Dienstag, 9. März 2010

Von Abschiebung und anderen Todesstrafen

Bereits heute Nacht habe ich mir Gedanken gemacht, worüber ich bloggen möchte. Doch als ich heute morgen aus der Traumwelt in die Realität abglitt, wurde mir plötzlich überdeutlich klar, wie aktuell mein präferiertes Thema ist.
Ich wollte heute einen kleinen Exkurs zum Thema "Deutsches Recht für alle" geben. Wobei dieser Satz mindestens 4-deutig gemeint ist:
- zum einen der Verständnisaspekt: Kann jeder Juradeutsch verstehen?
- zum anderen der Wissensaspekt: Wieviel Ahnung haben die Leute von den Gesetzen, die für sie gelten
- darüber hinaus der Zugehörigkeitsaspekt: Für wen gilt "deutsches Recht"
- zu guter letzt der Nachdenkaspekt: Sollte es für alle gelten? Wie sollte was für wen gelten?

Aber der Exkurs ins Rechtssystem darf nur noch den Rahmen bilden. Denn ich habe heute morgen erfahren, dass am Sonntag ein 17-jähriger Flüchtling in einem Hamburger AbschiebeGEFÄNGNIS gestorben ist. Er war allein ohne Eltern hier in Deutschland und saß seit Anfang Februar in Haft und musste tagtäglich damit rechnen ausgewiesen zu werden. Er hat wohl nach wochenlangem psychischem Stress seinem selbst Leben ein Ende gesetzt. Ein Kind kann in einem deutschen Gefängnis vom Wachpersonal unbemerkt ums Leben kommen!?
Er starb allein und verzweifelt und wählte den vorzeitigen Tod, weil für ihn Abschiebung das gleiche bedeutete.
Er hatte deutschen Boden betreten und trotzdem galt für ihn kein deutsches Recht. Für ihn galt noch nicht einmal, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.

Wir leben in einem Staat in dem es Regeln/Pflichten gibt, die für jeden gelten, der sich in ihm aufhält, aber es gibt Rechte nur für die, die durch einen Pass zu dieser Nation gehören und für alle, die sich hier aufhalten und diesen Pass nicht besitzen gelten noch zusätzliche Regeln. Darüber, dass die Bedingungen diesen Pass zu erhalten irreal und willkürlich sind, brauchen wir hier nicht zu reden.
Reden möchte ich über das Recht auf Freizügigkeit (das Recht da hin zu ziehen, wo man leben möchte), gilt für jeden Deutschen innerhalb Deutschlands und in eingeschränkter Form auch für die EU. Warum gilt es nicht für die ganze Welt? Warum gilt es nicht einmal für einen Asylbewerber in der EU oder noch eingeschränkter in Deutschland? Jemand, der es lebend bis hierher geschafft hat und zumindest vorübergehend bleiben darf, darf nicht entscheiden an welchem Eckchen in Deutschland er bleiben/überleben darf.

Wir behaupten "alle Menschen sind gleich" oder haben zumindest die gleichen Rechte verdient. Wenn wir also so eine Weltgemeinschaft gleichberechtigter Menschen sind, warum darf dann nicht jeder dieser Weltgemeinschaft leben wo er möchte, warum darf sich nicht jeder seine Nation und Sprache, sein politisches und religiöses System, seine Nachbarn und geographischen Vorlieben selbst aussuchen?
Ich möchte keine staatenlose Welt (egal ob anarchistisch oder kommunistisch), aber ich möchte, dass jeder sich das System aussuchen kann, dass am besten zu ihm passt.



noch ein Update zu dem 17-jährigen Toten:
In Hamburg gibt es zahlreiche kleine Organisationen, die sich um Menschenrechte bemühen, auch und besonders um die Rechte von Asylbewerbern, Migranten, Menschen mit befristeten Aufenthalten. In diesen Kreisen herrschte heute morgen Bestürzung und Krisenräte tagten, eine Spontandemonstration wird angesetzt, besonders unterstützt aus kirchlichen Kreisen. Auch die Lokalredaktion eines großen Fernsehsenders hatte von dem toten Minderjährigen im Gefängnis gehört und witterte einen Skandal und will heute Abend berichten und fragte in mindestens einer Organisation an, ob sie denn die Aktionsplanung filmen dürften, vielleicht die Herstellung von Transparenten. Als ihnen ein Interview zu den Ereignissen zugesagt wurde, lehnten sie jedoch mit der Begründung ab, man brauche Action für die Zuschauer, ein Gespräch sei zu langweilig.
Ich lasse das jetzt so stehen und versuche meine Kritik an der Medienperversion, die aus der Sensationsgeilheit der Zuschauer resultiert zurückzuhalten.

2 Kommentare:

  1. Oftmals kann man es nicht verstehen, was in Deutschland passiert. Neben sinnlosen Gesetzen und schwachsinniger Bürokratie wird das ganze Menschliche einfach vergessen.
    Behörden handeln eigenständig ohne Aufsicht... keiner weiss ob es da mit rechten Dingen zugeht, und vom Thema Gerechtigkeit ganz zu schweigen. Willkür und Machtmissbrauch gehört da zur Tagesordnung. Sowas nennt sich "Sozialstaat", echt traurig!

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  2. Dass die Behörden das so tun können, liegt aber daran, dass sich ein Großteil der Deutschen auch nicht dafür interessiert. Die meisten Deutschen wollen nicht wissen, was mit anderen Menschen passiert und wie es ihnen geht. Ganz nach dem mir-gehts-doch-gut-Prinzip: Wenns mir gut geht, muss ich mich doch um nichts mehr kümmern.

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