage ich da mit erhobenem Finger, der geschätzte Leser wird sich an meinen Beitrag erinnern, sobald er selber von dem Phänomen der extremen Zulaberung betroffen ist, und dann sehnlichst meine Gebührenuhr herbeiwünschen. Denn wenn man nur kurz von diesem dammbruchartigen egozentrierten Wortwasserfall betroffen ist, mag man es schulterzuckend abtun, doch ab etwa fünfzehn Minuten merkt man, dass das Zuhören, ohne unhöflich zu werden, in echte Arbeit ausartet, die, wie auch eine Therapiestunde zum Beispiel, anstrengend ist und entlohnt werden sollte.

1 Kommentar:

  1. Das nächste Mal: "Sie müssen mich mit jemanden verwechseln, den das interessiert" sagen und die U-Bahn nehmen, statt den Bus. :)))

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