Mittwoch, 24. März 2010

Von Hefepilzen und anderen sexuellen Vorlieben

Es gibt nur wenige Branchen, die profitieren, wenn sich eine Wirtschaft in der Krise befindet, aber die Süßwaren- und Sexbranche gehören definitiv dazu. So stieg auch letztes der Umsatz der größten Kondomhersteller in außergewöhnlichen Umfang.

Sex geht immer. Das merkt man aktuell auch in den Medien. Zu Sendezeiten zu denen es sonst nicht üblich ist, findet man momentan hauptsächlich dieses Thema. Ich bin in den letzten Wochen gar nicht dazu gekommen, den Stift aus der Hand zu legen, weil ich viel zu beschäftigt war Sprüche mit zuschreiben, um mich auch noch Tage später bei jedem Smalltalk drüber lustig zu machen. Da schaut man aus versehen mal eine Wissenschaftssendung und lernt, was man nie wissen wollte, dass Hefepilze, wenn sie unter evolutionärem Druck stehen, auf eine sexuelle Fortpflanzung setzen. Vielen Dank für die Info, ich sehe mein Bier jetzt unter einem ganz neuen Licht und hoffe, dass die Pilze, die an der Herstellung beteiligt waren, nicht das Gefühl hatten, dass ihre Arterhaltung gefährdet ist.

Während ja bekannt ist, dass im Nachmittagsprogramm des Unterschichtenfernsehens jegliche zwischenmenschliche Beziehungen nur in einer sexuellen oder strafrechtlichen (was so viel heißt wie "strafrechtlich-sexuellen", weil es gibt ja nur Verbrechen, die in irgendeiner Form mit Sex zu tun haben) Komponente beleuchtet wird, war ich doch Mitte der Woche geschockt, als ich in einer „Lebenshilfe-Sendung“ mit einem Niveau, das üblicherweise etwas über dem der gewöhnlichen Nachmittagssendungen liegt, riesige Dildos sah, weil ein Angehöriger des wahrhaft schwachen Geschlechtes seiner schöneren Hälfte nicht zumuten wollte, mit einem Seil Billard spielen zu müssen.

Jetzt beginnt auch noch der Frühling und die ersten warmen Sonnenstrahlen erreichen unsere Haut und das Thema Sex wird, in Zusammenhang mit Frühlingsgefühlen, noch mehr ausgeschlachtet. Dabei ist der Lustgewinn im Frühling überhaupt nicht auf den Fortpflanzungstrieb ausgerichtet, sondern vielmehr auf die Befriedigung einer Selbstaufwertung, also Verbesserung des Selbstwertgefühls, nach den langen dunklen Tagen. Frauen wollen wieder schöner werden und ihr frühjährlicher Lustgewinn ist bei einer Shoppingtour am höchsten, während Mann jetzt wieder wichtiger sein will und sein Lustgewinn ist am höchsten, wenn er sein Cabrio auf Hochglanz polieren kann und damit durch den ersten Sonnenschein cruisen kann.

Wer hat nur das Gerücht verbreitet, dass Frühlingsgefühle etwas mit Sex zu tun haben? Es waren ausnahmsweise mal nicht die Männer, zumindest nicht alle. Es waren die Alten. Denn alte Menschen wissen, dass sie noch sie viel shoppen können, sie werden nicht wieder so schön wie früher und die alten Männer wissen, dass sie keinen Stich mehr sehen, also stürzen sich alte Menschen unter Vorwand der Jahreszeit in sexuelle Abenteuer, jetzt wunderbar in den Parkanlagen dieser Welt zu beobachten, um ihren Selbstwert auf fragwürdige Art zu optimieren und alle anderen müssen es ausbaden oder müssen ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihre Frühlingsgefühle richtig interpretieren und sich nicht waghalsig in komplizierte Beziehungen stürzen.

Genug zur aufgebauschtesten Nebensache der Welt and tribute to spring: Ich genieße jetzt die Sonne beim ersten Freiluft-Eis des Jahres und beobachte andere Menschen dabei, wie sie sich selbst nicht verstehen.

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