Sonntag, 17. Mai 2009

Sex, Drugs, and Perfume

In Süskinds "Das Parfüm" versucht der Antiheld, die Essenz des Menschen zu erhalten, die er genauso riechen kann wie orchideen, Abfall, Metall oder Tierhaar.
Die Psychologie weiß seit einiger Zeit, dass menschliches Verhalten stark durch Geruchswahrnehmung beeinflusst wird. In einem nach Kaffee und vielleicht Veilchen duftenden Geschäft kauft der Kunde mehr, als wenn es nach Verpackungsplastik und Scheuerseife riecht. Neben jemandem, der einen angenehmen Körpergeruch oder einen dezenten Duschgel-, Deo-, Parfüm-Odor ausstrahlt, sitzen wir lieber als neben einem Hemd, dem man seine dreitägigen Schweißränder anriecht. Sogar bei der Wahl unseres Sexualpartners, so unterstellt uns die Psychologie (und die gesamte duftstoffproduzierende Industrie, ganz nebenbei), gehen wir komplett der Nase nach.
Wie viel steckt denn eigentlich in uns allen von Süskinds Antihelden? - Wesentlich unterscheiden wir uns natürlich darin, dass er nicht zwischen Gut und Schlecht differenziert - wir hingegen stecken aber ganz klar in Schubladen: "Mag ich", "Mag ich nicht", und all die Abstufungen dazwischen. Und das gilt natürlich nicht nur für Essens-, Blumen- und sonstige Gegenstandsgerüche, sondern ganz besonders für Menschen.
Wenn ich Menschen rieche - also auf Sympathie beurteile - passiert ein interessantes Phänomen: je weniger gerne ich jemanden riechen mag, desto leichter fällt es mir, die Essenz aus einer Person zu ziehen.
Bei der Kichererbse zum Beispiel fällt es mir sehr schwer, eine geruchliche Essenz zu finden und mich auf maximal vier Hauptbestandteile zu beschränken, sondern sie ist für mich ein riesengroßes, breit gefächertes Duftfeld: leichter Blümchenduft wegen ihrer Fröhlichkeit, der salzige Geruch von Meerwasser aus ihrem Freiheitsbedürfnis, Früchtetee-Duft aufrgund ihrer Vorliebe für süße, süße Sachen - insbesondere Säfte und Nektare -, Kamelienduft wegen ihrer originellen, intellektuellen, manchmal überraschenden Eigenschaften, greller Kirschlolli-Geruch wegen ihrer Buntheit und Quirligkeit, und eine Menge anderer Gerüche, die ich nicht genauer auseinandernehmen kann, sondern die einfach durcheinander schwirren.
Nun im Gegensatz dazu zu den krummen Gewächsen unter den Mitmenschen, die ich nicht so gut riechen kann.
Da wäre zum Beispiel A, der für mich den schweren Weihrauchgeruch angestrengter Originalität und Intellektualität ausstrahlt, sowie den selbstprofilierenden, sich selbst hervorhebenden und eitlen "Los-lob-mich!"-Geruch von Vanille.
Oder die schreckliche B aus M, die ich etwas näher kennengelernt habe und deshalb in noch mehr Duftstoffe aufspalten kann: der Geruch von faulenden Eiern, der aus einem begrenzten Horizont resultiert, in dem jegliches menschliche Potenzial vor sich hinfault, weil es sich nicht entfalten kann; Der schwere Geruch von gerade die Blüte überschritten habendem Mohn, der für ihren verzweifelten Versuch steht, originell und besonders elegant & ästhetisch sein zu wollen, wobei sie aber leider in langweilige und hässliche Klischees verfällt und darin stecken bleibt; Der strenge Benzingeruch von Intoleranz; Ein dumpfer Geruch von Minderintelligenz und mangelndem Intellekt, vielleicht so, wie wenn man, den letzten Rest Energy-Drink noch im Mund, seine Nase über die leere Trinkdose hält.

Grenouille, Süskinds Antiheld, ist zumindest mir nicht allzu fremd. Das ist ja das Schreckliche an Antihelden: Sie kommen einem befremdlich, abschreckend, unnah vor, aber ein primitiver, unbewusster Teil in uns fühlt sich (wie nur? wir wollen es uns nicht eingestehen) davon angesprochen.

Und wie riechst du heute?

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