Samstag, 15. Mai 2010

Von Bayern und anderen Berlinern

Landeshauptstadt, Bundeshauptstadt und Zentrum Europas. Zumindest soll es Menschen geben, die dies von Berlin behaupten.
Für einen Wochenendkurztripp ist es eine ganz annehmbare Stadt. Ich habe eine Metropole mit wunderschönen Wohnungen zu günstigen Preisen gesehen, die über ein unvorteilhaftes Untergrund- und Stadtbahnnetz verfügt. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich gute 500 Kilometer südlicher (oh, jetzt hätte ich beinah tiefer geschrieben, ich bitte um Verzeihung lieber Ex-Geographie-Lehrer) gelandet, es reihte sich ein bayrisches Restaurant an das andere, ein Brezelverkäufer an den Weißwurstimbiss und umgekehrt und auch Buchhandlungen trugen klangvolle bayrische Namen. Ich weiß jetzt woher unser Bild bei den Touristen herkommt. Da merkt man doch erst einmal, dass man in einer Weltstadt wohnt.
Berlin erweckt außerdem den Eindruck, dass man sich entweder in einem Juppi-Viertel oder in der Einöde bewegt. Da sage noch mal einer Hamburg sei entweder provinzell oder teuer.
Es soll ja auch schöne Orte zum gemütlich Ausgehen geben, aber die kann man nicht erreichen, weil man nur zick-zack Bahn fahren kann.
Die berühmte "Berliner Schnauze" hat einen liebevollen Akzent bekommen und hat damit auch ein bisschen südländische Wärme.

Tendenziell war der Weg nach Berlin und der Weg zurück die nettesten Momente der Reise. Denn wenn man eine wahre Großstadt (groß im Sinne von großartig und nicht von vollgestopft) Richtung Osten verlässt, wundert man sich, dass man doch noch mit Euro bezahlen kann und auch den einen oder anderen Laden wiedererkennt. Studenten unter sich: Man erzählt sich lustige Geschichten, stellt sich gegenseitig unlösbare, philosophische Rätsel: „Steht ein Mann allein im Wald, erzählt etwas und niemand hört ihn, hat er dann trotzdem noch unrecht?“

Man hat einen guten Eindruck hinterlassen, sich in für Studenten üblicher Art blamiert und hat die einen oder anderen flachen Witzchen gemacht, wenn gerade kein „Erwachsener“ in der Nähe war.
Beispiel? Aber natürlich: Wir stehen am Gendarmenmarkt am Deutschen Dom und sehen einen Currywurststand. Es kommt die Beschwerde, dass es am Deutschen Dom deutsche Snacks gibt, aber am französischen Dom keine französischen Snacks, zum Beispiel: Crepé, Croque oder Schnecken to go. Antwort: "Schnecken to go ist aber der Straßenstrich."

Der Eindruck meiner bisherigen Berlinbesuche, die doch schon eine Weile zurückliegen und doch immer mehr den Tourismus ins Zentrum rückte als diese Reise, hat sich wieder einmal bestätigt: In Berlin geht Beton vor Baum, grau vor grün, Weltflairgehabe vor Wohlfühlfaktor.

Aber alles in allem bekommt man den Eindruck, dass die Dinge die wirklich wichtig sind, wirklich überall in Deutschland möglich sind: Bei leichtem Regen 2 Uhr nachts schweigend neben einander her gehen und dem eigenen Gedanken nachhängen sich plötzlich anschauen, kurz etwas sagen und dann wieder schweigend neben einander hergehen und etwa 10 Minuten eine Antwort erhalten um dann wieder schweigend in den Reflexionen des Regen zu starren.
(deswegen auch nur überall in Deutschland, nirgendwo regnet es so oft, aber so geringe Mengen wie in deutschen Großstädten)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die ganze Welt nicht jetzt schon ausflippen sollte, nur weil im Sommer Fussball-Weltmeisterschaft ist. Lasst den Kindern ihr Spiel und benehmt euch wie erwachsene Menschen.

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