Freitag, 22. Januar 2010

Von morgens und anderen Abenden

Wir befinden uns im Jahre 21 nach neechan. Schnee und Eis liegen auf den Straßen, die Einwohner eines mittelgroßen demokratischen Landes sind außer Rand und Band. Der Weg zur Arbeit wird zur Yogaübung, ein Bein auf dem Boden, das anderen in den Händen, meterweites Schlittern.
Ganz Hamburg? Nein, eine von unbeugsamen Menschen bevölkerte Minderheit hört nicht auf, der wetterangepassten Vernunft Widerstand zu leisten.
Es sind dir Radfahrer. Natürlich wissen wir alle, Radfahrer sind die besseren Menschen. Sie sind sportlich-fit, sparen Diesel, Gas, Blech, CO2, C3PO, R2D2, Menschenleben und Staumeldungen. Aber im Winter...?, müssen wir an dieser Stelle einwerfen. Man stelle sich den morgendlichen (für Studenten übersetzt: etwa 12 Uhr) Weg zur Arbeit (für Studenten: Coffee-to-go-Schuppen) vor, man ist mit dem Auto (Studenten: Bus oder Bahn) nach ewiger Parkplatzsuche (Studenten: Buspassagiere bis zur Toleranzgrenze begaffen) angekommen. Den kurzen Weg zur Arbeit (Studenten: langen Weg zur Uni) begeht man mit der üblichen Mischung aus Müdigkeit, Unlust und die Tagesplanung vorbereitenden Konzentration (Studenten: Müdigkeit, Unlust, und pappbechernen Schlucken vom DoubleDecafVanillaCreamToffeeJungleChocTripleSoyLattePeripherMacchiato) und der Financial Times (Studis: Gratiszeitschrift der Woche) unterm Arm.
Der Bürgersteig ist schmal und rutschig, die entgegenkommenden Passanten laufen ebenso vorsichtig wie man selber. Es geht wetterbedingt ein bisschen langsam voran, man wechselt sich mit dem Vorder- und dem Hintermann im gelegentlichen Gleichgewichtsverlust ab.
Doch plötzlich!, rringrring, ein Fahrradfahrer! Und eilig hat er es auch noch. Seinen Drahtesel 'vollends' (für Ironieresistente: zero) unter Kontrolle, schlingert er in mit einem Radius von knapp anderthalb Metern pro Rad durch die Gegend. Selbst für einen Geisteswissenschaftler berechenbar, stellt dieses Verkehrsverhalten auf Bürgersteigen, deren drei Meter Breite nur zu maximal zwei Drittel begehbar sind, eine beträchtliche Gefahr dar.
Als psychologisch geschulter Mensch möchten wir nun vermuten, dass es sich hierbei um eine Intervention handelt - all diese wagemutigen Bicicletteure sind Teilnehmer eines Verkehrsprogramms, dass die Konzentrationsfähigkeit und Balance schulen soll. Oder ist es gar ein Ausdruck von erhöhtem Umweltbewusstsein in Zeiten der Krise und der Globalisierung?
Oder ist es gar eine Maßnahme, im Arzneischrank aufgestaute Reserven an Erkältungstinkturen endlich zu verbrauchen, nachdem man nach 37 Minuten kalter Luft, kalten Fingern, laufender Nase, geschätzten 2,63 Stürzen und einem kontinuierlich um 30% erhöhten Distress-Level, sein Immunsystem herunterreguliert hat?
Nun, wir müssen uns wohl damit abfinden, dass es Dinge gibt, die wir nie so ganz verstehen werden. Buddha sagt: Alles, was keinen Sinn hat, wird einen Sinn finden, wenn man den Sinn nicht sucht, sondern ihn vergisst. (Ok, das sagt er wahrscheinlich nicht wirklich... aber ich bin mir sicher, wenn man es lange genug durch ein Übersetzungs-Tool jagt, kommt das dabei raus.)

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